Sonntag, 20. Februar 2011

Biike-Brennen-Ersatztour

"Lass uns doch mal eine Wintertour machen!" Schon vor Monaten hatten wir uns auf den Plan verständigt, zum Termin des Biike-Brennens eine Nordseetour zu machen, um dieses traditionelle Ereignis einmal aus nächster Nähe zu erleben. Für den Montag, an dem die Reisighaufen abgefackelt werden sollten, und den darauf folgenden Dienstag haben Trenk, Jörg und ich Urlaub eingereicht, damit wir auch alles im Vorfeld planiert haben, wenn es denn soweit ist. Natürlich ist eine Tourtermin für Mitte Februar mit einem hohen Risiko verbunden, dass die Unternehmung auf Grund des Wetters nicht Wirklichkeit werden kann. Aber es gibt auch schöne, milde Tage im Februar und wenn wir dem Glück keine Chance geben, klopft es nie an unsere Tür.

Leider war das mit dem Wetter letztlich doch nicht das entscheidende Kriterium. Eine Woche vor dem Termin stellte sich bei Jörg heraus, dass er an den anvisierten Tagen beruflich unabkömmlich sein würde. Aber wenn wir uns schon so lange zu einer Tour verabredet hatten, wollten wir versuchen zu retten, was noch zu retten ist. Am Wochenende davor hätten alle Beteiligten ebenfalls Zeit. Ein Blick auf die Wettervorhersage am Sonntag vorher ließ keine warmen Wogen der Vorfreude aufkommen: Freitag Wind fünf bis sechs aus Ost bis Nordost, Samstag nicht viel weniger bei Temperaturen deutlich unter dem Gefrierpunkt. Da schaudert's einem eher, als dass es reizt, sich bei minus sieben Grad im Zelt auf einer Hallig ungeschützt dem beißenden Wind auszusetzen. Nicht mit uns - soviel war klar! Aber Sonntag! Kalt zwar, aber mit Chance auf Sonne und absolute Windstille! Da sollte wenigstens eine Tagestour unter angenehmen Bedingungen drin sein.

Überraschende Schneewehen bei der Anreise.
Um die Anreise für alle Beteiligten einigermaßen ausgewogen zu gestalten, einigen wir uns auf die Flensburger Förde als Revier. Bei der Feinabstimmung am Samstag vorher verlegen wir den Startpunkt doch lieber von Falshöft nach Habernis. Die nun genauere Vorhersage offeriert uns die Aussicht auf einen Dreier-Wind aus Ost. Bei einem Start in Falshöft hätten wir bei der Rücktour auf jeden Fall Gegenwind. Habernis bietet wenigstens theoretisch die Aussicht auf Rückenwind für den zweiten Teil der Tour.

Bei der Hinfahrt überraschen uns die zahlreichen nicht zu vernachlässigenden Schneewehen auf den Bundesstraßen in Schwansen und Angeln. Weder haben wir mit soviel Schnee gerechnet noch mit soviel Wind - das ist mehr als drei. Aber er soll ja auch nachlassen. Am Einsetzpunkt bei Habernis laufen einige Spaziergänger grimmig vermummt am Strand entlang. Eine kurze Prüfung bestätigt: die Vermummung ist nicht übertrieben - es weht ein beißender Wind aus östlicher Richtung, und auf dem Wasser sind durchaus weiße Wellen zu sehen.

Wir wollen direkt bis Sonderburg durchfahren, das sind gute zehn Kilometer wie wir mit dem dicken Daumen abschätzen. Wir haben seit einer guten Woche durchgängig Ostwind und die Förde bietet in diese Richtung einen ordentlichen Fetch, so dass wir trotz des unserer Meinung nach recht geringen Windes mit erklecklichen Wellen rechnen. Angesichts der Umstände haben wir angezogen, was unsere Ausrüstung hergab. Kaum auf dem Wasser macht sich die erste Konsequenz bemerkbar: Jörg brummelt etwas und Trenk ruft zurück: "Ich hör' nix!". Verständigung ist ziemlich schwierig mit dicken Mützen über den Ohren und pfeifendem Wind um die Nase.

Der Wind kommt zwar genau von querab, aber dadurch, dass wir deutlich vorhalten müssen, ist es natürlich eigentlich Gegenwind. Nicht übermäßig - aber deutlich und unausgesetzt, pausenlos, ständig und immer. Und irgendwie doch mehr als drei. Das zehrt auf die Dauer. Aber der Wind soll ja nachlassen. Wir wollen uns nicht verausgaben, denn schließlich müssen wir ja auch noch wieder zurück. Dadurch, dass wir nicht auf Höchsttouren laufen und der eiskalte Wind seinen Tribut fordert, sind meine Füße immer knapp an der Grenze zum kaltwerden. Ich mache von Zeit zu Zeit bewusste Beinarbeit, um sie nicht zu sehr abdriften zu lassen. Auf halber Strecke überlege ich mir, dass ich ja auch mal ein Foto von unterwegs benötige und fummele meine Kamera heraus. Zum Fotografieren muss ich das Paddel aus der Hand legen. Die Wellen sind nicht unbedingt so, dass man sich keine Gedanken machen müsste, und eine Kenterung ist das letzte, was wir hier gebrauchen könnten. Immerhin mache ich ein paar Fotos - danach sind meine Füße warm!

Die geschätzten zehn Kilometer bis Sonderburg sind dann doch über zwölf und eine Pause hochwillkommen - wenn nicht unausweichlich. Aber die Suche nach einem windgeschützten Plätzchen gestaltet sich schwierig. Letztlich laufen wir am Strand vor dem Schloss auf. Durch den Ostwind herrscht eine recht starke Strömung parallel zum Strand, und man muss beim Aussteigen ziemlich aufpassen, dass es einem das Schiff nicht verdreht. So dick eingepummelt, wie wir sind, sind wir auch keine Wunder an Beweglich- und Geschmeidigkeit. Da überrascht es nicht, dass Jörg bei dieser Prozedur plötzlich neben seinem Boot schwimmt und im zwei Grad kalten Wasser plantscht.

Wir verbringen unsere Pause auf dem Sockel des abmontierten Badesteges. Gegen den Wind wehren wir uns mit zwei Ponchos - nicht wirklich erfolgreich. Jörg und Trenk versuchen ihre eiskalten Finger wiederzubeleben, indem sie sie in heißem Tee baden. Die Gemütlichkeit kann sich ob der äußeren Umstände nicht voll entfalten und so schrauben wir uns schon recht bald wieder ungelenk in die Boote. Die Paddelschäfte sind eiskalt, dass die eh schon steifen Hände beinahe daran festfrieren. Leider sind nach dem Ablegen auch Trenks und mein Skeg in ihren Gehäusen festgefroren, so dass wir sie uns gegenseitig gängig machen müssen. Das Rumfummeln im eiskalten Wasser gibt meinen Händen den Rest - sie sind dermaßen kalt, dass ich außer stechenden Schmerzen nichts mehr fühle und es eine halbe Stunde dauert, bis sie wieder aufgetaut sind.

Gestern hatten wir im Warmen sitzend noch schwadroniert, zum Leuchtturm Kalkgrund zu fahren. Heute bewegt uns eher die Frage, wie wir mit möglichst wenig Aufwand wieder zurück kommen. Der direkte Weg ist natürlich nicht immer der "kürzeste" und unser Plan ist, erstmal direkt nach Osten zur Spitze der Halbinsel Kegnaes zu fahren, um etwas "Höhe zu machen" und dadurch wenigstens leicht schiebenden Wind für die Überfahrt zu gewinnen.

"Direkt nach Osten" ist eine Verniedlichung von "direkt gegen den Wind" und irgendwie ist aus dem Nachlassen des Windes bisher nichts geworden. Zentimeter für Zentimeter erarbeiten wir uns mühsam den Weg nach Kegnaes . Nur der Glaube "Dadurch gewinnen wir Höhe!" lässt uns die schier unendlichen sechs Kilometer überleben. An der Westspitze der Halbinsel angekommen bin ich so porös, dass ich mir Gedanken mache, ob ich für die gut doppelt so lange Überfahrt überhaupt noch genug Kraft habe. Jörgs Befindlichkeit ähnelt meiner, während Trenk vor Kraft und Fitness strotzt. Er schafft es im Gegensatz zu uns, einmal die Woche aufs Wasser zu kommen. So ein konsequentes Training macht sich bezahlt.

Die Pause ist kurz, aber sie tut ihre Schuldigkeit in bezug auf die Wiederherstellung unserer Leistungs- und Leidensfähigkeit. Mit frischem Mut geht es Richtung Süden bis zur östlichen Gefahrentonne des Kegnaes-Flachs. Danach halten wir etwa 200 Grad. Unser Zielplatz ist nicht zu erkennen, aber unsere "Daumennavigation" funktioniert perfekt: Trotz des starken Versatzes durch den Wind müssen wir unseren Kurs erst ganz kurz vorm Ziel leicht anpassen. Auch die Rechnung mit dem "Höhe gewinnen" ging auf. Man kann zwar nicht von reinem Rückenwind reden, aber Gegenwind haben wir nicht mehr. Etwas anderes hätte ich auch nicht überlebt. Jörg vermutlich auch nicht. Während Jungspund Trenk frohgemut vorweg paddelt, als sei alles nicht der Rede wert, kriechen wir zwei Senioren müde hinterher. Aber auch wir kommen lebend und in einem Stück am Zielort an!


Das Ausziehen gestaltet sich noch einmal schwierig: Der Reißverschluss meiner Schwimmweste ist total vereist, so dass ich ihn nicht öffnen kann und auch Jörg benötigt Hilfe beim Verlassen seines zugefrorenen Trockenanzugs. Wir sind noch etwas kalt und ziemlich groggy - aber vor allem auch stolz, dass wir die Tour überhaupt geschafft haben - so vollkommen außerhalb der Saison auf dem Tiefststand unserer Fitness!

Mehr Fotos hier.

Samstag, 12. Februar 2011

Die neue Saison wirft ihre Schatten voraus...

In der letzten Zeit gab es viele Gründe, die mich gehindert haben, aufs Wasser zu kommen. Aber es stehen auch Unternehmungen in der Zukunft an, die es erfordern, dass ich schleunigst damit anfange, den sich bildenden Rost aus dem Gebälk zu bürsten.

Eigentlich wollte ich am Sonntag aufs Wasser gehen, aber ich habe mich vom Wetterbericht umstimmen lassen. Das war eine gute Maßnahme, denn der Himmel ist strahlend blau, die Sonne scheint und die Luft ist knackig klar. Allerdings ist es deutlich unter null Grad und es geht ein frischer Wind. Nach Vorhersage hätte der aus Südost kommen sollen, so dass ich wenigstens für die Hintour Rückenwind hätte haben sollen. Aber er stellt sich hier als reiner Ostwind dar. Theoretisch also genau von querab, was aber faktisch Gegenwind bedeutet - und zwar auf Hin- und Rücktour!
Nun gut, ich will ja irgendwie auch gefordert werden, denn in einer guten Woche soll es auf die Nordsee gehen - wenn uns denn  das Wetter und die anderen Imponderabilien günstig gewogen sind. Bei meiner Abfahrt ist der feste Mittelteil des Steges satt unter Wasser. Der hohe Wasserstand wundert mich etwas, denn er ist auf keinen Fall im Gleichgewicht mit den Wetterbedingungen. Der eiskalte Wind ist trotz Fleecemütze unangenehm am Kopf. Hier wäre eine Kapuze Gold wert, aber an meinem Trockenanzug ist nun mal keine dran. Ich ziehe mir die Mütze weit über die Ohren und überlege, wie ich meinen Kopf bei einer längeren Tour besser schützen könnte.

Als ich nach einer dreiviertel Stunde Möltenort passieren, bin ich richtig schön eingepaddelt. Trotz nicht gerade günstiger Bedingungen fällt das Paddel wie von alleine abwechselnd auf beiden Seiten des Bootes ins Wasser und ich komme zügig voran.

Bei meiner Freundin, der Glockentonne, mache ich kehrt. Der Himmel ist ist immer noch strahlend blau, aber die Zirren bestätigen schon, dass meine Entscheidung heute zu fahren, richtig war. Ich bin mit meiner Kondition bis hierher ganz zufrieden, unerwartete acht Stundenkilometer habe ich hingelegt. Die Bewährungsprobe, wie nachhaltig ich dieses Tempo fahren kann,  wird aber der zweite Teil der Tour erbringen. Da die Rücktour gefühlt deutlich länger dauern wird, als die Hintour, verlege ich meine Pause wieder an den Strand von Möltenort. Obwohl die Sonne ziemlich kräftig scheint, wird mir recht schnell recht kalt, als ich am Strand sitzend meine Stullen verdrücke und den heißen Apfelsaft trinke. Als ich mich nach kurzer Zeit wieder ins Boot fädele, habe ich eiskalte Hände und es dauert eine ganze Weile, bis das Leben wieder in die letzte Fingerspitze zurückgekehrt ist.

Es ist zwar ausgesprochen still auf der Förde, aber immerhin sind schon die ersten Segler wieder unterwegs. Ein unerschrockener Windsurfer ist auf dem Wasser und die Wirtschaftskrise ist sichtbar überstanden. Es herrscht wieder Betrieb wie vor den deutlichen Einbruch und die Schiffe ragen nicht mehr so hoch aus dem Wasser. Irgendwann begegnet mir ein seltsames Gefährt - so etwas wie ein "Schiff ohne Unterleib". Es sieht aus wie ein ganz normaler  Frachter, hat aber keine Brücke. So als hätte das Geld am Ende nicht gereicht und man sich gegen dieses überflüssige Zubehör entschieden hat. Stattdessen müht sich am Heck ein Schlepper, dem unvollständigen Etwas einen Sinn zu geben.

Als ich am Steg anlege, ist der Wasserstand um einen guten halben Meter gefallen. Die Förde sucht immer noch ihr Gleichgewicht. Ich hatte es unterwegs schon deutlich gespürt und auch meine Reisezeit lässt keinen Zweifel aufkommen: Zwar geht ein Teil auf meine noch längst nicht optimale Verfassung zurück, aber ein Teil eben auch auf den deutlich spürbaren Gegenstrom. Aber Strom und Wind seien wie sie wollen, wenn ich in einer Woche auf die Nordsee will, muss das Wetter schon deutlich gnädig sein!