Seit Jahren schon ist es Tradition bei uns im Verein, Ende September eine "Fahrt ohne Wiederkehr" zu veranstalten. Diesmal lag der Termin, der sich auf natürliche Weise dafür anbot, genau auf Birkes Geburtstag. Zum "Glück" weilt diese aber an ihrem Jubeltag in Afrika, und so konnte es ihr nicht weh tun, wenn sich ihr Vater mit einer Gruppe Unerschrockener auf eine Paddeltour begibt. Die Anmeldungen trudelten diesmal sehr zahlreich ein, so dass ich Sorge hatte, dass wir alle zum Aprés-Padéll in Gerdis Wohnung Platz finden würden.
Das Logistik-Problem ließ sich trotz der großen Teilnehmerzahl recht einfach bewerkstelligen, da Björns Auto Transportkapazität für sieben Leute bietet und Uschi sich bereit erklärt hat, den Bootstrailer mit ihrem Wagen zu ziehen. So konnte ich fast ungehemmt den am selben Tag angesetzten Arbeitsdienst im Verein wahrnehmen und hatte dann sogar noch ein bisschen Zeit zur Erholung.
Das Beladen der Boote und Ausschmücken mit Knicklichtern nahm dann doch länger in Anspruch als geplant, so dass wir uns erst mit zehnminütiger Verspätung auf den Weg machten. Der Himmel zeigte sich fast wolkenlos - ich hatte ja auch einen effektvollen Sonnenuntergang versprochen, und am heimischen Steg war es so gut wie windstill. Für die offfene Ostsee waren allerdings fünf bis sechs Metern pro Sekunde vorhergesagt, was mich veranlasste, schon vor dem Start darauf hinzuweisen, dass das bei der zu erwartenden Dunkelheit schon anspruchsvolle Bedingungen erzeugt, denen wir entsprechend Rechnung tragen müssen. Diese Ansage hätte ich mir genauso gut sparen können.
Unseren Weg aus der Förde begleitete uns dieses wunderbar weiche, dänische Licht, das entsteht, wenn die Sonne tief stehend milde goldene Strahlen fast waagerecht über die Erde schickt. Kurz vor sieben Uhr geht die Sonne unter und wir haben fast die Ansteuertonne von Marina Wendtorf erreicht. Ab hier lasse ich durchzählen und Paare bilden, deren Nummernsumme immer 13 sein soll. Das ist nicht ganz einfach und dauert ein bisschen. Ich muss noch einige Paarungen korrigieren, weil die Gleichheit der
Nummernsumme nicht automatisch auch eine Gleichheit der Erfahrungssumme
sicherstellt. Schließlich ist aber jeder gut begleitet und auch ich
fühle mich sicher unter der Aufsicht von Jens, für den das die erste
Fahrt in die Dunkelheit ist.
Während sich die Gruppe bis hierher recht weit auseinander gezogen hatte, dringe ich nun darauf, beieinander zu bleiben, wobei jeder immer auf seinen Partner Acht geben soll. Es zeigt sich sehr bald, dass allein durch guten Willen keine hinreichende Kohäsion erzeugt werden kann. Die Geschwindigkeiten innerhalb der Gruppe weisen einfach eine zu große Streubreite auf. Ich bitte Uschi, vorne zu fahren und weise an, dass niemand sie überholen darf. Diese Maßnahme hat zwei Wirkungen: Zum einen fahren wir fortan tatsächlich in einer sehr geschlossenen Formation, zum anderen legt Uschi an der Spitze fahrend ein dermaßen strammes Tempo an den Tag, dass sie unmöglich mitkommen würde, wenn sie hinten fahren würde!
Je weiter wir um die Ecke und unseren Kurs nach Osten biegen, desto achterlicher kommt der nordwestliche Wind. Er weht tatsächlich in der vorhergesagten Stärke und erzeugt entsprechende Wellen. Die sind in ihrer Höhe zwar unterhalb von einem halben Meter, aber sie kommen von hinten und es ist dunkel und es sind etliche dabei, die das erste Mal in solchen Verhältnissen unterwegs sind. Die Stimmungslage in der Gruppe hat daher ein breites Spektrum: von juchzender Freude mit breitem Grinsen bis zur angespannten Alarmiertheit mit großen Augen.
Wie jedes Jahr sitze ich zuerst dem Irrtum auf, dass die schon recht bald in Sicht kommende Lichterreihe die unsrige ist, bei der wir zwischen der 12. und 13. Laterne anlanden müssen. Aber irgendwie kann ich es dann doch nicht glauben, dass wir so schnell am Ziel sein sollen und zücke mein schlaues Telefon, das immer über alles viel besser Bescheid weiß. Ein Blick auf die Uhr und eine simple Plausibilitätsbetrachtung hätten mich auch überzeugen können, dass unsere Lichterreihe noch hinter der nächsten Biegung versteckt sein muss.
Die Sache mit den Knicklichtern ist dieses Jahr komplizierter als sonst. Rossmann hat die Dinger für mich völlig unverständlich aus seinem Sortiment genommen und uns damit beinahe in eine Krise gestürzt. Zum Glück hat Hanno noch ein paar aus dem Baumarkt geholt und einigen "Unterbelichteten" aus der Gruppe ausgeholfen. Aber seine leuchten bei weitem nicht so gut wie die von Rossman. Zum Glück ist aber 93%iger Vollmond und keine Wolke am Himmel, so dass ich erstmals auf einer Dämmertour die Teilnehmer nicht nur ständig sehen sondern meistens sogar erkennen kann! Trotz der optimalen Sichtbedingungen fahre ich fast ständig als letzter, um sofort zur Stelle sein zu können, sollte ein alarmiertes, großes Augenpaar die Wasseroberfläche kreuzen!
In der Nähe unseres Zielortes fahren wir dichter ans Ufer, so dass wir die Molenköpfe nicht nur hören sondern auch sehen können. Es ist nicht so einfach, wie es sich anhört, zwischen der zwölften und dreizehnten Laterne an Land zu fahren, weil man keinen Anhaltspunkt hat und ständig vergisst, ob die Laterne davorne nun die 12. oder die 14. ist. Aber zum Glück gibt es Gerdi! Der hat sich schon am Strand postiert und schwenkt heimleuchtend seine Taschenlampe!
Britta hatte bereits im Vorfeld angekündigt, dass sie den direkten Heimweg einem Besuch bei Inge und Gerdi vorziehen würde, und auch für die vom Festival gebeutelte Johanna ist das die klügere Variante. So fallen wir also nur mit 10 Leuten bei unseren beiden Vereinskameraden ein und lassen es uns gutgehen bei Kuchen und unverschämt leckerem Tee - mit Kandis mit Rum - bei dem man den Kandis allerdings suchen muss!