Sonntag, 25. April 2021

Schwentine eiskalt

Es ist kaum zu glauben: fast ein halbes Jahr ist vergangen, seitdem ich meine letzte Tour gemacht habe! Nicht, dass ich in der Zwischenzeit nicht gepaddelt wäre - ganz im Gegenteil! Mit stoischer Regelmäßigkeit haben Jörg und ich in diesem Winter unsere Furchen in die Förde gepflügt. Nur ein einziges Wochenende mussten wir an Land bleiben und spazieren gehen, weil das Wasser gefroren war. Aber es war eine zwar segensreiche aber auf die Dauer doch ermüdende Routine, in der wir auf das Sinken der Inzidenzzahlen gewartet haben, und dass wir mal wieder eine Unternehmung mit mehreren machen können.

Um dem ewigen Einerlei wenigstens etwas zu entkommen, haben wir uns für dieses Wochenende vorgenommen, die Schwentine ein längeres Stück abzupaddeln. Die Umstände zeigen sich günstig: die Bäume pressen allenthalben das Grün aus ihren Knospen, der ins Auge gefasste Tag soll sonnig, warm und windstill werden! Und meine Tochter Merle hat sich bereit erklärt, uns bis nach Niederkleveez zu fahren. Auf dem Weg dorthin stellen wir Jörgs Bulli am Rosensee ab, so dass wir nachher nicht mehr zu unserem Startpunkt zurückfahren müssen, weil Merle das Auto ja wieder mit zurück genommen hat.

Die Einsetzstelle am Badestrand des örtlichen Hotels präsentiert sich genau so sonnig wie im letzen Jahr. Allerdings sind von den damals 20 Grad heute nicht einmal mehr die Hälfte anzutreffen - und das, obwohl wir die Tour in diesem Jahr drei Wochen später unternehmen! Zudem sind da überall weiße Bäckermützen auf dem Dieksee, die es bei der vorhergesagten Flaute eigentlich nicht geben sollte.

Ich hatte im Vorfeld lange überlegt, was ich anziehen sollte. Im vergangenen Jahr bin ich im Neo ohne Paddeljacke gefahren - aber da waren es eben auch schon Tage vorher nahe 20 Grad. Unterm Strich habe ich dann doch meinen alten Dry-Fashion-Trockenanzug mit mitteldickem Unterfutter gewählt. Vor allem sind wir beide froh, dass wir unsere Handschuhe und Mützen dabei haben!

An der Umsetzstelle der Ölmühle muss Jörg allerdings doch seinen dicken Wollpulli ablegen, denn beim Paddeln gegen den Wind wird ihm dann doch zu warm. Der Wind entspricht weder der Wettervorhersage noch unseren Erwartungen. Schließlich war die vorhergesagte Flaute einer der vier Gründe, warum wir die Tour auf den heutigen Tag gelegt haben. Wenigstens die Passage über den Großen Plöner See unterstützt er uns, so dass wir ganz gemütlich mit den Miniwellen surfen können.

Ab der Südspitze von Spitzenort müssen wir aber stetig nach Norden - und von dort kommt der eiskalte Wind. Das war der zweite Grund, warum wir nicht schon gestern gefahren sind: heute sollten die Temperaturen deutlich angenehmer sein. Aber die hat offensichtlich der nicht angekündigte Wind verweht. 

Die Rohrdommelbucht ist wie letzten Jahr voller Haubentaucher, eine Rohrdommel habe ich hier noch nie gesehen, und dass ich eine gehört habe, ist mehr als 20 Jahre her. Jörg macht den Vorschlag, sie in "Karpfen- und Haubentaucherbucht" umzubenennen. Bei der Annäherung an den Bürstenpass hinter dem Campingplatz bringe ich auch schon meine Kamera in Stellung, um die Hundertschaften von fetten Karpfen zu filmen, die uns hier im letzten Jahr entgegen gekommen sind. Aber heute lässt sich nicht mal ein magerer Stichling blicken. Also nur "Haubentaucherbucht".

Spätestens auf dem Kleinen Plöner See vermissen wir auch den dritten Grund, der uns heute rausgetrieben hat: der angekündigte ungetrübte blaue Himmel ist übersät mit wunderbar weichen Wattewolken, von denen sich mindestens eine immer genau auf der Linie zwischen der Sonne und uns aufhält. Zusammen mit dem Gegenwind kommt so keine rechte Gemütlichkeit auf.

Um etwas Windabdeckung zu finden, steuern wir die Landnase direkt vor uns an und schmiegen uns dicht an sie. Dahinter fahren wir wieder in direkter Linie auf die nächste Landnase zu, um auch dort schnell wieder in den Windschutz zu gelangen. Gewiefte Navigatoren machen das so. Das ist auch gut und sinnvoll - allerdings nur, wenn der Windschutz wenigstens grob in der beabsichtigten Fahrtrichtung liegt. Diese Bedingung ist in unserem Fall leider nicht gegeben und wir müssen knappe zwei Kilometer wieder zurückpaddeln. Immerhin haben wir dabei keinen Gegenwind!

Die Pause machen wir an einer geschützen Stelle, wo die Schwentine das erste Mal richtig strömt und man etwas arbeiten muss, um an Land zu kommen. Hier können wir ausgiebig den vierten Grund vermissen, weswegen wir unbedingt auf die Schwentine wollten: das ersehnte Grün der Bäume steckt hier noch tief in fest verschlossenen Knospen!

Es ist nicht wirklich viel Betrieb auf dem Wasser, nur ab und zu begegnet uns der eine oder die andere Paddlerin. Erst als wir uns Preetz nähern wird es spürbar mehr. Zwar sind Menschen an der Badestelle, als wir sie passieren, aber im Gegensatz zum letzten Jahr badet hier keiner!

Nach meiner Erinnerung sollte der Fluss nach dem Ort geschützt durch dichtes Gehölz verlaufen. Aber leider hat mir meine Erinnerung da wieder einen Streich gespielt! Es ist leider relativ offenes Gelände und der Wind sucht sich genau das Bett des Flusses, um sich dort auszutoben. Nur an einigen Stellen herrscht vollkommen unmotiviert Windstille. Hier tummeln sich hunderte von Rauchschwalben, die möglicherweise Insekten jagen. Allerdings kann ich keine entdecken, und müsste wohl verhungern, wenn ich davon leben sollte. Aber ich bin ja zum Glück nicht als Schwalbe konzipiert.

Wenn man dann schließlich den Teil erreicht hat, wo tatsächlich dichtes Gehölz den Wind abhält, ist es auch gar nicht mehr weit bis zum Rosensee. Hier ziehen wir uns kurz um und verladen unsere Ausrüstung, bevor wir Tisch und Klappstühle aufstellen und genüsslich den mitgeführten Kuchen verzehren.

Auch wenn keiner der vier Gründe zutraf, um derentwegen wir uns auf die Tour gefreut haben - es ist einfach schön, mal wieder eine andere Tour zu machen, als sonst jedes Wochenende. Ich hoffe allerdings, dass sich das nächste Jahr nicht wieder so alternativlos darstellt und wir vielleicht mal eine andere Tour möglicher Weise auch mit mehr Teilnehmern machen können!

GPS-Track hier.