Samstag, 16. Februar 2013

"Was hältst du vom Leuchtturm?"

Ein bisschen sind Jörg und ich schon wie ein altes Ehepaar. Ich habe meinen Vorschlag noch nicht richtig ausgesprochen, da entgegnet er schon: "Ich wollte vorschlagen, dass wir heute dem Leuchtturm einen Besuch abstatten!". Wieder keine Gelegenheit für Streit. Die Sicht ist nicht berauschend, aber wir denken, dass es reicht - bis wir die Förde in den Blick bekommen! Das sind keine 500 Meter Sicht! Natürlich habe ich in der Hektik vorhin mein GPS-Gerät nicht eingepackt und den exakten Kurs zum Leuchtturm wissen wir auch nicht auswendig. Wenn uns jemand erzählen würde, dass er mit einer derartig lausigen Vorbereitung unter den gegebenen Bedingungen zum Leuchtturm fahren wollte, würden wir ihm abraten. Das muss auch für uns gelten. Also wird es wohl auf "eine gute Stunde nach links" hinauslaufen.

Mit dem Abladen der Boote und sie und uns betriebsfertig zu machen, sind wir mittlerweile recht fix. Nur ein ausführlicheres Gespräch mit einem interessierten Ornitologen verhindert eine rekordverdächtige Zeit. Kaum sind wir auf dem Wasser, meine ich, dass die Sicht besser geworden ist. Ich bilde mir sogar ein, Strukturen am anderen Ufer zu erkennen. Ich habe zwar ziemlich gute Augen, aber im Einbilden, etwas zu sehen, bin ich leider noch besser. Trotzdem ist auch Jörg der Meinung, dass es hier besser aussieht, als der erste Eindruck uns es vorhin weismachen wollte. Da nur moderater Wind herrscht, wollen wir nun doch versuchen, den roten Leuchtturm im weißen Dunst zu finden. Zumindest wollen wir versuchen, die erste Kabeltonne zu finden und dann entscheiden, wie wir weiter vorgehen.

Es dauert nicht lange, da schaukelt das kleine Beiboot des DGzRS-Kreuzers heran. Als die Besatzung uns entdeckt, ändert es seinen Kurs und fährt zu uns ran. Wo es denn hin ginge, ist die Frage. Wir wollen niemanden beunruhigen und erwidern, dass wir ein bisschen raus fahren und eine kleine Tour machen wollen. Es gibt keine weiteren Fragen oder Ermahnungen. Aber man hat seine Aufmerksamkeit und sein Interesse gezeigt. Eine sehr dezente Art, daran zu erinnern, dass ernsthafte Bedingungen herrschen, denen man sich nicht ohne entsprechende Kenntnis und Fertigkeiten aussetzen sollte.

Der Leuchtturm ist zu erkennen - mit viel Phantasie!
Zu sehen ist nichts. Wenn man mal von dem bewaldeten Ufer absieht, dass ich in unserer Fahrtrichtung überall am Horizont zu erkennen glaube. Wir schätzen den Kurs zum Leuchtturm irgendwo bei 45 Grad(*), die erste Kabeltonne liegt etwas nördlich. Sie und ihre Schwester unterteilen die gut sieben Kilometer in drei ziemlich gleich lange Teile, jedes also ungefähr zweieinhalb Kilometer lang. Es dauert gar nicht so lange, da entdecke ich vor dem bewaldeten Ufer eine Struktur, die die Kabeltonne sein könnte. Sie liegt auf jeden Fall in der richtigen Richtung. Irgendwann erklärt Jörg die Tonne für rot und ich bin verunsichert, weil das bedeuten würde, dass wir uns total verfahren haben. Aber ziemlich bald bin ich mir sicher, das wir auf dem richtigen Weg sind.

Der Leuchtturm ist zu erkennen - auch ohne Phantasie!
Die Tonne zeigt uns aber auch, dass wir sehr deutlich nach Westen versetzt werden. Von meinen anderen Touren weiß ich, dass hier nicht nur der Wind daran arbeitet, sondern dass auch immer eine merkliche Strömung herrscht, die einen zusätzlich vom Kurs abbringt. Wir fahren etwa sechzig Grad und hoffen, dass uns das zum Ziel bringen wird. Irgendwann zeigt sich eine weitere Struktur, der erst noch eine Bedeutung zugeteilt werden muss. So rein aus dem Gedächtnis eine Seekarte zu rekonstruieren, ist aber doch zu anspruchsvoll und eine kurze Zeit rechnen wir mit der Möglichkeit, dass das der Leuchtturm sein könnte. Aber mir behagt die Form nicht. Nach einer Weile steht fest, dass es sich um die Tonne Eins handelt, die in ihrem früheren Leben eine glückliche Kuh auf einer grünen Wiese war und nun unermüdlich ihr schreckliches Schicksal beklagt, einen öden Dienst auf der Förde verrichten zu müssen, wo das einzig grüne ihr eigener Anstrich ist. Zum Glück erkenne ich bald im Dunst vor dem bewaldeten Ufer eine weitere zwar schwache Struktur, aber deren Form entlarvt sie sofort als den wirklichen Leuchtturm.

Wir machen einen großen Bogen um die Lotsenstation. Auf ihrer Ostseite herrscht ein interessantes Kabbelwasser durch die an den Betonsockel klatschenden Wellen, die dort reflektiert werden. Aber unsere regelmäßigen Ausfahrten zeigen Wirkung und wir sitzen sicher und entspannt im Boot. Für den Weg zurück müssen wir uns kurz den Kurs ausrechnen und einigen uns auf 220 Grad. Es dauert eine erhebliche Weile, bis wir die erste Kabeltonne entdecken und sehen, dass unsere Berechnung goldrichtig war. Der Wind weht zwar nur mit guten fünf Metern pro Sekunde aber die Wellen sind, wie Wellen eben sind, wenn das Wasser groß ist und tief, dass sie sich aufbauen können. Aber sie sind rund und gutmütig und die Fahrt ist ausgesprochen entspannt und unangestrengt.

Doch das Frühstück ist lange her und wir sind fast zwei Stunden unterwegs und langsam kriecht der Hunger und der Durst in Magen und Kehle und so werden die letzten zehn Minuten dann doch noch lang. Ich muss mich erst einmal in Jörgs VW-Bus setzen und meine Stulle verdrücken und den heißen Apfelsaft einnehmen, bevor ich mich stark genug fühle, die Boote zu verstauen.

Beeindruckend finde ich die Tatsache, dass die Spuren unseres Hin- und Rückweges fast deckungsgleich verlaufen. Und wir hatten keine Sicht und kein GPS sondern nur unseren Kompass zur Navigation! Ohne Kompass allerdings wären wir vermutlich in Eckernförde gelandet - und auch das nur mit Glück!

(*) Der exakte Kurs von Bülk zum Kieler Leuchtturm beträgt übrigens 43,8 Grad!

Samstag, 2. Februar 2013

Günstige Gelegenheit

Oben auf der Wetterkarte ragt ein Zipfel aus der Republik heraus, der grüne Landschaft erkennen lässt. Der Rest der Heimat liegt unter schweren Wolken mit reichlich Symbolen für reichlich Regen verborgen. Das ist die Gelegenheit, in dieser an selbigen armen Jahreszeit unsere Boote mal wieder bestimmungsgemäß zu nutzen. Der Wind kommt aus Nordwest, das Wasser hat zweieinhalb Grad ebenso wie die Luft. Und der Himmel ist, wie die Wetterkarte es gestern Abend prophezeit hat, strahlend blau!

Wir setzen wieder am Strand vor Bülk ein. Das Wasser ist blau und grün, aber da ist auch ein brauner Streifen, der sich von der Mole auf die offene Förde zieht. Wir sind uns nicht sicher, ob das einfach Sand ist, der da vertrieben wird, oder ob es sich um eine Abwasserfahne aus dem Klärwerk handelt. Zumindest können wir absolut keine Geruchsentwicklung feststellen, als wir den trüben Bereich passieren.

Die Wellen gehen gleich recht hoch, denn der Wind kommt über das freie Wasser von Damp her. Es sind überall Bäckermützchen zu sehen. Wir fahren leidlich direkt gegen den Wind - ohne festes Ziel, der Sinn steht uns nur danach, Zeit auf dem Wasser zu verbringen, das Wetter, das Wasser und die frische Luft zu genießen. Der Wind weht mit gut vier Windstärken an der Grenze zur Fünf. So etwas verursacht auf der Innenförde nur mickrige Wellchen, hier draußen sind sie über einen halben Meter hoch und unser Boote dürfen sein, was sie sind: Seekajaks!

Nach etwas über einer Stunde drehen wir um. Ein Teil der Eirigkeit dabei ist dem Seegang geschuldet, ein nicht unerheblicher aber vermutlich auch der Wassertemperatur, die eine Unachtsamkeit im wahrsten Sinne des Wortes eiskalt bestrafen würde. Zurück geht es dann deutlich hurtiger. Unsere Geschwindigkeit liegt im Gegensatz zu den fünf Stundenkilometern auf der Hintour nun meist um die neun Stundenkilometer und nicht selten bei deutlich über zehn. Mit zunehmender Dauer legt sich auch die jahreszeitlich bedingte Zurückhaltung und wir nutzen die sich bietenden Surfs immer hemmungsloser. Trotz der deutlichen Unterstützung des Rückenwindes kommen wir bei der Rückfahrt mehr ins Schwitzen als bei der Hintour.

Gegen den Wind ist es ein gleichförmiges Geschäft, bei dem man den Krafteinsatz wohl dosieren kann. Mit dem Wind muss man im rechten Moment alles dreinsetzen, sonst nimmt einen die Welle nicht mit. Und auch dann klappt es nicht mit Sicherheit und man muss dranbleiben und noch einmal kräftig beschleunigen und alles geben! Und wenn der erste Surf dann vorbei ist, kommt gerade wieder eine günstige Welle, die man noch mitnehmen möchte, und man muss alles geben... Am Ende ist man vollkommen fertig, obwohl man ohne diese Keulerei nicht wesentlich langsamer wäre. Aber man hätte nicht halb so viel Spaß!