Dienstag, 22. August 2023

Wieder nicht Birkholm...

Angela ist schon seit langem in Birkholm verliebt - ohne jemals dagewesen zu sein oder es zu kennen. Aber das ficht eine echte Liebe ja nicht an. Also wurde auf der Fahrtenplanung im Frühjahr schon mal ein Pflock eingeschlagen, damit ich im August eine Tour in die Dänische Südsee anbieten möge, die die zwei Königskinder endlich zusammenbringt. Das wollte ich gerne tun. Da die Sommerferien in Schleswig-Holstein dann (fast) vorüber sein würden, hatte das Wetter auch keinen Grund mehr, sich so grimmig zu geben, wie es das die Wochen davor getan hat und damit alle zu Hause gebliebenen Schüler in Büchereien, Museen und verbliebene Schwimmbäder gezwungen hat.

Die Anmeldungen hielten sich diesmal ohne Intervention meineseits genau in dem Rahmen, den ich mir vorgestellt hatte - wir würden mit sechs Nasen die Übernachtungsplätze bevölkern. International besetzt, denn Elke hat mit Byörn noch einen dem Rest bislang unbekannten Teilnehmer aus dem (mehr oder weniger) befreundeten Ausland angemeldet.

Als das für die Tour festgelegte Wochenende in den Vorhersagebereich bei Windfinder wanderte, sah alles nach einer entspannten Unternehmung aus - der Wind war nur mit maximal drei Metern pro Sekunde angegeben. Damit konnte man es gut und problemlos schaffen, am Freitag von Alsen aus bis Drejö zu paddeln. Das sind immerhin gute 27 Kilometer und dauert sein Weilchen. Deshalb hatte ich alle Teilnehmer vorher darauf hingewiesen, dass wir etwa zur Mittagszeit würden losfahren müssen, damit wir die Strecke noch im Hellen bewältigen könnten. Das sollte aber niemandem Probleme machen.

Als dann der fragliche Freitag nur noch so weit entfernt lag, dass man der Vorhersage schon trauen dürfte, sah es aber nicht mehr ganz so rosig aus.Und am Mittwoch vorher verkündete ich bei der Vorbesprechung, dass es wenig Sinn machen würde, gegen einen Fünfer-Wind über den Belt zu paddeln, um dann am folgenden Tag ebenfalls gegen den Wind weiter in die Dänische Südsee vorzustoßen, um uns schließlich am Sonntag gegen einen dann um 180 Grad gewendeten Wind zurückzukämpfen.

Damit ist Birkholm vorerst beerdigt! Habernis an der Geltinger Bucht wird als Startpunkt festgelegt. Und da wir dann nicht mehr so weit paddeln müssen, können wir auch etwas später starten. Am Donnerstag bin ich noch mal in mich gegangen und habe Habernis am Westende gegen Wackerballig am Ostende der Geltinger Bucht getauscht. Das spart noch mal etwas Anfahrt und wir haben tendentiell den Wind mehr im Rücken. Halb zwei an der Halle, Packen und Boote aufs Dach - und ab geht die wilde Luzi! 

Leider hat die Luzi schon vor Eckernförde alle Wildheit verloren und wir kriechen im dichten Urlaubsverkehr bis nach Kappeln. Danach geht es etwas flotter, aber wirklich rasant sind wir nicht. Der Plan war eigentlich bis zum Übernachtungsplatz nördlich von Sonderburg im Alsensund zu fahren. Aber in der Summe lässt unsere bisherige Performance ein Ankommen erst kurz vor Sonnenuntergang zu. Ein wesentlicher Bestandteil solcher Touren sind aber die gemütlichen Abende, bei denen man noch lange gemeinsam am Lagerfeuer sitzt, gemeinsam isst und über Gott, die Welt und das Paddeln redet. Dazu bedarf es eines nicht zu späten Ankommens auf dem Übernachtungsplatz. Also schmeiße ich den Plan abermals um, als wir den Leuchtturm Kalkgrund etwa auf 90 Grad haben: Wir fahren einfach nach Broager und gehen da an Land. Das ist auch viel schlauer, weil wir dann morgen zu dem Platz mit dem Shelter fahren können, um dort den angekündigten starken Regen abzuwettern.

Oben auf dem Steilufer hat sich schon eine Familie aus Nordfriesland eingenistet. die kurzerhand mit dem Auto bis zur Zeltwiese gefahren ist. Sie wollen eigentlich noch Stockbrot backen. Dafür braucht man natürlich ein Lagerfeuer und deshalb platziere ich meine Sachen lieber etwas weiter entfernt unter den großen Buchen. Aber da ein strammer Ostwind herrscht, der die Nacht durchwehen soll, und der hier ungehindert in den Wald bläst, schleppe ich sie doch wieder zurück auf den geschützteren Rasenplatz und einige mich mit der Familie, dass es ein andermal Stockbrot gibt.

Wie bei Paddlers üblich spannen wir unsere Schleppleinen zwischen etliche Bäume, um unsere reichliche nasse Wäsche dem Wind und der morgen früh kräftig scheinenden Sonne auszusetzen.

Tatsächlich bläst der Wind die ganze Nacht hindurch, und ich stehe sogar mitten in der Nacht noch einmal auf, um zu überprüfen, ob das Wasser nicht dadurch so hoch gestiegen ist, dass es unsere Boote erreicht hat. Hat es aber nicht, und ich kann mich beruhigt wieder schlafen legen.

Als ich meiner Gewohnheit folgend morgens das Außenzelt von innen befühle, ist es vollkommen trocken. Das kann man von unserer Wäsche nicht sagen - sie tropft wie der gesamte Wald still vor sich hin. Die Sache mit der Sonne hat nämlich nicht so wirklich funktioniert. Stattdessen herrscht dichter Nebel, der emsig von den Bäumen aus der Luft gekämmt wird. Der Teil der Gruppe, der im Wald seine Zelte aufgeschlagen hat, traut sich daher noch nicht aus den Stoffhütten, weil die Insassen erst mal abwarten wollen, dass der kräftige Regen aufhört. Irgendwann dämmert ihnen, dass wir auf der Wiese vollkommen unbeschwert mit dem Frühstück begonnen haben - und es tatsächlich nur im Wald regnet...

Der Wind ist heute ein bisschen stärker als gestern - vor allem kommt er aber immer noch aus Osten. Damit steht er genau auf das Steilufer zu und macht das Ablegen zu einer anspruchsvollen Aufgabe. Wir meistern sie ohne großen Bruch, bekommen aber einiges Wasser in die Cockpits, das wir erstmal wieder entfernen müssen.

Wir könnten uns in Sichtweite an der Küste entlang bis Sonderburg hangeln - aber dann müssten wir die Bucht Vemmingbund ausfahren. Die ist mir aber zu tief, und außerdem ist es für die Teilnehmer eine gute Erfahrung mal bei 500 Meter Sicht sechs Kilometer über offenes Wasser zu fahren. Ich programmiere mein GPS und gebe 16 Grad als Peilung zu unserem Ziel aus. Wegen des kräftigen Ostwindes müssen wir deutlich vorhalten, aber es stellt sich heraus, dass unsere Kursrichtung ziemlich genau der beste Winkel ist, um die schräg von vorne kommenden Wellen zu nehmen. Sobald wir uns in hinreichend tiefem Wasser befinden, sind nicht wenige von ihnen deutlich über einen Meter hoch. Nach einiger Eingewöhnung sind alle begeistert von den Bedingungen.

Am Übernachtungsplatz angekommen, bauen wir als erstes unsere Zelte auf. Die meisten haben mit den knappen zehn Kilometern noch nicht genug gepaddelt für den Tag und machen sich noch einmal auf die nassen Socken. Wir zeigen unserem österreichischen Freud noch die Stelle, wo Alsensund, Alsenfjord und Augustenborgfjord zusammentreffen - ein unter Seefahrern gefürchtetes Gebiet, weil man sich hier schnell verfransen kann, wenn man in den falschen Sund oder Fjord einbiegt!

Für 17 Uhr ist heftiger Niederschlag angekündigt. Pünktlich um 17 Uhr fallen etwa zehn dicke Tropfen, so dass wir uns in einen der Shelter zurückziehen. Nach einigen Minuten andauernder Trockenheit setzen wir uns wieder auf die Sitzbaumstämme rund um das Feuer, woraufhin es etwa zwölf dicke Tropfen regnet. Dieses Spielchen "'rin in'n Shelter - raus aus'm Shelter" spielen wir noch das eine oder andere Mal - aber richtig regnen tut es erst in der Nacht. Nicht heftig sondern leise - aber beständig.

Es gibt in etwa fünfhundert Metern Entfernung noch einen zweiten Shelter-Platz, der sogar fünf Holzhütten bietet, statt zwei wie unserer. Aber der ist leider für Wasserwanderer nicht wirklich erreichbar, weil er keinen Zugang zum Ufer hat. Gestern Abend kam spät noch eine Gruppe, die alle Holzhütten gebucht hatte und vertrieb die Wanderer, die sich bereits darin niedergelassen hatten. So erbettelten sich gestern Abend noch zwei junge Radwanderer Unterschlupf bei uns.

Die Zelte sind zwar morgens klatschnass, aber bevor wir losfahren, kommt die Sonne raus. Der Alsensund bis Sonderburg ist schnell zurückgelegt, die Stadt hat sich in den letzten Jahr(zehnten) vom Butterdampferziel zur modernen Universitätsstadt gemausert, in der sich die Architekten ausgetobt haben.

Vor der großen Überfahrt machen wir noch eine Pause am südwestlichen Strand. Hier gilt es, eine Peilung für unser Ziel auszuhandeln. Das ist nämlich so weit entfernt, dass man beim besten Willen keine Strukturen erkennen kann, an denen man sich orientieren könnte. Elke gibt eine erste Schätzung aus dem Bauch heraus an mit 165 Grad. Die liegt erstaunlich dicht am tatsächlichen Wert von 160 Grad.

Wir verfahren wieder so, dass ich mein GPS zur Hilfe nehme und alle anderen fahren nach Gusto. So haben sie eine verlässliche Referenz, sind nicht an kurzer Leine angebunden und können selbst erfahren, was für ein Vorhaltewinkel bei den herrschenden Verhältnissen angebracht ist. Die Verhältnisse sind übrigens traumhaft: kaum spürbarer Wind, Sonnenschein und angenehme Temperaturen.

Den anvisierten Zeitpunkt von 15 Uhr für das Erreichen von Wackerballig reißen wir um sieben Minuten! Das lag daran, dass Elke während der Pause noch ein Knoppers essen musste...

Nachdem Boote und Ausrüstung verladen sind, fahren wir noch nach Gelting, weil es nur dort eine Eisdiele gibt. Wir müssen uns in eine leidlich lange Schlange einreihen, bevor wir dran sind. Alle in Schlange vor und bestellen mindestens eine Kugel Malaga-Eis - meine Lieblingssorte! Als ich dran bin, übernimmt Angela die Bezahlung meines Eises - obwohl wir gar nicht nach Birkholm gekommen sind. Es lohnt sich also doch, Fahrten anzubieten!