Am Strand in Habernis geht es darum, all die Ausrüstung, von der man denkt, dass sie unerlässlich sei, in die Boot zu bekommen. Das treibt manche Falte auf die Stirn meiner Mitpaddler, aber letztlich meistern alle diese Puzzleaufgabe erfolgreich. Was partout nicht passt, wird in den Laderaum meines nur mäßig befüllten Schiffes ausgelagert. Schließlich ist es halb acht, als wir erwartungsfroh in den Booten sitzen. Sonnenuntergang ist um kurz nach acht, vorher werden wir keinen Landfall mehr schaffen. Obwohl wir mit gutem Tempo unterwegs sind, ist es halb neun, als wir unsere Boote jeweils zu viert über die glibschigen Steine ans Ufer tragen. Leider sind nicht nur die Steine glibschig - auch der Hang lässt sehnüchtige Erinnerungen an den Treppenbaum hochkommen. Zum Glück habe ich ja meine Schleppleine dabei, die wir geschickt an zwei Bäumen auf dem Steilufer befestigen, so dass sie uns sehr beim Erklimmen der Steilwand hilft.
Der Zeltaufbau findet mit dem letzten Büchsenlicht statt, das anschließende Abendessen in völliger Dunkelheit beim schummrigen Schein zweier Kerzenlaternen. Zu allem Überfluss setzt auch noch leichter Regen ein, der aber zum Glück größtenteils durch das Blätterdach der Bäume abgefangen wird. Nur Felix, der am äußerten Ende der Bank sitzt, wo keine Blätter mehr hinreichen, hat nicht ganz so viel Glück.
In der Nacht wächst sich der Regen aus. Das hört sich im Zelt sitzend sehr gemütlich an. Vorausgesetzt, das Zelt ist dicht. Delbrin ist mit einem Iglu-Zelt aufgelaufen, bei dem im Firstbereich eine große Lüftungsgaze angebracht ist. Leider weiß niemand, wo die Abdeckung dafür geblieben ist. So muss er feststellen, dass Lüftungsgaze für Regentropfen keine wirkliche Hürde darstellt und dass eine Nacht Dauerregen beeindruckende Seen in einem Zelt entstehen lässt. Als ich am Morgen einen Blick nach draußen riskiere, sehe ich, dass es nur noch aus den Bäumen nachtröpfelt und mache mich fertig für den Tag. Als ich soweit bin, das Zelt zu verlassen, setzt erneut ergiebiger Regen ein. Ich ziehe mich in meinen warmen und trockenen Schlafsack zurück. Delbrin schaut vermutlich den Seen in seinem Zelt beim Wachsen zu.
Als ich nicht mehr länger liegen kann und auch das Tröpfeln deutlich nachgelassen hat, verlasse ich doch mein Zelt und sehe an der glatten Oberfläche der Förde, dass es außerhalb des Waldes gar nicht mehr regnet. Man kann sogar mit einigem Optimismus eine Aufhellung der Gesamtsituation erkennen. Na also! Die klatschnasse Bank wird mit allerlei Schutzunterlagen abgedeckt, so dass wir beim Frühstücken nicht gleich einen nassen Hintern bekommen. Ich hatte nach meinem Rückzug vorhin die Wettersituation geprüft, und die sah für unsere nahe Zukunft alles andere als verlockend aus: Den ganzen Sonntag soll es heftig regnen und der Wind vormittags aus Osten wehen. Auch ohne das Wissen um die Delbrin'sche Seenplatte hatte ich bereits den Entschluss gefasst, die Tour um einen Tag zu verkürzen. So müssen wir auch nicht die Ochseninseln erreichen und können den Tag entspannt und gelassen angehen. Entsprechend dehnen wir das Frühstück aus. Je länger wir am Tisch sitzen, desto freundlicher und strahlender wird der Himmel!
Im Übrigen haben wir heute eine zusätzliche Herausforderung zu meistern: Der Hang ist durch den reichlichen Regen dermaßen rutschig, dass es eigentlich nicht mehr möglich ist, ihn zu besteigen, geschweige denn, große und schwere Gepäckstücke an ihm herunter zu bringen! Aber wir sind ja pfiffige KerlchInnen und lassen uns von solch Widernissen nicht die Laune oder gar die Tour verderben. An den Stellen im Hang, an denen man halbwegs stehen kann, wird je eine Person postiert. Das Gepäck wird in Ikea-Tüten oder liebevoll zusammengeknoteten Bündeln in den Karabinerhaken meiner Schleppleine geklinkt und zur ersten Person abgeseilt. Die reicht es dann weiter und schließlich erreicht so alles unversehrt und fast unverdreckt den Strand!
In der Abdeckung der Steilküste heizt uns der Sonnenschein noch mächtig ein. Das lässt nach, als wir um die Nase der Halbinsel Broager nach Westen in die offene Flensburger Förde biegen. Hier werden die Wellen allmählich etwas größer und der Wind etwas bissiger, so dass es sich eher wie Seekajak-Fahren anfühlt, was wir hier machen. Aber alle haben einen großen Spaß mit den Umständen, niemand wirkt auch nur ansatzweise ängstlich oder überfordert. Aber lang sind die Arme schon, als wir in Brunsnäs zur Pause an Land gehen. Dort sitzt bereits ein nettes dänisches Paar auf der Bank im Windschatten. Sie sind etwas verwundert, dass wir gestern auf direktem Wege über die Förde gefahren sind, weil sie denken, man solle nur maximal 300 Meter vom Ufer entfernt paddeln. Ich antworte: "300 Meter stimmt, aber nicht maximal, sondern minimal!"
Mittlerweile hat sich der Himmel fast vollständig bewölkt und es ist einiges Dunkel zu sehen. Aber es regnet nicht. Die Rückfahrt legen wir so, dass wir den Wind zuerst schräge von vorne nehmen. Ich will meinen Mitpaddlern Gelegenheit geben, sich an die Bedingungen zu gewöhnen, bevor ich den schwierigeren, direkten Kurs auf Langballigau nehme. Niemand hat auch nur die geringsten Probleme auch genau querab ankommende Wellen abzureiten, so dass wir schließlich in wildem Ritt direkt auf LA zurauschen. Hier liegt ein Stahlschiff am Anleger, an dem offensichtlich noch gewerkelt wird, und das allerlei Abwehrmaßnahmen gegen das besonders bei Möwen so beliebte Zielkacken ergriffen hat: drei Viertel des Schiffes sind unter einer wenig attraktiven Plastikplane versteckt, der Rest ist mit rot-weißem Band zur Baustellenmarkierung verziert und über allem ziehen zwei an etwa zehn Meter hohen Peitschenmasten montierte Greifvögel-artige Plastikdrachen ihre Kreise. Respekt!
Die Jannis-Eisbude in LA heißt nicht mehr Jannis - aber das Eis ist immer noch lecker! Manche bevorzugen coffeinhaltige Warmgetränke - jeder wie er mag! Und bei der Gelegenheit werde ich mir auch noch mit Elke über den Verkauf meines Zweitkochgeschirrs einig. Der Rückweg nach Habernis ist nicht mehr schwierig - der Wind bläst uns genau dorthin und die Wellen sind harmlos. Um halb sechs legen wir an, die meisten haben ihre erste ernsthafte Seekajak-Tour gemeistert und gezeigt, dass sie bereit sind für weitere Herausforderungen. Vielleicht bei besseren Wetterbedingung - oder mit regendichten Zelten!
Während ich diese Zeilen schreibe ist es Sonntag geworden. Die Temperaturen sind lausig und immer wieder fällt Regen auf die Welt. Jedesmal, wenn ich nach draußen sehe, freue ich mich! Wie ärgerlich, wenn wir die Tour abgebrochen hätten - und dann wäre doch schönes Wetter gewesen!