Sonntag, 1. Juni 2025

Himmelfahrt in der Südsee

Eigentlich... 

Ja eigentlich. Wenn man mal überlegt, wieviel im Leben "eigentlich" ganz anders hätte laufen sollen, könnte man meinen, dass man gar keine wirkliche Kontrolle über den Lauf seines eigenes Lebens hat. Stattdessen passiert immer irgend etwas "eigentlich" gar nicht gewolltes, was sich dann aber in der Summe "mein Leben" nennt.

Eigentlich hätte ich also Pfingsten mit Elke zusammen eine ausgeschriebene Tour durch die Dänische Südsee führen sollen. Aber da gab es zu wenig Meldungen, so dass sie abgesagt werden musste. Aber sowohl für Elke als auch für mich stand fest, dass wir ein fürs Paddeln freigeräumtes Wochenende nicht so leicht aus der Hand geben würden. Elke fragte kurzerhand bei sich im Verein nach Interessenten für eine Begleitung, und ich hab Jörg gefragt. Der war auch gleich begeistert, musste dann aber wegen eines Trauerfalls in der Familie doch zurückziehen.

Die Bremer reisen bereits am Mittwoch vor Himmelfahrt an und übernachten auf dem Zeltplatz Naldmose - ich komme Donnerstag Morgen, wähle den Segelhafen von Fynshav als Startort und parke mein Auto dort. Ich versuchen noch, jemanden zu finden, dem ich irgendeine Parkgebühr aufdrücken kann - aber da ist niemand. 

Elke kontaktiere ich per Funkgerät und erfahre, dass sie und ihre Gruppe etwa zur gleichen Zeit wie ich auf dem Wasser sein werden. Weil mir beim Packen im windstillen Hafen so bärig warm geworden ist, starte ich zuerst ohne Paddeljacke, lege sie aber noch bevor ich den Fährhafen passiere an. 

Direkt danach sehe ich die Gruppe, es sind sieben Paddler. Elke und Frauke kenne ich bereits, und ich freue mich, sie wiederzusehen. Der Plan ist, bis zum Ostende von Avernakö zu fahren und vorher kurz auf Lyö Pause zu machen. Der Wind weht eher lustlos aus westlicher Richtung - mit so zwei bis drei Beaufort. Wie so häufig leider deutlich weniger als anfangs versprochen.

Während unserer Pause auf Lyö zeigt sich ein wunderschöner Halo, der die Sonne zu 360 Grad umschließt. Einen so vollständigen Halo mit einem so großen Radius habe ich tatsächlich noch nie gesehen. 

Beim Vorbeifahren an Avernakö muss ich feststellen, dass die Küstenlinie eine enorme Anziehungskraft auf Paddler ausübt - während ich eher geneigt bin, in gerader Linie auf das Ziel zu fahren, schmiegen sich die anderen recht dicht ans Ufer. Früher habe ich das auch getan, aber mittlerweile hat das Ufer seine Anziehungskraft auf mich verloren. Ich habe ein Segel dabei und bringe es hier zum Einsatz. Im Wesentlichen, um immer mal wieder den Umgang damit zu üben. Der Wind ist nicht wirklich so, dass man ohne Paddelunterstützung auskäme, aber so besteht auch keine Gefahr, dass mich das Segel den anderen davonzieht.

Unser erster Übernachtungsplatz ist der primitive Zeltplatz am Ostende von  Avernakö. Ich denke kurz nach, wann ich hier das erste Mal übernachtet habe - und muss feststellen, dass das genau 30 Jahre her ist. Da waren einige Teilnehmer dieser Tour knapp geboren! Am Himmel schieben sich bizarre Wolkenfetzen zusammen, was für baldigen Niederschlag spricht. Der ereilt uns auch tatsächlich, als wir unser Abendessen bereiten und einnehmen wollen. Aber er ist nicht so massiv, dass er uns von unserem Vorhaben abbringt. Außer uns bevölkern nur noch zwei junge Dänen in einem skurrilen Spitzzelt den Platz. Aber die genügen sich selbst und sind nicht besonders an Kontaktaufnahme interessiert. 

Vor der ehemals legendären Toilette sind die Büsche in den vergangenen 30 Jahren leider so hoch gewachsen, dass man bei Verrichtung seines Geschäftes leider keinen Meerblick mehr genießen kann. Trotzdem ist es eine Wohltat, so ein Örtchen zur Verfügung zu haben. Man könnte vielleicht noch eine zweite Tisch-Bank-Kombi aufstellen, denn der Platz ist groß genug und wird häufig auch von größeren Gruppen genutzt.

Das Wetter am nächsten Tag ist trocken, leidlich warm und bietet etwas Wind - aus westlicher Richtung. Auch wenn es paradox klingt, aber er kommt uns quasi entgegen, denn wir wollen nach Osten - nach Skarö. Das ist nur ein knappes Dutzend Kilometer entfernt und mit der Unterstützung des Windes sind die schnell zurückgelegt. Manchesmal kommt mancher sogar ins Surfen!

Leider müssen wir im den langen Sandhaken von Skarö herum und dann praktisch gegen den Wind in den Hafen einlaufen. Hier sieht man doch, dass Gegenwindpaddeln bei den meisten nicht zur Lieblingsdisziplin gehört und man froh ist, dass es nur eine recht kurze Strecke ist. Während wir uns auf den Strand östlich des Fähranlegers zuarbeiten, kreuzt ein Schweinswal unseren Weg.

Die beiden Trolley, die der Camping-Platz von Skarö zur Verfügung stellt, leisten uns wertvolle Dienste. Es sind immerhin gute zweihundert Meter vom Strand bis zur Zeltwiese, und mit den Gefährten kann man die vollbeladenen Boote im Handumdrehen dorthin rollern. Ich bin immer wieder angetan davon, wie gut in Schuss und in Stand alles auf dem Campingplatz ist. Der Rasen ist gemäht, der alte Toilettenwagen durch zwei moderne Container ersetzt und der umgebaute Schweinestall - ein Traum! Kühlschrank, Kamin, Herd, jede Menge Bänke und Tische und eine prima Rundumsicht nach draußen. Und alles picobello sauber! Hier kann man notfalls den Weltuntergang abwettern! Lediglich der Preis ist gestiegen und beträgt nun 150 Kronen pro Nase und Nacht. Aber das ist m.E. durchaus angemessen, früher war er eher zu billig!

Weil ein knappes Dutzend Kilometer kein Programm für den ganzen Tag bieten, müssen wir noch etwas unternehmen. Als erstes ist ein Gang zum Cafe fällig, wo es das weltberühmte Skaröer Eis gibt. Das ist wirklich oberlecker - auch wenn sie leider die Sorte Malagga nicht führen! Danach müssen wir die Kirche besuchen, dann zum Südstrand und schließlich den Westteil der Insel umrunden. Das ist nicht ganz einfach, und man muss etwas über glibschige Steine klettern, so dass einige den Expeditionsteil der Tour über eine Wiese umgehen. Beide Gruppen treffen sich dann am Badestrand am Westkapp der Insel. 

Hier ist ein Erfrischungsbad fällig. Ich kann leider nicht mit ins Wasser, weil ich den Vorgang von Land aus fotographieren muss. Man kann halt nicht alles haben im Leben! Zurück im Schweinestall kochen wir komfortabel auf dem Herd mit dem zur Verfügung stehenden Kochgeschirr. Für die Getränke gibt es heißes Wasser aus einem Wasserkocher - was für ein Luxus! Ich werfe meine zwölf mitgebrachten Eierpfannkuchen auf dem Markt - und da sich einige etwas zurückhalten, ist für jeden auch genug da. Zum Abwaschen gibt es heißes Wasser aus dem Boiler - was für ein Luxus! Das einzige Manko hier: im Gras auf der Zeltwiese wohnen Zecken🙁!

Am heutigen Samstag wollen wir bis zum Segelhafen am Westende von Avernakö fahren, um am Sonntag dann von dort aus zurück nach Fynshav zu paddeln. Zum Glück herrscht heute praktisch Flaute, so dass wir das mit der Gegenwindfestigkeit nicht weiter prüfen müssen.

Die kleine Sandinsel Fläskholm passieren wir nördlich. Im flachen Wasser davor sehe ich in der Ferne das Wasser weiß spritzen. Erst denke ich, dass da ein wirklich großer Fisch in zu flaches Wasser gekommen ist und nun zurückrudert. Aber dann taucht ein Seehund auf, der keck zu uns rüberschaut, nur um gleich wieder unterzutauchen und weiter das Wasser umzupflügen. Vermutlich scheucht der damit Krebse und Fische auf - oder er ist einfach ausgeflippt, und es macht ihm Spaß.

Am traumhaften Sandstrand am Nordostende von Avernakö ist eine Pause und wieder ein Erfrischungsbad fällig. Ich muss leider wieder fotographieren... Vom Schweinswal, der hier seine Runden dreht, habe ich aber leider kein Bild gemacht.

Im Hafen von Avernakö ist dann die nächste Pause mit Kaffee und Kuchen fällig. Pause, weil wir uns mittlerweile überlegt haben, dass es klüger ist, heute doch noch ein Stückchen weiter zu fahren. Der Wind soll morgen relativ früh recht ungünstig für eine Querung des Kleinen Beltes werden. Die Bedingungen heute sind aber super günstig, um noch weiter bis Lyö zu fahren.

Die Wettervorhersage für Sonntag sagt erst mäßige Winde aus südwestlicher Richtung voraus, die dann etwa um 11 Uhr deutlich auffrischen und auf West drehen sollen. Das kommt uns diesmal entgegen im Sinne von "von vorne"!. Wir könnten hier die Gegenwindfestigkeit ausbauen - oder sehr früh starten. Wir optieren für sehr früh starten. Dafür sind wir bereits vor sieben Uhr (in Worten: 7 Uhr!) aufgestanden und wild entschlossen, um neun Uhr fertig in den Booten auf dem Wasser zu schwimmen. Wir schaffen sogar Viertel vor Neun! Wenn es nicht die massiven Steine am Strand, das doch etwas bewegte Wasser und einen damit verbundenen etwas komplexeren Startvorgang gegeben hätte, hätten wir sogar halb neun geschafft!

Draußen auf dem Belt geht tatsächlich etwas Seegang. Es ist nichts schlimmes, aber die Gruppe ist eher selten bei solchen Verhältnissen unterwegs und die Bedingungen nicht gewohnt. Aber bis auf das Gefühl, dass es sich ungewohnt anfühlt, hat niemand ein Problem damit - aber alle haben Spaß daran!

Pünktlich, wie der Wetterbericht es vorhergesagt hat, setzt etwa einen Kilometer vor dem Ziel stärkerer Wind ein, der uns genau ins Gesicht steht. Unsere Geschwindigkeit fällt dadurch auf gute drei Ka-Em-Ha zurück. Wären wir heute Morgen von Avernakö gestartet, hätten wir den ganzen Tag für die Rückfahrt benötigt! Und wir hätten richtig arbeiten müssen! Vielleicht wäre wir sogar nie angekommen! So kann sich die Gruppe bei ihrer Fahrtenleitung Elke bedanken, dass sie so umsichtig agiert hat. Dadurch bleibt uns auch noch Gelegenheit, den Tag und die gesamte Tour bei Kaffee und einem leckeren Stück Kuchen in einer gemütlichen Ecke des Zeltplatzes Naldmose ausklingen zu lassen

GPS-Daten der Tour.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen