Dienstag, 25. Dezember 2012

Das neue Zelt

Das Christkind war da! Und es hat mein Jammern wegen des ständig brechenden Gestänges erhört und mir ein neues Zelt gebracht! Natürlich habe ich es sofort (im Wohnzimmer, denn draußen regnet es) aufgebaut und gründlich inspiziert. Zuerst war ich überrascht, wie groß das Zelt ist: unser Wohnzimmer ist wahrlich nicht klein, aber hier hat es eindeutig seine Grenze erreicht! Eine wesentliche Eigenschaft des geodätischen Zeltes ist die Tatsache, dass es auch ohne einen einzigen Hering steht. Nicht so stramm, wie es könnte, aber es steht und ist ohne Funktions- oder Komforteinbuße zu benutzen (das ist ein nicht unwesentlicher Vorteil, wenn man sein Zelt im Wohnzimmer eines Hauses aufbauen muss, das noch von anderen Menschen bewohnt wird!).


Der Aufbau war natürlich erst einmal ungewohnt, aber nicht wirklich kompliziert. Die Gestängebögen sind - verglichen mit denen meines Tunnels - unglaublich lang und entsprechend aufwendiger ist das Aufrichten der Bögen, nachdem man sie in die Kanäle geschoben hat. Die beiden diagonal über das Zelt laufenden Stangen sind schwarz, die genau mittig liegende golden, was eine Verwechslung ausschließt. Auch sind die Kanäle für die schwarzen Stangen erfreulich kurz, denn ihr unterer Teil wird einfach mit Kunststoffclips am Zelt befestigt. Das erleichtert das Einschieben deutlich.
Am Ende werden die Stangen in Metallösen der Gurtbänder gesteckt, an denen auch die Schlaufen befestigt sind, mit denen die Heringe das Zelt halten. Das halte ich für eine sehr gute Idee, denn ich habe immer wieder Zelte erlebt, bei denen die Schlaufen für die Heringe so klein waren, dass meine riesigen Sandheringen nicht hindurch passten. Oder es war genau dort, wo der Hering in den Boden musste, ein Stein im Untergrund, und man hatte keine Chance, ihn ein paar Zentimeter zu versetzten, um auf weniger Widerstand zu stoßen.

Es gibt noch einen vierten Zipper, der hier nicht zu sehen ist!
Insgesamt fällt auf, mit welcher Unmenge von Details das Zelt aufwartet. Man sieht, dass sich hier detailverliebte Entusiasten ausgetobt haben. An einer Stelle sind sie aber eindeutig über das Ziel hinausgeschossen - oder zumindest haben sie damit meine Vorstellungskraft über Gebühr beansprucht: An zwei der vier Außeneingänge sind vier (in Worten: 4!) Zipper vorhanden. Einer ist schön - zwei sind der pure Luxus, drei vollkommen unverständlich und vier - da fehlt mir einfach die Vorstellung, wofür man so etwas brauchen kann. Aber vielleicht finde ich in Zukunft ja noch einen Anwendungsfall, auf den ich dann nicht mehr verzichten möchte, wer weiß?
Einer der unteren Lüfter
Das Zelt verfügt über insgesamt vier Lüftungsklappen, die auf ihrer gesamten Länge mit Klettband verschlossen werden können. In der Mitte ist ein kleiner Stab angebracht, mit dem der Lüfter offen gehalten werden kann. Er wird am Klettband fixiert. Ich erhoffen mir vor allem von den oberen Lüftern, dass sie der Bildung von Kondenswasser an der Innenseite des Außenzeltes wirkungsvoll entgegen wirken.
Einer der oberen Lüfter



Lüftungsklappe geöffnet
Am Innenzelt ist genau gegenüber den unteren Lüftungsklappen des Außenzeltes eine ebenfalls verschließbare Lüftungsmöglichkeit angebracht. Sie ist mit Reißverschlüssen zu öffnen - und der herunter hängende Teil kann sorgfältig aufgerollt und mit Knebeln fixiert werden. Damit alles fein ordentlich aussieht! So etwas habe ich in meinem alten Zelt vermisst. Wenn da draußen ein kräftiger, kalter Wind herrschte, strich der immer mehr oder weniger ungehindert durchs Zelt hindurch. Das war im Winter nicht unbedingt erwünscht.
Lüftungsklappe aufgerollt



Die Sache mit dem Aufrollen ist bei diesem Zelt ziemlich auf die Spitze getrieben: Wenn man den Reißverschluss eines der äußeren Eingänge öffnet, zieht der Zipper das untere Ende des Zeltstoffes mit nach oben, so dass er überhaupt nicht erst auf die Idee kommen kann, im Dreck rumzuhängen.

Hat man den Eingang dann komplett geöffnet kann man ihn mit wirklich praktischen Knebeln seitlich fixieren, so dass er nicht im Weg ist, oder man aus Versehen drauf tritt - und dadurch das Gestänge zm Brechen bringt!


Vom Innenzelt aus kann man entweder den gesamten Eingang öffnen, oder das Moskitonetz stehen lassen. Damit man erkennen kann, was man tut, sind unterschiedlich farbige Bänder an den Reißverschlüssen angebracht: "Rot" = Moskitonetz, "Gelb" = Komplett öffnen.

Samstag, 22. Dezember 2012

Eiskalter Rückenwind

Ich sitze auf der Heizung in der Küche und sehe aus dem Fenster auf die Straße. Ich warte auf Jörg. Der hat vorhin angerufen, um die Details unserer heutigen Paddeltour mit mir abzusprechen. Seine Stimme hörte sich genau so an, als wenn er auf alles andere Lust hätte, als eine Paddeltour bei Minusgraden und schneidend kaltem Ostwind zu machen. Aber er hat keine Chance abzusagen: Vor ein paar Wochen hatte er wegen des Wetters rumgememmt und dass es doch doof sei, bei so einem Sch...wetter aufs Wasser zu gehen - und dann schien nachher die Sonne und es tat ihm selber leid! Heute bin ich hart geblieben - aber nachdem ich eben draußen war, um mein Boot vorzubereiten, bin ich mir jetzt nicht mehr sicher, ob ich nicht lieber doch hättte weich werden sollen! Marie-Theres sagt eins ums andere Mal: "Bei dem Wetter aufs Wassser?" und schüttelt sich dann immer.

Warum tue ich mir so etwas eigentlich immer wieder an? Ich weiß, dass es kalt ist, dass es anstrengend ist und ungemütlich, dass es nass ist und auch nicht ungefährlich. Aber ich weiß auch, dass ich mich, wenn ich dann draußen auf dem Wasser bin, großartig fühle. Ich empfinde es als ein königliches Privileg, bei solchem Wetter und solchen Bedingungen mit einem Boot auf dem Wasser sein zu können, mich körperlich zu betätigen, an der Natur zu sein - und das Ganze mit einem ebenso kundigen wie liebenswerten Partner zu teilen. Und wenn man dann in diesen so garstigen Bedingungen steckt, stellt sich heraus, dass sie sich gar nicht so garstig anfühlen, wie sich die Phantasie das vorstellt.

Wir setzen unsere Boote wieder in Bülk ein. Angesichts des unerbittlichen Windes, den wir im Bereich von vier Windstärken erwartet haben, wobei wir allerdings vergessen haben, dass wir uns hier nicht mehr in der  Innenförde befinden, und so beim Anblick der Strander Bucht noch mal eine Windstärke mehr spendieren müssen - im Angesicht also dieses Windes haben wir uns entschlossen, nach Eckernförde durchzufahren und uns dort abholen zu lassen. Ich konnte Birke dafür gewinnen, uns um drei dort abzuholen. Das Einsetzen am Strand ist nicht ganz einfach, obwohl wir unsere Boote schon ganz dicht an die Mole getragen haben, wo die brechenden Wellen am kleinsten sind. Ich bekomme eine gute Ladung Wasser ins Cockpit, bevor ich es schaffe, die Spritzdecke zu schließen. Und ich bin noch gar nicht am Molenkopf vorbei, da bricht mir schon die erste Welle gegen die Brust. Das kann ja heiter werden. Aufgrund unserer längeren Paddelpause und weil man im Winter eh nicht so geschmeidig im Boot sitzt, erfordern die Wellen unsere erhöhte Aufmerksamkeit. Wir umfahren die Buhnen am Leuchtturm in respektvollem Abstand, um ja nicht in die sich dort brechenden Wellen zu geraten.
Der Wind weht den ganzen Tag über konstant aus Ost-Süd-Ost und auf dem Stück bis Krusendorf haben die Wellen den freien Fetch von Fehmarn bis hierher zurückgelegt. Entsprechend hoch türmen sie sich. Wenn Jörg und ich gleichzeitig in unterschiedliche Wellentäler tauchen, sieht man nicht mal mehr die Zipfelmütze des anderen. Die kleinen Wellen haben einen halben, die großen bis einen Meter Höhe. Es ist durchaus Konzentration vonnöten, und es war gut, dass wir niemanden sonst mitgenommen haben, denn es braucht ein gerüttelt Maß an Kaltblütigkeit, hier nicht den Mut zu verlieren.

Es sind Unmengen von Wasservögeln unterwegs, viele Eiderdaunenproduzenten, Spießenten, Schellenten und tausende von diesen schwarzen Dingern, von denen wir nicht recht wissen, was sie sind. "Samtenten" schlägt Jörg vor und wir werden es weiter untersuchen. Teilweise fliegen sie so weit von uns entfernt auf, dass wir unmöglich der Grund dafür sein können. Und wenn - einmal die Woche aufgescheucht zu werden, muss drin sein! Irgendwann schwimmt so ein puscheliger Korken keine zwanzig Meter entfernt von mir im Wasser. Ich weiß genau, dass ich ihn kenne, komme aber so schnell nicht drauf. Ein späterer Blick in meine Kosmos-Vogelwelt entlarvt ihn eindeutig als meinen ersten Tordalk, den ich hier angetroffen habe! Wenn nicht allleine so eine Begegnung schon die Inkaufnahme all der Kälte, der Nässe und der Anstrengung aufwiegt!

Wir fahren teilweise recht weit draußen, denn immer wieder sind Sandbänke vor dem Ufer, über denen sich die Wellen brechen. Wir wollen lieber keine Experimente machen und auf Nummer Sicher gehen. Daher unterlasse ich es auch, Fotos zu machen, auch wenn ich den Aparat wie immer griffbereit an der Schwimmweste befestigt habe. Bei Grönwohld queren wir kurz die Brandungszone, wobei ich Jörg eben noch darauf hinweisen will, dass wir aufpassen müssen, nicht zu kollidieren, aber mitten im Satz hinterlässt meine Bootsspitze schon einen roten Striemen an Jörgs Bug. Zwischen Sandbank und Ufer versuchen wir, eine Pause zu machen, heißen Tee zu trinken und etwas zu essen. Das ist nicht wirklich gemütlich, denn natürlich ist das Wasser auch hier noch "bewegt". Mittlerweile hat auch Schneefall eingesetzt. Mit unseren kalten Fingern schaffen wir es nicht, Jörgs Tupperdose aus der Arretierung hinter seinem Sitz zu fummeln, so dass er mit einem von meinen Riegeln Vorlieb nehmen muss.

Der weitere Weg nach Eck-Town ist klar vorgegeben: Immer gerade aus - nicht ganz 270 Grad. Aber es ist doch noch verdammt weit und um unsere Schätzung für eine Ankunft um drei Uhr einhalten zu können, hätten wir keine Pause machen dürfen. So muss Birke halt eine Viertelstunde warten, bis sie uns am Strand in Empfang nehmen kann. Die Landung ist trotz Brandung relativ harmlos, aber einmal aus unserem wärmenden Cockpit geschmissen, wird uns im pfeifenden Wind schnell kalt. Spätestens beim Entfernen des bei der Landung eingedrungenen Wassers streichen die Gefühlsnerven die Segel, so dass das Einfädeln der Spanngurte für den Dachgepäckträger eine echte Herausforderung wird.
Wir verschwenden keine große Zeit uns umzuziehen, ich setze mich mit Spritzdecke und Weihnachtsmütze hinter das Lenkrad und wir fahren zurück nach Bülk. Die Heizung stellen wir auf 25 Grad!

Sonntag, 16. Dezember 2012

Dritter Advent

Unglaubliche acht Wochen war ich nicht mehr auf dem Wasser! Es gab manches, was mich hinderte, aber an Verlangen war kein Mangel. Heute haben Jörg und ich es endlich geschafft, unsere Boote aus meinem Carport auf sein Autodach zu wuppen und eine Tour zu wagen. Die Prozedur ist noch ungewohnt und bietet einiges Potential für Optimierungen. Uns war es egal wohin, Hauptsache paddeln!

Es ist nicht mehr so bitter kalt wie in den vergangenen Tagen, als ich mir bei minus zwölf Grad auf dem Fahrrad die Finger abgefroren hatte. Heute sind es zwischen vier und fünf Grad - plus! Genauso warm ist auch das Wasser. Der Wind weht den ganzen Tag konstant genau aus Süd mit erträglichen drei Windstärken. Also keine allzu fordernden Bedingungen für etwas aus der Übung gekommene "Best-Agers"!

Als wir unter dem Bülker Leuchtturm losfahren, ist sein großer Bruder, der Kieler Leuchtturm, verschwommen zwar, aber deutlich zu erkennnen. Der Himmel ist nicht jubelnd blau - eher grübelnd grau, aber das ist uns heute egal. Dick eingepackt wenden wir unsere Nasen erst nach Norden und dann nach Westen und sind froh, übers Wasser zu gleiten. Es geht eine leichte Dünung mit uns, die das Vorankommen leicht macht. Außer uns sind im Wesentlichen nur Vögel auf dem Wasser, aber davon Hunderte. Vermutlich in der Mehrzahl Wintergäste, die so "dichten" Publikumsverkehr wie hier nicht gewohnt sind und eine gigantisch große Fluchtdistanz haben. Wir sehen das erste Mal Schwärme von Spießenten, die wir erst nicht erkennen, die sich im Vorbeiflug aber durch ihre charakteristischen Schwanzfedern verraten(*). Sie machen auf dem Wasser einen Heidenlärm, denn sie sind unentwegt und aufgeregt am Kommunizieren.

An der Gefahrentonne vor dem militärischen Sperrgebiet hinter Surendorf machen wir kehrt und paddeln ein Stück zurück, bevor wir im Windschatten unter der Steilküste eine Pause im grüngelben Wasser machen. Hier genießen wir die Wohltaten von Würstchen, Käsestulle und angebranntem Apfelsaft. Danach geht es straks zurück - in geradest möglicher Linie zum Lt. Bülk. Der Wind ist nun etwas gegen uns und die 10 Kilometer, die wir hinaus gefahren sind, sind nicht von allein wieder zurückgespult. Jörg legt ein anspruchsvolles Tempo vor, das ich nicht ganz mithalten kann und auch nicht wirklich will. "Ich wollte, dass es vorbei ist!" sagt er, aber ich glaube, es macht ihm auch Spaß, sich mal wieder etwas anzustrengen. Zwar haben wir vergessen, für unser Auto einen Euro in die Parkuhr zu schmeißen, aber heute gibt's Adventsrabatt und wir finden kein Ticket an der Windschutzscheibe, als wir etwas ungelenk zu unserem Gefährt zurückkehren.

Es ist deutlich diesiger geworden: der Kieler Leuchtturm ist nicht mehr zu sehen und die vorbeifahrenden Frachtschiffe kann man nur noch hören. Aber heute sind wir auch nicht vorrangig wegen des guten Wetters aufs Wasser gegangen!
Ein Anfang ist gemacht: Die erste Tour ohne das geliebte Bootshaus als Basisstation! Es drohen Wiederholungen!


(*) In Wirklichkeit handelt es sich hier um Eisenten. Spießenten kommen auf dem Meer nicht vor.