Wie schön, dass in unserem Verein Leute nachrutschen, die Touren auf der Nordsee anbieten! Bislang blieb das immer eher an mir hängen, nun haben sich Simon und Peter zusammengetan, eine Tour für Nordsee-Einsteiger zu organisieren. Peter war eigentlich schon immer in der Lage dazu, hatte aber nicht so viel damit am Hut, sich am Fahrtenprogramm des Vereins zu beteiligen. Simon ist auf dem Weg, sich in dieses Thema reinzufinden. Was für eine glückliche Kombi - und ich kann mich beruhigt zurücklehnen ;-)
Natürlich will ich selbst auch gerne mit auf die Nordsee und nach Hooge - aber es ist keine gute Idee als "alter Hase", der meint, alles besser zu wissen, sich in diesen Prozess einzumischen. Aber wenn ich gar nicht mitfahre, sondern einfach nur zum selben Zeitpunkt auch nach Hooge fahre? Da spricht doch eigentlich nichts dagegen! Jedenfalls haben Simon und Peter keine ausschließenden Bedenken geäußert. Jörg hatte vorher schon Interesse an einer "Auch-Fahrt" bekundet, und so bilden wir beide einfach eine zweite Gruppe, die am selben Tag zufällig auch nach Hooge fährt.Während wir im Bulli vorbei an Spinkebüll und den anderen einschlägigen Metropolen Nordfrieslands nach Schlüttsiel schiggern, rätselt Jörg darüber, ob er wirklich alles dabei hat. Meine Devise ist immer: ich habe bestimmt nicht alles dabei, aber genug, um damit über die Runden zu kommen! Beim Durchgehen meiner Ausrüstung in Gedanken kommt in mir das Gefühl hoch, dass ich meinen Camping-Stuhl nicht eingepackt habe. Ich kann mich immer recht gut daran erinnern, welche Gegenstände ich beim Packvorgang in den Händen gehabt habe - der Heli-Stuhl war nicht dabei. Das ist schade, aber kein Beinbruch!
In Hafen von Schlüttsiel steht Angela schon bereit. Sie ist solo angereist, denn sie kommt nicht aus Kiel sondern aus dem tiefen Süden unseres nordischen Landes. Auf der anderen Seite des Hafens macht sich ebenfalls eine Gruppe Paddler fertig - es ist eine Tour, die Antje F. für den Hamburger LKV anbietet. Wenig später treffen auch die restlichen Kieler ein - so dass unser Vereinskontingent mit sieben Personen vollständig ist. Nur Bernhard und Bianca (die den meisten eher unter ihrem Pseudonym Isabelle bekannt ist) haben abgesagt: Bernhard musste sich kurzfristig einem heftigen Anfall von "Rücken" beugen, und Isabelle muss ihn jetzt pflegen!
Beim Umpacken unserer Ausrüstung vom Auto in die Boote fällt mir ziemlich bald mein Camping-Stuhl in die Hände. Welch Glückes Geschick! Dann kann ich doch gemütlich auf dem Deich in meinem Stuhl sitzen und den Sonnenuntergang genießen! Merkwürdig nur, dass ich mich nicht erinnern konnte, ihn eingepackt zu haben. Das klärt sich wenig später. Denn was mir nicht in die Hände kommt, ist meine Iso-Matte! Und jetzt dämmert es mir: ich hatte beim Einpacken den Stuhl für meine Matte gehalten, weil sie eine ähnliche Form und Größe haben! Wenn ich wählen könnte, würde ich lieber meinen Stuhl vergessen haben als meine Iso-Matte - aber hier kann ich nicht wählen! Das ist schade, aber auch kein Beinbruch, von dem ich mir die Tour vermiesen lasse!Jörg und ich sind zwar als erste auf dem Wasser, aber wir wollen nicht vor den anderen losfahren. Da bei denen aber noch ein gründliches Briefing fällig ist, schließlich sind einige das erste Mal in diesem Revier, dümpeln wir eine ziemliche Weile im Hafenbecken herum. Den ersten Kilometer fahren wir noch eher hinter als vor der anderen Gruppe, aber die Verhältnisse sind unerwartet harmlos und niemand macht auch nur den Anschein, als wenn es ihm nicht geheuer ist. Irgendwann verfallen wir einfach in unser gewohntes Tempo. Wenn wir hier schon nichts beitragen können, wollen wir wenigstens nicht trödeln und damit auf Hooge möglichst komfortabel aussteigen.Wie so oft erliegen wir auch diesmal unser laxen Navigation. Wir sind mit dem Revier so vertraut, dass wir nicht die Sorgfalt an den Tag legen, die für eine fehlerfreie Navigation notwendig wäre. Spätestens an der Tonne SA21/Ho13 müssten wir uns nämlich nach Süden den Tonnen Ho4 und Ho2 zuwenden. Dort wenden wir uns auch tatsächlich etwas nach Süden den beiden nächsten sichtbaren Tonnen zu - aber das sind SA22a und SA19a! Auf der Seekarte sieht das wie ein derber Fehler aus, aber Tonnen gegen die Sonne zu erkennen, ist nicht leicht, und wenn man zwei erwartet und zwei sieht - und die auch noch leicht südlicher als der bisherige Kurs liegen - ist man nur zu gerne bereit, die Erwartung leichtgläubig auf des Gesehene zu projizieren. Erst kurz vor der Tonne SA19a merke ich, dass wir viel zu weit nördlich und damit immer noch in der Süderaue sind. Wir hätten ab Tonne SA21/Ho13 einfach auf unseren Kompass sehen und direkt nach Süden steuern sollen - dann hätten wir auch irgendwann die beiden roten Tonnen des Hooge-Fahrwassers entdeckt! So schrammen wir knapp über das Flach zwischen der Süderaue und dem Hoogefahrwasser. Zu unserem Glück steht aber noch etwa ein halber Meter Wasser darüber. Und zum Glück sind wir mittlerweile so weit vor unseren Kameraden, dass sie uns nicht mehr sehen können. Dadurch ist zum einen sichergestellt, dass sie weiterhin glauben können, wir seien die weltbesten Navigatoren - und zum anderen besteht nicht die Gefahr, dass sie, statt selbst zu navigieren, einfach den beiden weltbesten Navigatoren nachfahren. Dann hätten sie nämlich definitiv das Problem, dass eben kein Wasser mehr über dem Flach steht!Das Aussteigen an der Hooger Mole ist wie immer kein Vergnügen! Ich habe Angst, dass die hässlichen Austern sich einfach durch die Neoprenschuhe in meine Füße schneiden und damit der Unternehmung ein jähes Ende bereiten. Aber wir meistern die Aufgabe ohne Blutverlust.Auf der Zeltwiese steht nur eine einzige Stoffhütte. Die Hamburger Gruppe ist also vermutlich nach Hilligenlei auf Langeness gefahren. Uns soll es recht sein. Die Bewohner der anderen Stoffhütte erkenne ich bald als Anke und Rainer E. aus Hamburg. Anke als Urgestein der Seekajak-Szene treffe ich seit vielen Jahren immer mal wieder - mal hier undmal da. Nachdem der Rest unserer Vereinsmitglieder eingetroffen und alle Zelte aufgebaut sind, wird emsig gekocht und gespeist. Das Wetter ist ziemlich gut, aber der konstante Wind lässt keine ausgelassene Gemütlichkeit aufkommen. So fällt die Anbetung des - zugegebenermaßen eher suboptimalen - Sonnenunterganges entsprechend kurz aus. Ich versuche, meine fehlende Iso-Matte durch irgendwelche Kleidungsstücke zu ersetzen, die ich mir unterlege...
Der Samstag beginnt mit halbherzigen Überlegungen, was man den paddeltechnisch bewerkstelligen könnte. Peter konnte gestern seine Führungsrolle beim Anlanden und Transportieren der Boote von der Mole zur Zeltwiese nicht ablegen und hat kräftig mitgeschleppt. Dass er eigentlich latent immer Problem mit "Rücken" hat, hat er zwar nicht vergessen - aber ignoriert! Das rächt sich heute morgen in Form heftiger Schmerzen, die seinen Gang wie den eines alten Mannes aussehen lassen. Paddeln fällt für ihn heute aus. Aber das muss ja nix für die anderen heißen. Die Windvorhersage ist aber eher garstig, so dass alle Optionen eine beinharte Komponente beinhalten würden - und auf der Hallig ist es ja auch sehr schön! So wird einhellig beschlossen, das Eiland genauer unter die Lupe zu nehmen und einen ausgiebigen Spaziergang darauf zu unternehmen. Abends wollen wir dann in den Friesenpesel gehen, um etwas zu essen. Damit unser Unterkommen dort sichergestellt ist, wollen wir uns kurz vorher telefonisch anmelden. Elke weist ihr Telefon an, beim Friesenpesel anzurufen. Wir hatten schon vorher darüber geredet, dass sich das Angebot dort über die Jahre immer weiter zum Dürftigeren hin entwickelt hat. Nun scheint die Situation aber endgültig prekär geworden zu sein: Sie hätten leider kein Personal und eine Bewirtung von neun Mäulern wäre schwierig. Aber wenn wir uns vorab auf einige wenige Gerichte verständigen könnten, könne sie wohl was vorbereiten. Lamm-Filet steht nicht zur Auswahl, nicht einmal Lamm-Frikadelle, zu dem das Filet schon vor einigen Jahre mutiert ist. Aber Jägerschnitzel mit Pilzen - und für Vegetarier Bauerfrühstück ohne Speck! Frische Luft und Betätigung darin machen hungrig - da schrumpfen die kulinarischen Ansprüche gerne mal auf ein Minimum. Wir ordern fünf Jägerschnitzel und vier mal Bauerfrühstück.Unser Spaziergang bringt es an den Tag: Hooge ist verdammt groß! Immerhin schaffen wir genau die Hälfte einer Komplettumrundung! Auf der Hanswarft ist eine Pause mit Stärkung fällig. Hier kann man die legendäre Friesentorte ordern - eine komplexe Aufschichtung aus Mürbeteig, Blätterteig, Sahne und Pflaumenmus, an der man beim Versuch, den Verzehr einigermaßen ästhetisch zu bewerkstelligen, nur scheitern kann! Ich nehme lieber Apfelkuchen... . In den Gesprächen, bekümmert uns die Situation des Friesenpesels weiterhin. Wenn Lammfilet und nicht mal mehr Lamm-Frikadelle auf der Speisekarte stehen, kann das nichts Gutes bedeuten! Stattdessen haben sie jetzt Jägerschnitzel - das gab's früher nicht! Da ist wohl bald die letzte Luft raus! Wie schade das für Hooge wäre, wenn so ein ehemaliger Magnet seine Anziehungskraft komplett verlieren würde! Nach unserer Rückkehr auf die Zeltwiese sind wir vornehmlich damit beschäftigt, uns für den Besuch im Friesenpesel vorzubereiten. Dazu gehört Badengehen im durch die Springflut prall gefüllten Hafen (man kann dabei mit den Füßen im Schlick rühren!), auf der Wiese sitzen und die frisch gebadeten Füße auf den mitgebrachten Tisch legen, oder einfach dösen. Wir können noch einem Katamaran-Segler dabei zusehen, wie er in atemberaubendem Tempo die Hallig umrundet und mit vollem Karacho durch das schmale Fluttor in den Hafen brettert! Mitten im Hafenbecken springt sein mitgesegelter Sohn in voller Fahrt vom Boot! Das gefällt offensichtlich seiner Schwester so gut, dass der Katamaran mit ihr noch mal rausmuss, damit sie die Nummer mit dem Rausspringen bei voller Fahrt auch noch mal vorführen kann! Gegen Abend kommt noch die Hamburger Truppe an, die von Hilligenlei übergesetzt und ebenfalls Hooge umrundet hat.
Beim Friesenpesel nehmen wir gleich auf der Terasse Platz. Hier ist Windschutz und es ist lau genug. Prompt kommt die Bedienung an unseren Tisch und will uns Speisekarten überreichen. Wir geben uns zu erkennen, dass wir die Truppe sind, die sich angemeldet und das Essen abgestimmt hat, weil sie doch gerade kein Personal haben. "So, so. Na, wir sind ja jetzt da, da können sie ja schon mal wählen.". "Wir brauchen nicht zu wählen, weil wir ja schon mit Ihnen abgestimmt haben, dass wir fünf mal Jägerschnitzel mit Pilzen nehmen und viermal Bauernfrühstück - ohne Speck!" "Jagerschnitzel? Ich werde mal in der Küche fragen, was möglich ist."
Der Friesenpesel in Silberstedt! |
Nachdem die Situation gründlich geklärt ist, übernehmen wir die Speisekarten, studieren sie gründlich und finden alles, was das Herz begehrt. Auch das Lammfilet ist zurück auf der Liste - nur Jägerschnitzel sucht man vergeblich!
In der zweiten Nacht vermisse ich meine Iso-Matte praktisch gar nicht mehr. Ich habe mir nun zusätzlich meine mittlerweile durchgetrocknete kurze Neohose auch noch untergelegt. Unterm Strich muss ich aber zugeben, dass so eine Matte doch einen Mehrwert beisteuert und ich sie auf meine nächste Tour wieder mitnehmen werde!Das Hochwasser am Sonntag ist erst am Nachmittag und wir können eigentlich nicht vor zwölf Uhr losfahren. Das beschert uns noch mal einen gemütlichen Vormittag, der uns aber durch einen nicht vereinbarten Nieselregen leider etwas vermieselt wird. Ich gehe zum Frühstück ins Seglerheim, wo sich auch die Hamburger Gruppe eingefunden hat. Sie diskutieren noch, ob sie bei dem herrschenden Wind überhaupt auf eigenem Kiel zurückfahren oder doch lieber die Fähre nehmen wollen. Da ist von Windstärken die Rede, die mich etwas fragend zurücklassen. Möglicherweise liegt das daran, dass der Windmesser hier die Geschwindigkeit in Knoten anzeigt. Die Werte sind dann etwa doppelt so hoch, wie die entsprechenden Werte in Meter pro Sekunde. Antje ruft mich irgendwann zur Seite, um mich nach meiner Meinung zu fragen. Ich bestätige ihre Einschätzung, dass es maximal vier Windstärken sind, was der Truppe keine wesentlichen Probleme bereiten sollte. Die Herausforderung besteht lediglich in der Tatsache, dass man zwanzig Kilometer gegen den Wind fahren muss.
Antjes Ansage an die Truppe ist super professionell: Sie schildert ihre Einschätzung ohne Beschönigung, macht aber deutlich, dass sie die Bedingungen für die Gruppe für machbar hält. Sie stellt auch drucklos die Alternativen zur Auswahl. Dass es kein Problem für sie sei, wenn alle die Fähre wählen würden, und ebensowenig, wenn nur einige sich dafür entscheiden. Jeder erhält Zeit und Gelegenheit, in sich zu horchen und frei zu äußern, wie sich das für ihn anfühlt und wofür er sich entscheidet. Am Ende wählt nur eine Person die Fähre, die aber bereits vorher körperliche Beschwerden geäußert hatte. Ich habe mir das erst still angehört und nach der Entscheidung aller noch mal angemerkt, dass ich die Aktion nicht nur für machbar halte, sondern dass ich überzeugt bin, dass alle auch Spaß daran haben und eine Menge lernen werden.
Die Hamburger rollern auf die Ostseite des Hafentores, wo der Weg zum Wasser kürzer und risikolos ist, unsere Truppe trägt die Boote auf der Westseite dem Wasser entgegen - und Jörg und ich wählen die Mole als Einsatzstelle. Wir beide sind zwar als erstes auf dem Wasser, aber die anderen kommen nicht wesentlich später los. Statt dem Hooge-Fahrwasser zu folgen, wollen Jörg und ich direkt und gleich in die Süderaue fahren, weil dort der meiste Strom geht - und man beim Navigieren nicht so aufpassen muss! Die Fahrt ist unspektakulär, denn der Wind erreicht nur mit einiger Mühe vier Beaufort - und aus Osten kommend, kann er auch nicht viel ausrichten und gemeine Wellen zusammenschieben. Zum Abschluss gehen wir noch auf einen Milchkaffee (Jörg) und einen Tee (ich) in das Sielrestaurant. Der Tee ist wirklich ausgesprochen lecker - aber wir müssen das Lokal bald verlassen, weil es einfach unerträglich warm darin ist.