Samstag, 2. April 2011

Leuchtturm Nonstop


Die Zeichen stehen günstig: Alle Familienmitglieder sind mit eigenen Unternehmungen beschäftigt und das Wetter soll bombastisch gut werden: 20 Grad und Sonne und nicht zuviel Wind. Genau richtig, um meine Vorbereitung für unsere große Tour in diesem Jahr voranzutreiben. Ich will versuchen, bis zum Leuchtturm zu kommen und wenn es geht, auch wieder zurück, ohne zwischendurch auszusteigen. Das Gute an der Förde ist ja, dass man es sich jederzeit anders überlegen kann und im Falle, dass man allzu porös ist, an Land gehen. Nicht so, als wenn man nach Helgoland unterwegs ist und man auf halben Wege merkt, dass der Hintern unerträglich durchgesessen ist, man einen Krampf im Oberschenkel hat, oder sonstige unverhergesehene Zwänge ein Weiterfahren unmöglich machen. Kiel Leuchtturm ist sozusagen "Helgoland mit Geländer", denn die Entfernung ist gar nicht so viel anders, als wollte man Deutschlands einzige Hochseeinsel erreichen.

Um viertel vor elf bin ich auf dem Wasser, um gleich festzustellen, dass ich natürlich wieder meine Sonnenchreme vergessen habe. Zum Glück schützen mich ein paar Schleierwolken davor, am Ende des Tages wie eine Grillwurst auszusehen und den Stress mit Marie-Theres auszustehen. Allerdings muss ich nach etwa fünfhundert Metern ebenfalls feststellen, dass ich mit meiner Winterpaddeljacke hoffnungslos "overdressed" bin. Ich bin eine Weile unentschlossen, ob ich sie ablege, denn soo warm ist es auch nicht und das Wasser hat erfrischende vier Grad. Aber nach ein paar weiteren Metern gibt es keine Zweifel mehr: Die Jacke kommt ins Cockpit. Der Wind schiebt ein wenig von hinten - ich hätte ihn auf zwei bis drei Beaufort geschätzt, es sind aber tatsächlich vier. Das macht das Fahren sehr angenehm, aber skeptisch wie ich bin, mache ich mir bereits Gedanken über die Rücktour. Vielleicht muss ich doch das Geländer in Anspruch nehmen?

Ich paddle ohne große Anstrengung, denn ich rechne mit mindestens sechs Stunden - eher mehr. Jede Stunde mache ich eine kleine Pause, keine fünf Minuten, aber ich trinke jeweils etwas, später esse ich auch immer ein bisschen. Das wirkt Wunder. Der Wind hält über die gesamte Zeit seine Richtung und Stärke bei. Die Sicht ist sehr diesig, so dass ich mein Ziel erst an Tonne 5 schemenhaft erkennen kann. Um 13:25 Uhr erreiche ich den Leuchtturm und packe  Thermoskanne und Tupperdose aus. Bis hierher bin ich inklusive Pausen mit 8,25 Stundenkilometern unterwegs gewesen. Das ist supergut, aber nicht so bedeutend, denn dass ich drei Stunden diese Geschwindigkeit halten kann, wusste ich vorher. Es ist aber etwas überraschend, denn ich bin eher auf Nachhaltigkeit gefahren, so dass ich es dem Wind gutschreibe, dass ich so gut voran gekommen bin.

Bereits nach zehn Minuten mache ich mich wieder auf den Rückweg. Dadurch, dass ich immer mal eine kleine Pause gemacht habe, brauche ich jetzt nicht mehr Zeit zum Ausruhen. Mit dem Wind nun im Gesicht ist es gleich deutlich frischer, aber ich will die Paddeljacke noch nicht anziehen. Ich merke, dass es deutlich mehr ist, als was mir damals bei meiner Überfahrt nach Ärö ins Gesicht blies und ich erinnere mich noch gut daran, wie sehr er mir nach vier Stunden zugesetzt hatte. Aber heute fühle ich mich noch ausgesprochen frisch und das Paddeln fällt mir leicht. Ich schaffe es immernoch, fast die gesamte Stunde mein Paddel rotieren zu lassen, ohne es zwischendurch abzulegen.

Meine erste Hochrechnung für den Zeitpunkt meiner Rückkehr liegt bei 17:00 bis 17:30, denn ich weiß dass ich das hohe Tempo der Hinfahrt auf gar keinen Fall halten kann. In der fünften Stunde wundere ich mich schon, dass ich noch nicht müder bin, den ich fliege immer noch mit einer fast beänstigenden Geschwindigkeit über das Wasser. Zwischendurch halte ich kurzzeitig eine Ankunft um 16:15 Uhr für möglich, aber da hat mich vermutlich eine Art Dilirium gepackt. In der sechsten Stunde hat der Wind ein Einsehen mit meiner hohen Geschwindigkeit und dreht auf fünf auf. Das macht mir echt zu schaffen! Das Paddel die volle Stunde in Bewegung zu halten, schaffe ich eh schon nicht mehr und nun muss mir der Wind hier auf den letzten Metern noch den Spaß verderben! Ich habe mir irgendwann vorgenommen, unter sechs Stunden zu bleiben, aber auch diese Marke scheint jetzt nicht mehr erreichbar. "Ach was! Ich schaffe das!", versuche ich, mir Mut zu machen. Und siehe da, als ich am Steg anschlage, sind sechs Stunden und zwei Minuten vergangen - aber von den zwei Minuten werde ich niemandem etwas erzählen!

44 Kilometer halb mit, halb geben den Wind in sechs Stunden, alle Pausen eingerechnet. Das sind 7,3 Stundenkilometer - ich bin richtig stolz! Wenn die Bedingungen günstig sind, sollte Helgoland auch ohne Geländer schaffbar sein.