Samstag, 28. Oktober 2023

Nach dem Sturm...

Am Tag nach der Vereinstour im März 2020 nach Schleimünde brach die Corona-Pandemie über Deutschland herein. Eine Woche nach unserer diesjährigen Tour verwüstete eine Jahrhundertflut das geliebte Kleinod. Ich hoffe, dass die Dinge jeweils nur über eine reine Koinzidenz zusammenhängen - und nicht über eine Kausalität!

Die Sturmflut hat unfassbare Schäden an Gebäuden, der Infrastruktur aber auch an der Landschaft selbst hinterlassen. Für alle Liebhaber dieses einzigartigen Fleckchens Erde ist das ein schwerer Schock. Wir hoffen, dass es in einer gemeinsamen Anstrengung möglich ist, den Ort wieder so aufzubauen, dass er weiterhin Begegnung, Erholung und Zuflucht ermöglichen kann.

Die Lighthose Fundation hat ein Spendenkonto eingerichtet, das dazu dienen soll, die Lotseninsel wieder herzurichten:

Förde Sparkasse
Kontoinhaber: Lighthouse Foundation
IBAN DE36 2105  0170 1003 9417 52
BIC: NOLADE21KIE
Lotseninsel Schleimünde

Seezeichen "Baumgruppe"

Das ist wohl das Ende des
Seezeichens "Baumgruppe"

14.10.2023: Gemütlich an die Flutmauer gelehnt

Eine Woche später: Findlinge weg,
Bohlenweg weg, Flutmauer weg.

14.10.2023

Eine Woche später:
Flaggenmasten weg, Weg zugeschwemmt.

Sonntag, 15. Oktober 2023

Schlüsselstelle Schleimünde

Nach zweiundzwanzig Anmeldungen schließt Anja die Liste der Anmeldungen. Das ist ein gewaltiges Echo für die schon fast traditionelle Schleimündetour im Oktober. Nun darf man Mitte Oktober nicht unbedingt mit lieblichem Wetter rechnen, und auch der Komfort, mit der die Öhe um diese Jahreszeit aufwarten kann, hält sich in überschaubaren Grenzen. Mit Chance des Schicksals bleibt uns Frost erspart und die Gnade des Betreibervereins gewährt uns Zugang zu lediglich einer Toilette. Da fällt es fast schwer zu glauben, dass wirklich so viele mit von der Partie sein wollen.

Am Mittwoch, als die Vorbesprechung stattfindet, gibt es aber lediglich eine Absage - und die aus einem wirklich zwingenden Grund. Es sind für den Samstag der Hinfahrt satte sechs Beaufort Rückenwind angekündigt und für die Rückfahrt am Tag darauf Gegenwind mit immerhin noch der Stärke fünf bis sechs. Meine zarte Bemerkung, dass wir für die Rückfahrt ggfs. einen Plan B im Köcher haben sollten, wird eher mit der Hoffnung begegnet, dass es ja nicht so schlimm kommen muss.

Messwerte am Lt. Kiel
Am Freitag Morgen hat sich die Vorhersage nicht nur verfestigt, sondern sie ist eher noch drastischer geworden. Meiner Mail, die ich daraufhin in die Runde schicke, folgt ein vielstimmiges Echo. Alle sind sich einig, dass der Hinweg anspruchsvoll wird, aber auch Spaß bieten kann - und dass niemand die volle Strecke gegen den Wind zurück paddeln möchte.

Die letzte Feinabstimmung erfolgt am Samstag, als wir uns morgens vor der heimischen Bootshalle treffen. Die Teilnehmerzahl ist mittlerweile auf vierzehn geschrumpft - angekündigter Gegenwind und die für die Jahreszeit allfälligen Infektionskrankheiten zeigen Wirkung. Wir wollen in zwei Gruppen starten mit jeweils sieben Personen. Die eine Gruppe von Sieseby aus und die andere von Lindaunis mit Charlotte ist als achter Paddlerin, die aber nur einen Tagesausflug bis Kappeln machen möchte.

Für die Lindaunis-Gruppe ergibt es sich, dass wir ein Auto übrig haben, das kein Gepäck und keine Boote mitnehmen muss, so dass wir es auf dem Weg unterwegs in Kappeln stehen lassen können. Auf der Rücktour können die Fahrer der anderen PKW damit von hier bis nach Lindaunis gebracht werden. Für die Sieseby-Gruppe hat Sabine einen Freund organisiert, der sie in Arnis abholen und nach Sieseby fahren wird. Was kann bei so perfekter Organisation noch schief gehen?

Das erste, was sich uns in den Weg stellt, ist die neue Höhenbegrenzung des Parkplatzes am Noor der Lindau - da passen wir mit unseren Dachgepäckträgern und den Booten nicht drunter durch! Wahrscheinlich eine Abwehrmaßnahme gegen die Wohnmobilpest, die im Windschatten von Corona entstanden ist. Also müssen wir am Straßenrand parken und erst einmal hier abladen.

Wir starten im Sonnenschein. Hier im Noor ist vom Wind kaum etwas zu spüren, aber die Neulinge, die diese Tour zum ersten Mal machen, müssen noch auf Kurs gebracht werden, weil die Orientierung nicht trivial ist. Wie immer ist die Welt eine komplett andere, nachdem wir das Noor verlassen und nach links unter der Brücke von Lindaunis hindurch wollen. "Unter" ist vielleicht übertrieben, weil die Brücke ja gerade keine Brücke mehr ist und alle Welt, die nach Lindaunis will, nun über Kappeln oder  Schleswig fahren muss - die Fähre in Missunde fährt ja auch gerade nicht. Das hat aber keinen Einfluss auf die Strömung, die traditionell zwischen den Brückenpfeilern rauscht. Andreas passiert den Poller in Lee, wird aber fast dagegen gespült, denn zu seiner Überraschung geht die Strömung dort in die Schlei hinein - trotz strammen Westwindes. 

Der Wind kommt genau aus Westen, die Schlei verläuft von hier bis Arnis genau nach Ost-Nord-Ost, so dass wir prächtigen Rückenwind haben. Das vergleichsweise flache Wasser hier lässt natürlich keine großen Wellen entstehen, aber sie schieben hervorragend! Es macht einen Heidenspaß zu versuchen, ins Gleiten zu kommen. Der Wind erreicht in Böen Stärke sieben und man muss das Paddel durchaus festhalten. Aber die Luft ist warm (vielleicht 15 Grad), das Wasser ist warm (ebenfalls 15 Grad) und wir sind mit technisch versierten Paddlern unterwegs. Doch auch, wenn wir manchmal gefühlt mit 20 Stundenkilometern nach vorne katapultiert werden (in den Spitzen kommen wir auf knapp über 10 km/h), sind wir im Schnitt ungefähr nur mit acht Kilometern pro Stunde unterwegs. Was bombenschnell ist - aber nicht so gewaltig viel mehr als die sieben km/h, mit denen wir ohne Wind unterwegs wären.

In Kappeln ist eine Pause fällig. Wir legen uns hinter der Brücke am Nordufer genau zwischen zwei große Ausflugsdamper, die hier festgemacht haben. Hier kramen wir alle unsere Stullen hervor und stärken uns. Jörg will die Kapuze von seiner Paddeljacke aufziehen, denn da zieht eine dunkle Front heran, die Regen im Köcher hat. Nur wenige Sekunden später fegt eine Regenböe zwischen den Dampfern hindurch und rüttelt uns gründlich durch. Jörg, der immer noch mit seiner Kapuze rummacht und deshalb seine Hände nicht am Paddel hat, schwimmt plötzlich kieloben in der Schlei! Wie wir später erfahren werden, hat es auch einen aus der anderen Gruppe, die zum selben Zeitpunkt bereits kurz vor Schleimünde ist, umgeweht. Er hatte das Glück, dass das Wasser dort so flach war, dass er einfach wieder einsteigen konnte.

Unser GPS-Track von diesem Moment zeigt sehr schön, dass die Böe von Westen her ungehindert durch die Straßenschlucht fegen, zwischen den beiden Dampfern hindurchschlüpfen und uns Richtung Osten versetzen konnte. 

Charlotte verlässt uns hier und wird später vom Wanderwart des TSV Klausdorf abgeholt werden. Ich frage mich, ob dieser Service in seinem Verein zu den satzungsmäßigen Aufgaben  des Wanderwartes gehört. Darüber sollte man bei uns auch mal nachdenken!

Als sich die Schlei vor Maasholm wieder nach Osten wendet und sich weitet, haben wir Wind und Wellen genau von hinten. Hier können wir die Bedingungen noch einmal nach Herzenslust genießen. Wir fahren, so weit das möglich ist, mitten im Fahrwasser. Hier ist das Wasser am tiefsten und daher die Wellen am größten. Am Anleger vor der Giftbude lauert ein Ausflugsschiff, dass unbedingt ablegen muss, als wir in den Hafen biegen wollen. Wir fahren nun fast alle deutlich nördlich des Fahrwassers, nur Peter steuert die Einfahrt südlicher an. Da ist jede Menge Platz, aber der Käptn will wohl auf Nummer sicher gehen und gibt ein etwas nervös wirkendes Schallsignal.

Wie nicht anders erwartet, ist es auf dem Zeltplatz zugig. Norbert und Anja habe ihr großes Tipi mitgebracht, das die Sieseby-Gruppe zu unserem Glück schon im einigermaßen windgeschützen Areal hinter der Flutmauer aufgebaut hat. Hierhin ziehen sich auch einige mit ihren Zelten zurück, denen es auf der freien Fäche allzu arg weht. Ich baue mein Zelt auf und bringe (fast!) alle Abspannleinen in Stellung. Es ist wirklich ein Genuss, wie leicht und sicher es sich auch bei starkem Wind in Stellung bringen lässt. Es steht wie eine Eins - und die Geräuschentwicklung im Inneren ist überaus dezent.
Irgendwann gegen Abend, was um diese Jahreszeit ja recht früh ist, versammeln wir uns im Tipi. Wie durch ein Wunder ist es genau so groß, dass exakt vierzehn Leute darin Platz finden! Wären wir nur einer mehr, hätte derjenige draußen bleiben müssen 😢

Drinnen startet eine Trangia-Parade, bei der die unterschiedlichsten Leckereien zubereitet werden. Ich habe meinen Trangia auch am Start und wie immer hat Jörg sich bereit erklärt, für das Essen  zu sorgen. Er hat ein (aus Rücksicht auf  mich) mittelscharfes Chili con Carne gezaubert, das uns mengenmäßig echt fordert. Da diesmal auch Peter sich unserer Verpflegungseinheit angeschlossen hat, haben wir zum Nachtisch auch noch Tiramisu zur Verfügung. Das ist aber so mächtig, dass wir den Rest der Zeltinsassen um Mithilfe bitten müssen. Aber beides oberlecker!

Die ganze Nacht hindurch windet es ausgiebig und regnet heftig. Erst gegen Morgen hört der Regen auf - aber da es weiter windet, ist mein Zelt quasi trocken, als ich es später einpacke. Der Wind ist am Vormittag noch recht harmlos, er soll sich aber im Laufe des Tages steigern, daher wollen wir recht früh los. Um 10 Uhr auf dem Wasser, hieß es gestern Abend. Das Einpacken ist recht entspannt, da ja mittlerweile einiges an Proviant verbraucht ist, und wir auch kein Frischwasser mit zurück nehmen müssen. Meinen Autoschlüssel lege ich gleich am Anfang in die Vertiefung neben der Tagesluke, um ihn als letzes hineinzulegen. Dann muss ich nicht lange kramen, wenn wir in Kappeln sind und dann mit Jörgs Auto nach Lindaunis fahren. Ich bin einfach ungemein erfahren und abgebrüht bei sowas.

Auf der Schlei war der Wind etwas weniger
Der Wind ist bei weitem nicht so garstig wie gestern. Aber das Stück bis die Schlei nach Süden abbiegt, kommt er uns schon noch in erklecklicher Heftigkeit entgegen. Danach ist es aber keine große Tat mehr, und wir müssen heute ja auch nur bis Kappeln! Das sind nur acht Kilometer und dauert anderthalb Stunden. Die Boote sind schnell in gemeinamer Aktion auf den Rasen gehievt. Jetzt müssen sich nur noch die Fahrer kurz umziehen und - Autoschlüssel nicht vergessen! - nach Lindaunis geschuckelt werden. Ich mache meine Tagesluke auf - und kann den Schlüssel nicht finden! Ich leere sie komplett aus - und kann den Schlüssel nicht finden! Ich suchen in allen Behältern und Tüten - und kann den Schlüssel nicht finden! "Fuck, fuck, fuck", wie Hugh Grant in "Vier Hochzeiten und ein Todesfall" konstatiert. Der Schlüssel muss auf Schleimünde geblieben sein!


Damit gewinne ich die Gelegenheit, noch einmal mit herrlichem Rückenwind zur Öhe zu rauschen. Ich benötige auch nur gut die Hälfte der Zeit, die wir für die Herfahrt nach Kappeln benötigt haben. Vom Schlüssel ist hier jedoch nichts zu sehen! Es ist mir ein absolutes Rätsel, wohin der sich verkrümelt haben könnte. Während ich so am Suchen bin, ruft Jörg mich noch an. Er vermisst seine geliebte Armbanduhr - die muss auch auf Schleimünde geblieben sein. Leider kann ich sie ebenso wenig finden, wie meinen Schlüssel. Ein weiterer Anruf entspannt die Lage - wenigstens teilweise: Ulrich hat die Uhr im Gras liegend gefunden!

Damit ich nicht wieder gegen den Wind nach Kappeln zurück muss, haben wir vereinbart, dass Jörg mich südlich von Olpenitz am Weidefelder Strand abholt. Peter wird in der Zwischenzeit nach Altenholz fahren, um den Zweitschlüssel von Marie-Theres zu holen, die inzwischen informiert ist. Dann treffen wir in Eckernförde, um den Schlüssel zu übergeben. Danach schiggern Jörg und ich noch kurz nach Lindaunis, um mein Auto dort wartendes Auto abzuholen. Und dann müssen wir nur noch mit den Booten wieder zurück zur Halle!

Wenn man mal von dem unsäglichen Gegurke absieht, war immerhin unser Timing beeindruckend: Als ich am Weidefelder Strand angelandet bin und auf dem Parkplatz nachsehen will, ob Jörg schon da ist, kommt er gerade um die Ecke gebogen. Und als wir nach Eckernförde reinkommen, ruft Peter an, dass er gerade auf dem Parkplatz am Südstrand eingebogen ist! Es ist mir unsäglich peinlich, dass alle meinetwegen so einen Stress haben - aber alle versichern mir, dass das bei solchen Unternehmungen eingepreist ist. Aber eine Gratis-Pizza bei Mirko ist für alle fällig!