Freitag, 6. November 2020

Corona-Fluchttour

Am letzten Wochenende im Oktober wollten wir eigentlich eine größere Tour unternehmen, aber die Wettervorhersage war alles andere als einladend. Dann kam auch noch der zweite Lockdown dazu, der unsere Möglichkeiten weiter einschränkte. Um überhaupt etwas zu unternehmen, verabredeten Jörg und ich uns zu einer Einweg-Tour von Eckernförde nach Bülk. Das war ja schon ganz nett, aber kein befriedigender Ersatz für eine richtige Tour. Zwar hatten wir immerhin einen Kocher mit, mit dem wir uns den leckeren Birnen-Bohnen-und-Speck-Eintopf aufgewärmt haben, den Jörg vorbereitet hatte, aber Zelt und Schlafsack und deren Anwendung fehlten halt. 

Für das Ende der Woche kündigte sich eine deutliche Wetterverbesserung an, so dass an eine Paddeltour zu denken wäre. Da Jörg den Samstag nicht freimachen konnte, habe ich kurzerhand für den Donnerstag Urlaub genommen, so dass wir wenigstens Donnerstag/Freitag zur Verfügung hatten.

Wohin sollten wir fahren? Dänemark hat seine Grenzen bereits wieder geschlossen, die Halligen lassen keinen an Land und Camping- und Wohnmobilstellplätze sind tabu. Schleimünde könnte gehen - ist ja eigentlich kein Zeltplatz und Wohnmobile sind hier auch eher selten. Ein kurzer Check der Webseite des Hafens - aber die sieht ziemlich verlassen aus. Wir gehen davon aus, dass das Gelände ebenso verlassen ist und keiner sich daran stoßen wird, dass wir hier übernachten.

Unseren Plan, von Bülk los und am nächsten Tag wieder dahin zurück zu fahren, müssen wir fallen lassen: für den Donnerstag ist leider maximal widriger Gegenwind angesagt. Zum Glück erklärt sich Doro bereit, uns nach Lindaunis zu chauffieren, das verwandelt den scheddrigen Gegenwind in eine angenehme Unterstützung.

Der Parkplatz am Noor ist pappenleer und auf den Straßen wenig Verkehr. Zwar müssen wir nur zwei Tage und eine Nacht aus unseren Booten leben, aber es ist Winter und da ist die Ausrüstung immer etwas voluminöser. Trotzdem bringen wir alles in den Stauräumen unter und bekommen die Lukendeckel auch wieder zu. Im Noor ist es noch recht windgeschützt und Strömung geht hier auch nicht. Das ändert sich aber drastisch, als wir lässig in den Durchlass unter der Eisenbahnbrücke einbiegen wollen. Da müssen einige energische Notschläge helfen zu verhindern, dass die heftige Strömung uns gegen die Betonpfeiler spült.

Die Schlei verläuft hier grob in Richtung Ost-Nord-Ost - der Wind kommt genau aus West. Und er kommt heftiger als vorhergesagt und erwartet. Mehr als einmal sind wir dankbar, dass wir uns nicht auf die Keul-und-Klotz-Variante eingelassen haben, uns von Bülk nach Westen zu kämpfen. Und noch häufiger sind wir dankbar für die zahlreichen Surfs, die uns immer wieder in die Nähe der 15km/h-Grenze katapultieren. Auf der Schlei kommen nun mal keine wirklich großen Wellen zustande, aber diese kleinen flachen Wasserbuckel zusammen mit dem Winddruck sorgen für ein zügiges Vorankommen. Völlig unerwartet bietet sich uns hier ein erquickender Spaß.

 
Unterwegs begegnen uns große Schwärme Seevögel, meist Kormorane, Eiderenten oder Graugänse. Mehrmals kreisen zwei Seeadler hoch über uns. Sie fliegen so hoch, dass ich mir unmöglich vorstellen kann, dass sie von dort oben einen Fisch im Wasser erkennen können. Ich vermute, sie genießen einfach wie wir das Segeln und Gleiten im Wind. In Kappeln lassen wir uns einfach treiben und verrichten unsere Pause. Trotz keinerlei eigenen Antriebs treiben wir immer noch mit zwei bis drei Stundenkilometern unserem Zeil entgegen - und das, obwohl das Gewässer hier eher in Nord-Süd-Richtung verläuft.

Als die Schlei nördlich von Kappeln wieder nach Osten abbiegt, haben wir den Wind wieder genau im Rücken. Wir wünschen uns etwas mehr Wassertiefe, die zu etwas höheren Wellen führen würde, nehmen aber die kleinen aber zahlreichen Surfs dankbar und innerlich juchzend an.

Wie erwartet liegt die Lotseninsel von allen guten Geistern verlassen da. Wir bauen unsere Zelte gleich ganz oben im Eck zwischen Mauer und Haus auf, um einigermaßen vor dem immer noch pfeifenden Wind geschützt zu sein. Am westlichen Horizont ziehen gelblich graue Wolken auf, die auf Niederschlag deuten. Zwar hat Jörg extra noch sein Tarp eingepackt, aber Regen im Zusammenspiel mit Wind können die Gemütlichkeit empfindlich beeinträchtigen. Wir sehen uns auf dem Gelände um, ob es alternative Optionen bietet. Alle Gebäude inklusive der Duschen und Toiletten sind natürlich verrammelt. Aber da gibt es ein Gewächshaus, das zwar nicht wirklich winddichte Wände hat - vor allem weil in den Fensterrahmen, die zur Tür verbaut sind, die Scheiben fehlen - aber es hat ein regendichtes Dach und bietet wenigstens etwas besseren Windschutz als ein Tarp.

Da wir durch die günstigen Umstände sehr früh angelandet sind und das Aufbauen der Zelte auch nicht lange gedauert hat (für den Transport unserer Sachen vom Boot zum Zeltplatz haben wir uns zwei herumstehende Schubkarren ausgeliehen), müssen wir erst mal einige Zeit verbringen, bevor wir daran gehen können, unser Abendbrot zu bereiten. Gespräche über dies und das und die Welt und das Überprüfen, wie es um die amerikanische Präsidentschaftswahl steht, nehmen ihre Zeit in Anspruch. Aber es ist nicht leicht, im Angesicht eines leckeren Kohleintopfes nach einem Tag mit reichlich körperlicher Anstrengung aber sparsamer Nahrungsaufnahme den aufsteigenden Heißhunger zu überhören. Um halb sieben erklären wir, dass die Zeit gekommen ist, dem Eintopf zu Leibe zu rücken. Ich muss meinen großen Topf bemühen, bekomme aber nur die Hälfte des Vorrats, den Jörg mitgebracht hat, darin untergebracht. Das Zuschauen, wie der Inhalt warm wird und dabei betörende Gerüche verbreitet, macht die Sache mit dem Hunger nicht einfacher. Zum Glück braucht es aber nicht wirklich lange, bis die Erlösung heiß ist. Und während wir uns über die erste Hälfte hermachen, köchelt die andere Hälfte bereits auf dem Kocher, so dass lückenlos weitergegessen werden kann, nachdem der erste Teller leer ist. Es ist einfach unglaublich, welche Mengen man nach einer Anstrengung an frischer Luft verputzen kann!

Der Betrieb auf der Lotseninsel hält sich in Grenzen. Anfangs liegt noch ein Fischkutter am Außensteg und sortiert Fang und Beifang. Nach Einbruch der Dunkelheit läuft noch eine Segelyacht ein. Sie kommt aus Flensburg und soll nach Rügen überführt werden. Dafür wollen sie morgen bereits um sechs Uhr auslaufen, um den dann noch günstigen Wind zu nutzen. Die Besatzung ist einigermaßen beeindruckt, dass wir unter diesen Verhältnissen hier zelten und wünschen uns eine nicht zu kalte Nacht.

Die Nacht ist aber gar nicht kalt und irgendwann hat auch der fiese Nieselregen aufgehört, der am Abend zuvor eingesetzt und dann nicht wieder aufgehört hat. Zum Frühstück im Gewächshaus gibt es Müsli und ich koche mir meine(*) zwei Eier (das "meine" steht da nur, um Jörg wieder eine Steilvorlage dafür zu liefern, dass er sich jetzt eine Anmerkung erspart!). Das eine Ei wird auf meinem Schinkenbrot verteilt, das andere wandert in eine der zahlreichen Taschen meiner Schwimmweste, um später auf hoher See mit Genuss verspeist zu werden. Nach dem Zusammenpacken unserer Sachen, bei dem uns die Schiebkarren wieder gute Dienste erweisen, müssen wir noch das Gelände und das Gewächshaus wieder so herrichten, dass niemand erkennen kann, dass jemand es zweckentfremdet genutzt hat. Um halb elf sind wir startklar, der Wind hat gegenüber gestern deutlich nachgelassen, kommt aber noch aus derselben Richtung.

Der Wasserstand ist deutlich höher als gestern Abend, was nichts anderes heißt, als dass es in die Schlei hineinströmt. Vor der Hafeneinfahrt schwimmt ein großer Schwarm Kormorane - durchsetzt mit allerlei Möven unterschiedlichen Strickmusters. Sie hoffen vermutlich auf Brosamen, die für sie abfallen, denn fast jeder Kormoran hat einen Fisch im Schnabel oder schon im Hals, wenn er nach seinem Tauchgang wieder hochkommt. Wahrscheinlich hängt das hohe Fischaufkommen mit der satten Strömung zusammen, die von der Ostsee in die Schlei hinein geht.

Als wir aus dem Segelhafen hinausfahren, spüren wir sofort den Zug der Strömung. Um nicht unnötig Kraft zu verbrauchen, fahren wir dicht an die Mole geschmiegt Richtung offene Ostsee. Ich bin nachhaltig beindruckt, mit welcher Geschwindigkeit das Wasser hier entgegen der  Hauptströmung nach draußen drängt: ohne einen Paddelschlag zu tun, werden wir mit acht Stundenkilometern aus der Schlei geschoben! Allerdings nur um hundert Meter weiter mit zehn Stundenkilometern wieder zurückgsaugt zu werden! Das Wasser ist so turbulent mit Pilzen und kleinen Überfallwellen, wie ich es hier noch nie gesehen habe! Das wäre eine prima Übungsstelle, um den Umgang mit turbulentem Wasser zu üben!

 Der Himmel sieht recht vielversprechend aus. Zwar hängen über dem Festland ziemlich dicke Wolken, aber auf der offenen See ist der Himmel strahlend blau. Der  Wind hat gegenüber gestern deutlich nachgelassen, aber die Richtung beibehalten. Die ist ziemlich genau quer zu unserer Fahrtrichtung, so dass der Wind weder großartig hindert, noch dass er hilft. Für die Festlegung unseres Kurses müssen wir erst einmal länglich gegen die Sonne plieren, um in schier unendlicher Entfernung etwas zu erkennen, was wir als südwestliche Begrenzungstonne des Schießgebietes vor Schwansen deuten können. Die Tonne liegt auf einer Kompasspeilung von 150 Grad, aber Jörg kann seinen Kompass eh nicht ablesen, weil die Sonne so blendet.

Ich bin immer wieder überrascht, wie groß dieses Schießgebiet ist und wie lange man benötigt, um es zu passieren. Als wir unsere Orientierungstonne fast erreicht haben, zeigt sich in weiter Ferne genau südlich davon eine weitere Tonne, deren Farbe wir auf die Entfernung natürlich nicht ausmachen können. Und dann ist da in noch größerer Entfernung südöstlich noch so etwas, das man als Tonne deuten könnte. Wir sind uns nicht mehr sicher, ob wir hier wirklich die südliche Begrenzung des Sperrgebietes unmittelbar vor uns haben, oder ob das weitere Tonnenpaar diese Linie bildet. Aber da es einen Umweg bedeuten würde, lassen wir die neu aufgetauchten Tonnen liegen, wo sie sind und fahren weiter einen direkten Kurs auf unser Ziel. Leider musste ich im Nachhinein erkennen, dass das Sperrgebiet gar nicht von nur vier Tonnen eingerahmt wird, sondern von sieben! Und natürlich sind wir dadurch mitten durch gefahren😏. Das kommt davon, wenn Amateure sich aufs Wasser begeben!

Als wir uns auf der Linie Damp-Leuchtturm Kiel wähnen, machen wir eine Pause. Die Doppelstulle, die ich mir dafür geschmiert hatte, passte leider nicht in die dafür vorgesehene Tupperdose. Also musste ich sie mit sanfter Gewalt überreden, darin Platz zu finden. Leider hat der leichte Zwang dazu geführt, dass das Brot total zerbröselt ist und nicht mehr wirklich als Stück zu greifen. So muss ich mir die kleinen Brösel und die Bruchstücke des Käses einzeln in den Mund stecken. Aber bei dem Hunger, den ich habe, ist mir die Form der Kalorien herzlich egal. Die Drift während unserer etwa zehnminütigen Pause beträgt keine dreihundert Meter, was gut ist, denn wir werden genau quer zu unserer Fahrtrichtung abgetrieben.

Mittlerweile haben wir uns auch darauf geeinigt, welche Erscheinungen wir als Kieler Leuchtturm interpretieren und was man für das Ehrenmal von Laboe halten kann. Bei der "Mühle von Laboe" sind wir uns jedoch uneins, und wir müssen noch eine Weile paddeln, bevor wir beide der Meinung sind, dass es sich dabei um den Bülker Leuchtturm handelt. Normalerweise ist der nämlich so gut wie gar nicht zu erkennen, und heute sticht er nur deswegen so prägnant hervor, weil er renoviert wird und eingerüstet ist.

Kurzzeitig sind wir der Meinung, dass wir viel zu früh ankommen werden. Weil unsere Abholgelegenheit erst ab halb vier am Zielort aufschlagen kann, versuchen wir, etwas langsamer zu machen - aber das gelingt uns nicht wirklich gut. Und natürlich ist es auch noch viel weiter, als es aussieht - das werden wir nie lernen. So sind wir noch nicht einmal mit Umkleiden fertig, als Doro schon mit dem Bulli aufkreuzt, um uns nach Hause zu holen.

Ich kann sogar den Luxus genießen, dass ich direkt bei mir zu Hause abgeladen werde, und die beiden mein Boot und meine Ausrüstung, insbesondere meine Schwimmweste, für mich zurück zur Bootshalle bringen. Das hartgekochte Ei in einer der zahlreichen Taschen meiner Schwimmweste wartet immer noch darauf, mit Genuss verspeist zu werden

Sonntag, 26. Juli 2020

Nordsee 2020

Unser erster Termin für eine Nordseetour in diesem Jahr ist für mich einem hässlichen Gnubbel am Ellenbogen zum Opfer gefallen. Die beiden anderen Tourwilligen sind dann bei der Aussicht auf gruseliges Wetter meinem Beispiel gefolgt, Friesland Friesland sein zu lassen und sich die Sache aus dem sicheren Wohnzimmer heraus anzusehen. Aber einen neuen Termin haben wir immerhin vereinbart: am letzten Wochenende im Juli wollen wir es noch einmal versuchen!

Die Wettervorhersage ist alles andere als verlockend: am Freitag soll es mit mindestens fünf Beaufort aus Westen wehen, am Samstag dann zwar insgesamt weniger Wind sein, so dass man recht frei mit der Gestaltung des Tages umgehen könnte, aber in der Nacht zum Sonntag dann heftigster Regen fallen, der erst am späten Sonntag Nachmittag abebben soll. Dazu Wind zwischen zwölf und vierzehn Metern pro Sekunde - in schlichten Worten: sechs bis sieben Beaufort. Das mit dem Wind ist eher reizvoll, denn er würde aus  West kommen. Nur, dass wir vermutlich unser Zelt im strömenden Regen abbauen und einpacken müssten, reizt nicht so. Aber das Wasser ist warm und die Luft auch und der Strom geht mit dem Wind - wo also sollte ein Problem liegen?

Das Problem liegt auf der A7 kurz vor der Ausfahrt nach Jagel. Dort hat sich mindestens ein Fahrzeug in die linke Leitplanke gebohrt und ebenso viele in die rechte. So können wir über eine Stunde lang der Zeit beim Verstreichen zusehen. Bei solchen Gelegenheiten kommt einem die Gnadenlosigkeit, mit der die Tide ihren Plan durchzieht, besonders ungerecht vor. Zum Glück kennt Jörg auf dieser Strecke nicht nur jeden Wegweiser - sei es der nach Spinkebüll oder der nach Süderhackstedt - er kennt auch jeden Schleichweg, so dass wir die schon seit über einem Jahr existierende Schikane der Vollsperrung von Drelsdorf geschickt umfahren können. Wir holen tatsächlich ein wenig von der verlorenen Zeit wieder rein und sind nur eine Stunde später als geplant in Schlüttsiel.

Eigentlich wollten wir genau jetzt mit dem letzten auflaufendem Wasser bereits den Hafen verlassen - aber das tut nun eine andere Gruppe von sechs Paddlern. Wir sind uns sicher, dass wir sie auf Hooge wiedertreffen und es ist noch lange genug hell, dass wir nicht im Dunkeln unsere Zelte werden aufbauen müssen. Die Sachen sind zügig in den Booten verstaut und bereits nach einer dreiviertel Stunde sitzen wir mit den Spritzdecken am Süllrand befestigt in unseren Booten.

Der Wind ist nicht gar so garstig wie befürchtet, aber er steht gegenan. Dafür scheint die Sonne und die Temperaturen sind angenehm. Wir fahren am Tonnenstrich entlang - wir wollen keine großen Spierenzchen machen. Der kleine Knick in userer Spur rührt von der Tatsache, dass meine Mitfahrer eine Tonne in der Ferne für den Beginn des Langenessfahrwassers erklären. Ich bin skeptisch und sehe nach. Die Tonne weist sich als Schl.10 aus - das Langenessfahrwasser zweigt erst bei Schl.6 ab. Dieses Mal schaffen wir es auch, rechtzeitig und nachhaltig genug aus der Süderaue nach Süden ins Hoogefahrwasser abzubiegen und nicht wie sonst üblich auf der dazwischen liegenden Sandbank zu stranden. Nach bummeligen zwei und einer Viertelstunde erreichen wir den Hooger Segelhafen. Jörg und Peter paddeln durch das Betontor, ich ziehe ein schlickfreies Anlanden außen an der Mole vor.

Natürlich treffen wir die andere Truppe hier wieder. Sie sind offensichtlich gar nicht so viel früher als wir da gewesen, denn sie sind noch nicht fertig damit, ihre Zelte aufzubauen. Friedlich in der Abendsonne sitzend, bereiten wir uns ein Abendessen, bei dem jeder den anderen in Bescheidenheit übertrumpft: Ich vernichte endlich das asiatische Nudelgericht mit Ente, dessen Mindesthaltbarkeitsdatum im Juni 2018 abgelaufen ist, Peter bereitet eine Art Spaghetti Carbonara zu (bei deren Vertilgung ich ihm unterstützend zur Hand gehe) und Jörg, der sonst immer eine fulminate Kochsession zelebriert, hat Kartoffelsalat mit kalten Würstchen mitgebracht. Schmeckt alles lecker!

Jörg hat heute auch seinen neuen Helinox-Faltstuhl dabei, den er erst in vierzehn Tagen zum Geburtstag geschenkt bekommt! Wir besprechen kurz unsere Optionen für morgen und einigen uns darauf, um neun Uhr mit dem ablaufenden Wasser rauszufahren, Japp- und Norderoogsand zu umrunden und durch das Rummelloch-West wieder zurück zu fahren. Als Besonderheit wollen wir auf dem Rückweg westlich an Hooge vorbei fahren - weil das viel günstiger und bequemer ist.

Bevor wir am Samstag Morgen losfahren, erkundigen wir uns noch nach dem Plan der anderen Gruppe. Sie wollen um elf Uhr los und dann durchs Rummelloch nach Pellworm. Das kommt uns erst einmal fremdartig vor, aber wenn man bedenkt, dass man Pellworm überhaupt nur bei hohem Wasserstand erreicht, macht es Sinn, möglichst spät loszufahren. Dass das genau bei Niedrigwasser sein muss und man dafür in Kauf nimmt, die ganze Zeit bis zum Rummelloch gegen Wind und Strom fahren zu müssen, hätten wir jetzt nicht so entschieden, aber das obliegt ja dem eigenen Ermessen.

Jappsand ist mit dem kräftig schiebendem Strom schnell erreicht. Danach dringe ich nachdrücklich darauf, nicht der Versuchung zu erliegen, sich an der vermeintlich so leicht erkennbaren Sandkante entlang zu hangeln, sondern gegen die Intuition weit draußen zu bleiben und stramm Kurs 180 Grad zu fahren. Bisher bin ich so gut wie jedes Mal zu dicht an den Norderoogsand geraten, so dass ich am Ende immer einen gehörigen Schlenker nach Westen fahren musste, um überhaupt in den Durchlass zwischen den beiden Sänden zu gelangen.

Auch diesmal sind wir uns nicht sicher, ob wir den augenscheinlich quer vor uns liegenden Sand noch umrunden müssen, oder ob links davon eine freie Durchfahrt ist, oder ob er vielleicht sogar schon Teil des Süderoogsandes ist. Und obwohl wir schon ausgesprochen konsequent draußen geblieben sind, müssen wir zum Schluss doch noch einen Haken schlagen. Als wir an einem Sandabschnitt mit steiler Uferkante an Land gehen, stellen wir fest, dass es sich um eine Insel handelt, die direkt im Durchlass der beiden Sande liegt. Die Gegend hier verändert sich von Jahr zu Jahr so stark, dass auch meine jedes Mal gesetzten GPS-Wegpunkte allenfalls als Indiz genutzt werden können, dass der Durchlass hier in der Nähe liegen muss.

Auf der dem GPS-Track hinterlegten Seekarte sieht man, dass wir trotzdem wir schon unglaublich weit draußen gepaddelt sind, immernoch innerhalb der Robben- und Vogelschutzzone unterwegs waren. Um sich absolut korrekt zu verhalten, hätten wir bis zur Tonne ST20 rausfahren müssen, die ich mir schon für meine letzte Tour in der Seekarte markiert hatte. Von dort aus kann man dann stumpf nach Süden fahren, bis man die Durchfahrt erreicht. Aber das ist mehr als doppelt so weit draußen, wie unsere Spur angibt. Ich gehe jede Wette ein, dass das noch nie jemand beherzigt hat und bezweifle, dass das irgendeinen plausiblen Sinn ergibt. Wie wenig auch die aktuellste Seekarte die realen Verhältnisse hier wiedergibt, kann man daran erkennen, dass wir mit unserem Schlenker erst nach Westen und dann nach Osten eine Sandinsel umrundet und an der mit dem roten Ball gekennzeichneten Stelle Pause gemacht haben.

Natürlich beobachten uns während der Pause wieder ein paar neugierige Seehunde. Auch eine Kegelrobbe ist dabei. Aber bisher haben wir von diesen pelzigen Torpedos noch nicht wirklich viele Exemplare gesehen. Das soll sich ändern, nachdem wir weiterfahren. Als erstes sichten wir am Südende des nördlichen Sandes eine Herde von ca. hundert Exemplaren. Wir machen gleich einen Schwenk weiter von ihnen weg, damit sie nicht beunruhigt werden und ihre Mittagspause unterbrechen müssen. Etwas nördlich davon sind einige Leute von einer Art Segelkutter an Land gegangen - aber sie nähern sich den Tieren auch nicht. Nur wenig später taucht eine ähnlich große Herde auf halbem Weg vor Pellworm auf.

Eigentlich müssten wir hier extrem langsam fahren, denn es muss ja erst noch Wasser zwischen Jappsand und Hooge einlaufen, damit wir da durchkommen. Aber der Wind kommt immer noch aus Süden und das macht es schwierig, langsam zu fahren. So dauert es dann auch gar nicht lange, bis die Wassertiefe auch für unsere kleinen Boote nicht mehr hinreicht. Als wir den ersten Schwenk nach Westen machen, steige ich extra noch mal aus meinem Boot, um im Stehen mit besserem Überblick zu sehen, dass der Nachbarpriel viel weiter mit Wasser gefüllt ist. Also fahren wir noch einmal zurück und fädeln in das nächste Rinnsal ein.

Hier geht es zwar erst deutlich weiter, aber bald wünsche ich mir die Tidensteiggeschwindigkeit von Jersey, wo das Wasser in zehn Minuten zwanzig Zentimeter steigt. Davon können wir hier nur träumen - stattdessen sitzen wir alle zehn Meter für gefühlte zwanzig Minuten auf der Stelle fest. Irgendwann sieht man, dass nun doch der Nachbarpriel, den wir vorhin extra verlassen hatten, deutlich weiter mit Wasser gefüllt ist. Also kehren wir nochmals um und fädeln wieder zurück. Eigentlich ist es auch egal, ob wir dadurch einen Umweg paddeln - Hauptsache wir haben etwas zu tun, denn mittlerweile hat Regen eingesetzt, so dass uns auch nicht mehr wirklich mollig in den Booten ist. Auch als vor uns eine quasi lückenlose Wasserfläche aufgefüllt ist, will noch keine rechte Freude aufkommen, denn die Wassertiefe ist dermaßen dürftig, dass wir immer wieder aufsetzen. Und als es dann tatsächlich spürbar tiefer wird, stellt sich heraus, dass die Strömung hier doch gegen uns läuft. Also so schlimm wie das Gestochere hier habe ich die Umrundung auf der Ostseite nicht in Erinnerung. Obwohl ich unsere erwartete Ankunftszeit schon großzügig geschätzt hatte, kommen wir auch heute eine gute Stunde später als vorhergsagt an. Einzig die Tatsache, dass das Wasser bereits so hoch aufgelaufen ist, dass wir bequem und unverschlickt über den Hafen auf die Zeltwiese fahren können, sorgt für etwas Entspannung.

Zu unserer Überraschung ist die andere Gruppe schon da. Erst vermuten wir, dass sie vielleicht gar nicht losgefahren sind, aber eine Nachfrage klärt den Sachverhalt: Sie meinten mit "Rummelloch" gar nicht die Durchfahrt zwischen den Außensänden, sondern das Fahrwasser zwischen Hooge und Pellworm. Sie sind nach Jappsand gefahren und wollten dann zwischen diesem und Hooge hindurch über das "Rummelloch" nach Pellworm. Leider sind sie noch nachhaltiger als wir am mangelnden Wasser gescheitert. Aber wenn man es recht bedenkt, war dieser Ausgang eigentlich vorhersehbar. Offensichtlich ist ihnen hier ein kleiner Planungsfehler unterlaufen.

https://naturfotografen-forum.de/o1492835-Steinw%C3%A4lzer
Bis zum Abendessen haben wir noch gut Zeit die wir gewissenhaft der Erholung widmen. Ich befestige mein Zelt noch mit einigen zusätzlichen Abspannleinen wegen des vorhergesagten starken Windes, der während der Nacht aufkommen soll. Später beobachte ich im durch das ablaufende Wasser freiwerdenden Schlick des Segelhafens mehrere Steinwälzer. Es ist das erste Mal, dass ich welche sehe, und ich musste im Nachhinein erst meinen KOSMOS-Vogelführer zu Rate ziehen, um sie identifizieren zu können.

Für den Peselbesuch haben wir uns diesmal sicherheitshalber im Voraus angemeldet - man weiß ja nicht, was man in der durch Corona so besonderen Situtation zu erwarten hat. Aber da das Wetter nicht besonders lauschig ist, sind die Tische draußen alle unbesetzt. Wir wollen es riskieren, aber ich frage lieber nach, ob man unseren Tisch drinnen frei halten kann, falls es doch zu regnen anfängt. Man kann. Leider ist die Karte ob der besonderen Umstände etwas eingedampft - und unser geliebtes Lammfilet gibt es heute nur in Form von Frikadellen. Macht nichts, wir sind hungrig und da ist auch das lecker! Leider ist die versprochene Riesenportion Kaiserschmarn mit Erdbeeren, die ich mir als Nachtisch bestellt habe, nur eine Kinderportion, aber der gröbste Hunger ist gestillt. Nach einem Kakao und einer Tasse Tee, die ich am Zelt noch zu mir nehme, geht es in die Federn.

Wie versprochen schüttet es in der Nacht wie aus Kübeln. Dazu dreht der Wind auf sieben Beaufort auf. Ich habe meine friedenstiftenden gelben Pfrömse in den Ohren und schlafe selig durch. Allein eine kleine Unachtsamkeit bekümmert mich am Morgen: weil es in der Nacht so warm war (es war ja komplett bewölkt), habe ich an beiden Seiten das Innenzelt etwas offen gelassen. Da es in meinem Zelt bei derartig heftigem und ausdauerndem Regen aber immer vom Außenzelt aufs Innenzelt tropft, liefen diese Tropfen erst das Innenzelt herunter und dann - wegen der offenen Seiten - ins Zeltinnere. Das war eine dumme Idee! Es schwimmt alles etwas um mich herum. Als erste Maßnahme setze ich mich auf meiner Isomatte aufrecht hin. "Wump!" Bei meiner Super-Duper-Exped-Iso-Luftmatratze ist mal wieder eine Rippe aufgeplatzt! So was dämliches! Da ist wieder mal ein Besuch im Reiseshop fällig!

Positiv wirkt auf meine Stimmung, dass es schon vor zehn Uhr morgens aufgehört hat zu regnen. Es ist zwar noch keine stabile Wetterlage, aber wir machen erst einmal einen großzügigen Spaziergang um den Westzipfel der Hallig. Das Wetter wird immer besser und wir sehen, dass Norderoogsand sich immer mehr zur Insel mausert, die in der katastrophalen Sturmflut 1962 untergegangene Ponswarft und einen Imker, der die flachsten Bienenstöcke aufstellt, die ich je gesehen habe.

Die andere Gruppe hat einen deutlich weiteren Heimweg von Schlüttsiel aus und will daher möglichst früh los. 13 Uhr ist die Ansage. Als wir gegen 13 Uhr von unserem Spaziergang zurück am Seglerheim eintreffen, steht die Gruppe aber immer noch in normaler Kleidung auf der Zeltwiese. Aber sie fangen an, ihre Kajaks auf die mitgebrachten Bootswagen zu schnallen. Leider gibt es dabei die eine oder andere Schwierigkeit, so dass es eine ziemliche Weile dauert, bis sie auf der anderen Seite des Hafentores ankommen. Dort müssen sie sich ja noch die Paddelklamotten anziehen, so dass sie im Endeffekt nur etwa eine dreiviertel Stunde vor uns loskommen.

Um viertel vor drei ist genug Wasser aufgelaufen, dass wir bequem von der Rampe einsetzen können. Der Wind kommt genau aus Westen - wir glauben zwar nicht, dass er auf die versprochenen vierzehn Meter pro Sekunde kommt, aber er weht kräftig. Wir sind von Anfang an recht schnell, aber es ist natürlich nicht ganz einfach, unter solchen Bedingungen einen gerade Kurs zu fahren. Da uns im Hoogefahrwasser eine Fähre entgegenkommt, wollen wir auf Nummer sicher gehen und sie nördlich passieren lassen. Aber dann dreht die Fähre nach Süden ab, so dass wir uns umentscheiden. Leider scheint der Kapitän sehr unentschlossen und ändert noch mehrmals seinen Kurs, aber wir erkennen immerhin, dass das Schiff keine große Geschwindigkeit drauf hat. Erst als wir ziemlich nahe sind, erkennen wir, dass es vor Anker liegt und einfach in der Strömung hin und her schwoit.

Über den flachen Sänden steht eine interessante Welle, die ich sehr genieße. Aus den Bemerkungen meiner Mitpaddler schließe ich später, dass sie nicht ganz so begeistert sind von diesem Chaos. Okay, müssen wir nächstes Mal den Kurs vielleicht besser abstimmen. In den tieferen Prielen sind die Wellen regelmäßiger und wir können einige schöne Surfs genießen. Was für ein Spaß bei warmen Wasser mit Wind und Wellen im Rücken nach Hause zu fliegen! Nach genau zwei Stunden laufen wir über die Rampe des Anlegers in Schlüttsiel. Die andere Gruppe packt noch ihre Sachen vorm Segelsteg. Sie fahren im Endeffekt immerhin zwei Minuten vor uns los.



GPS-Daten der Tour: Nordsee 2020

Sonntag, 5. Juli 2020

Liederschipp...

Seit vergangenem Jahr gibt es bei uns im Verein eine Gruppe, die sich weiterbilden möchte - nicht nur in Bezug auf persönliche Fertigkeiten sondern vor allem auch im Hinblick auf Anleitung und Führung von Gruppen - Leadership eben! Wir treffen uns zu "regelmäßigen" Terminen, um jedesmal ausgesuchte Themen zu üben und zu vertiefen. Leider ist es bei uns auf der Förde etwas schwieriger als in Wales oder auf Jersey schroffe Felsen, chaotische Strömungen und wilde Wellen zu finden, die anspruchsvolle Bedingungen erzeugen würden.

Als die Wettervorhersage für unseren heutigen Termin in glaubwürdige Nähe rückt, bin ich ganz entzückt:


Zwölf Meter pro Sekunde - das sind satte sechs Windstärken! Aus Westen, was bedeutet, dass vor der Spundwand des Mönkeberger Segelhafens ordentliche Klapotis zu erwarten sind! Wenigstens das würde anspruchsvolle Bedingungen hervorrufen. Und der Regen, den sie in den letzten Tagen für heute immer vorhergesagt hatten, ist in unserem anvisierten Zeitfenster auch nicht mehr vorhanden.

Voller Vorfreude fahre ich zur Bootshalle. Aber mein Blick auf die Förde auf dem Weg dorthin kann irgendwie nicht die erwarteten weißen Schaumkronen entdecken, die bei dieser Windstärke eigentlich Pflicht sind. Vermutlich wirkt hier an der Kiellinie die Windabdeckung eben noch zu stark, und ich kann nur nicht weit genug sehen, weil es - nun ja - weil es regnet. Hmm - da ist der Wettervorhersage leider nicht ganz exakt gewesen.

Da ich schon in Trockenanzug und Neoprenschuhen angereist bin, um wegen Corona die Umkleiden nicht benutzen zu müssen, kann ich erst mal die Regenrinne unseres Poloschuppens reparieren, während die anderen sich umziehen. Trotz des nicht gerade verlockenden Wetters, sind ein paar junge Leute zum Baden auf dem Steg versammelt. Vermutlich Kieler, denn das Wetter bietet alles, was man sich in Kiel unter Sommer vorstellt: steifen Wind, knapp zweistellige Lufttemperaturen und feinen Nieselregen.

Auf der Fahrt nach Mönkeberg schiebt der Wind - aber das haben wir schon heftiger erlebt. Auch hier sind keine weißen Schaumkronen zu sehen. An der Spundwand vor dem Ölberg kurz südlich des Mönkeberger Segelhafens schaukelt das Wasser eher so, dass ich gut und gerne mit meiner Anfängertruppe hier unterwegs sein könnte, als dass es begierig nach Herausforderung suchenden Paddlern irgendwelche Anreize bietet. Am Segelhafen angekommen, müssen wir zugeben, dass die Bedingungen eher an eine Flaute grenzen, als an spritzende Windstärke sechs. Nur mit gutem - mit sehr gutem Willen kann man hier Windstärke vier spüren. Was für eine Enttäuschung!

Wir machen erst einmal jeder für sich einige Übungen zum Aufwärmen. Wriggen, Rollen, hohe Stütze. Auf der Kaimauer des Mönkeberger Hafens hat sich eine Handvoll wetterfest eingepackter Schaulustiger versammelt, die auf das Einlaufen der Teilnehmer der 24-Stunden-Segel-Regatta warten. Bei dieser Regatta muss man versuchen, innerhalb von 24 Stunden in einem festgelegten Seegebiet (Kieler Bucht - "großdeutsch" erweitert) möglichst viele Seemeilen zurückzulegen. Da dürfte bei dem Wind, der die ganzen letzten Tage geherrscht hat, einiges zusammengekommen sein. Einzig die Bedingung, spätestens um exakt 11 Uhr die Ziellinie passieren zu müssen, wird wohl allzu hochtrabende Pläne dämpfen!

Während wir so vor uns hinüben, frischt der Wind überraschend schnell und deutlich auf! So hellen sich die Gesichter auf und wir bekommen doch noch ein anspruchsvolles Umfeld für unsere Übungen!

Ich muss ja unbedingt noch mal den "Cowboy"-Einstieg üben, bei dem Betzi mir letztes Mal bewiesen hat, dass man mein Boot doch alleine im Wasser schwimmend lentzen kann, ohne selbst dabei unter zu gehen. Gesagt, getan - und siehe da - ich bekomme mein Boot tatsächlich fast komplett leer! Vielleicht war das auf der Schulter platzierte Paddel der ultimative Tipp, der verhindert, dass ich mich selbst schneller unter Wasser drücke, als ich mein Boot aus selbigem heben kann. Aber das war ja nur der erste Teil dieser Einstiegsmethode. Beim zweiten Teil, bei dem man sich selbst wieder ins Cockpit manövrieren muss, habe ich auch noch Defizite, so dass ich auf halben Wege wieder ins Wasser falle. Diesen Teil werde ich mal separat im Schwimmbad üben. Solange der nicht sitzt, werde ich diese Methode im Ernstfall nicht anwenden, sondern lieber auf den bei mir verlässlich funktionierenden Unterwassereinstieg mit anschließendem Hochrollen zurückgreifen.

Das zweite Thema, das wir vertiefen wollten, war ein "All-In"-Szenario. Maditha, Lauritz und ich bilden die Kentergruppe, Betzi schaut sich das belustigt an. Zwar sind wir allesamt sicher und ohne Probleme wieder in unsere Boote zurückgekommen - aber souverän geht anders! Ich glaube, dass alle Theorie hier nur zweitrangig ist - man muss es einfach so oft üben, bis sich so etwas wie Routine einstellt. Andererseits ist dieses Thema für uns immer etwas synthetisch, weil jeder von uns sicher alleine in sein Boot zurückkommt und dies immer die erste Option wäre, die man im Ernstfall anwenden würde. Dass drei von unserem Kenntnis- und Ausbildungsstand es gleichzeitig nicht eigenständig ins Boot zurück schaffen, ist ein eher unwahrscheinliches Szenario. Trotzdem ist es gut, dies zu üben, denn "Liederschipp" heißt auch, es anderen vermitteln zu können - und dann ist es schon von Vorteil, wenn man weiß, worauf es ankommt und was die Schwierigkeiten sind.

Das Thema "ein einsamer Paddler schwimmt ohne sein Boot im Ozean" gepaart mit "ein einsames Boot treibt willenlos übers Weltmeer" stellen uns vor keine großen Probleme. Festzuhalten ist aber, dass ein "aufrecht" auf dem Wasser treibendes Boot bei den herrschenden Windgeschwindigkeiten eine beeindruckende Geschwindigkeit entwickelt! Einmal musste ich mich echt sputen, um Madithas Boot noch einzufangen, bevor es auf den vor Kitzeberg aus dem Wasser ragenden Bunkerresten zerschellt wäre. Treibt das Boot mit dem Cockpit unten im Wasser, ist es deutlich langsamer. Hat man das Boot mit der kurzen Leine eingeklinkt, ist ein Manövrieren mit diesem Verbund extrem anstrengend. Erst wenn man die kurze Leine soweit verlängert, dass das geschleppte Boot etwas frei floaten kann, sind seitliche Manöver einigermaßen problemlos möglich.

Als Fazit bleibt zweierlei: zum einen ist es ein Unterschied wie Tag und Nacht, ob die Wassertemperatur wie heute 18 Grad beträgt, oder nur 10 Grad oder weniger! Heute haben wir zwar gesehen, dass z.B. das "All-In" länglich gedauert hat, aber es war nicht dermaßen unangenehm wie bei früheren Terminen. Zum zweiten ist es einfach unerlässlich, auch vermeintlich bekannte und beherrschte Szenarien immer wieder zu praktizieren und zu üben - nur so entsteht die vorhin zitierte Routine und Souveränität. Aber wenn das Üben so viel Spaß macht wie heute, ist das nicht lästige Pflicht sondern Ansporn und Vorfreude aufs nächste Mal!

(Fotos Courtesy Bettina B.)

Montag, 6. April 2020

See-Kajaktour

Seit uns Corona so unsanft in den Freiheiten eingeschränkt hat, sind die Gelegenheiten, aufs Wasser zu kommen, selten. Die Wasserschutzpolizei fuhr anfangs einen rigorosen Kurs, indem sie unsere Stege als Sportstätten interpretierte, die nicht benutzt werden dürften. Auch das Paddeln auf der Förde sei im Hafenbereich untersagt. Später kamen andere Aussagen, die diese strikte Haltung wieder relativierten. Aber das Frühjahr, die Helligkeit und die Wärme kamen, ohne dass ich wie sonst üblich wieder regelmäßig auf dem Wasser unterwegs war. Auch die anderen Möglichkeiten, liebe Menschen zu treffen und sich zu betätigen, glimmen seit vier Wochen auf Sparflamme. Dazu kommt, dass ich Unmengen freie Zeit habe, weil ich in Kurzarbeit bin. Jörg macht dieser Zwang zur Untätigkeit ebenfalls bräsig und so haben wir beschlossen, in aller Stille eine Paddeltour unter Einhaltung gebührenden Abstandes zu unternehmen. Einen erklecklichen Teil der Schwentine wollen unter den Kiel nehmen.

In Niederkleveez ist ein Hotel, außer Betrieb wie alle in dieser Zeit, das einen Badestrand hat. Eine freundliche Nachfrage, ob wir unser Auto für ein paar Stunden auf ihrem leeren Parkplatz abstellen dürfen, wird mindestens ebenso freundlich bejaht. Wir nehmen uns vor, als Gegenleistung hier einen Kaffee zu trinken - wenn die Luft wieder rein und das Hotel dann noch lebt und geöffnet ist.

Es gibt einen kleinen Bootssteg und einen noch kleineren Strand. Jörg möchte beim Einsetzen keine nassen Füße bekommen und wählt den Steg als Startrampe. Leider hat er nicht bedacht, dass der Steg zwar recht niedrig ist, aber dennoch dem Boot seitlich keinen Widerstand bietet. So eine Situation ist grundsätzlich anspruchsvoll! Nicht, dass Jörg nicht prinzipiell in der Lage wäre, so etwas zu meistern - allein, er ist nicht drauf gefasst! Als ich mich umdrehe, schwimmt er neben seinem Boot. Die Füße sind auch nass!

Die grobe Streckenführung haben wir uns auf dem Hinweisschild am Hotel angesehen - aber für die Not hat Jörg tatsächlich eine Karte dabei! Erst einmal geht es am Westufer des Dieksees entlang, bis wir das Schlupfloch zum Behler See finden. Die kleine, flache Insel, auf die wir gleich stoßen, ist von zahlreichen Kibitzen bevölkert. Sie zählen zu meinen Lieblingsvögeln und ich erinnere mich noch an große Schwärme, die ich früher häufig gesehen habe. Ihre Zahl hat leider dramatisch abgenommen.

Der Behler See geht unmerklich in den Höftsee über. Meine Vermutung ist, dass hier jede Bucht eines Sees einen eigenen Namen bekommt, damit die Touristen, die eine Fünf-Seen-Tour buchen, auch günstig auf ihre Kosten gebracht werden können. Wir freuen uns jedenfalls, dass wir unsere Seekajaks endlich einmal wirklich bestimmungsgemäß einsetzen.

Die Lore bei der Ölmühle haben sie mittlerweile durch eine Rollrutsche ersetzt. Das ist viel praktischer und das Umsetzen damit geht ratzfatz. Danach wartet der große Große Plöner See auf uns. Es geht ein schwacher aber spürbarer Wind aus südlicher Richtung. Die Lufttemperatur ist nahe zwanzig Grad und die Sonne scheint ungehindert vom Himmel. Aber das Wasser ist empfindlich kalt und der Gegenwind produziert reichlich Spritzwasser. Hier ist unsere Entscheidung, keine Paddeljacke anzuziehen, hart an der Grenze des Zumutbaren. Aber - harte Kerle wie wir sind, murren wir nur verhalten und hoffen, bald in die Abdeckung der Prinzeninsel zu kommen.

Apropos blauer Himmel - es ist tatsächlich kein einziger Chemtrail ist am Himmel zu sehen! Da stellt sich doch ganz automatisch die Frage, ob die Regierung vielleicht die geringe Wirksamkeit ihres Plans eingesehen hat, die Bevölkerung über das Ausbringen von Chemtrails zu vernichten. Und daran schließt sich dann folgerichtig die Frage an, ob sie nicht dazu übergegangen sind, es ab jetzt mit Viren zu versuchen! Man weiß es nicht.

Die Rohrdommelbucht ist voller Taubenhaucher und die Umtragestelle hinter dem Campingplatz durch eine Sohlgleite ersetzt, die man hinunterfahren kann. Als wir auf die Engstelle zufahren, sehen wir im glasklaren Wasser hunderte von riesengroßen Karpfen uns entgegen schwimmen. Es hört gar nicht auf und da am Ende ja die Sohlgleite ist, wirkt es, als würden die Fische irgendwie aus dem Boden quellen.

Durch die beiden nachfolgenden Seen auf den Kleinen Plöner See zu gelangen, ist etwas verwickelt, weil man die Durchfahrten nicht auf Anhieb findet. Aber wir schaffen das! Bevor der See sich am Ende dann zur Schwentine formt, machen wir an einem Badesteg Pause. Die Schwentine zeigt dann gleich, was ein echter Strom ist und spült uns flott in den Kronsee, dann in den Fuhlensee und schließlich am wunderschönen Gut Wahlstorf vorbei in den Lanker See.

Hier stelle ich mit Erstaunen fest, dass es das erste Mal ist, das ich mit einem Seekajak die Schwentine befahre. Bislang hatte ich das immer nur in einem Faltboot gemacht. Und es ist so viele Jahre her, dass ich die ganzen baulichen Veränderungen wie die Rollrutsche und die Sohlgleite in Plön oder die neue Brücke bei Wahlstorf ohne das elende Aalreusen-Wehr noch gar nicht kannte. Durch die lange Zeit ist mir leider auch komplett die Erinnerung an die Geographie des Lanker Sees abhanden gekommen. Ich hatte gedacht, dass man von Wahlstorf kommend einfach um die Ecke muss und schon befindet man sich im immer enger werdenden Schlauch, der einen am Ende automatisch durch Preetz presst. Aber weit gefehlt: nach dem "um die Ecke" bieten sich unzählige Möglichkeiten, sich zu verfahren. Zum Glück weiß Jörg ziemlich gut, dass wir dicht rechts an der bereits zu erkennnenden Badeanstalt vorbei müssen. Und wir wissen beide, dass wir die in der Ferne zu sehende Klosterkirche links passieren müssen.

In Preetz sieht man an den Ufern sehr gut, dass der Wasserstand hier bis vor kurzem noch einen guten halben Meter höher gewesen ist. Dann ist das Hindurchkommen unter den Brücken nicht ohne weiteres möglich - man müsste zu Techniken greifen, die wir auf der Hagener Au praktiziert haben, die ich hier aber nicht weiter erläutern will! Der Fluss fließt flott mitten durch das kleine Städtchen - und macht irgendwann unvermittelt eine neunzig-Grad Biegung, so dass wir die Klosterkirche letztlich doch rechts passieren!

Ab hier ist die Schwentine nur noch Fluss ohne zwischengeschaltete Seen. Sie ist ein wunderschöner, unverbauter Strom in einer sehr ursprünglichen Form. Ich hatte schon fast vergessen, wie schön sie ist, und wie angenehm zu fahren. Ich muss das öfter machen! Dadurch, dass sie in ihrem Bett weitestgehend in Ruhe gelassen wird, ist auch die Natur an ihren Ufern noch in einer sehr urwüchsigen Form. Das wissen auch die Vögel zu schätzen.

Auf unserer Tour haben wir eine große Vielzahl auch nicht so häufig anzutreffender Arten gesehen: Neben ewig meckernden Grau- und friedlichen Kanadagänsen, jede Menge Mittel- und Gänsesäger, ungezählte Schellenten, Taubenhaucher, Kibitze, sechs Eisvögel, drei Seeadler, einen Kranich, einen Roten Milan und einen Silberreiher. Ach ja - und eine hohe dreistellige Anzahl von fetten Karpfen! Sind vielleicht keine Vögel - war aber auch beeindruckend!

Sonntag, 15. März 2020

Schleimünde in den Zeiten von Corona

Schon in den letzten Jahren kam, von Trenk getriggert, immer mal wieder die Idee auf, einmal im Winter das Lotsenhaus in Schleimünde zu mieten und mit einer Gruppe dort ein Wellness-Wochenende zu verbringen. Letztlich ist das immer an der komplizierten und auch teuren Mietprozedur gescheitert, die die Lighthouse-Foundation aufgestellt hatte, damit nicht jeder Hans und Franz sich hier einmieten kann. Seit 2018 ist die Insel aber an die Schleswiger Werkstätten verpachtet, die den Vorgang wesentlich unkomplizierter gemacht haben.

Die Erkundung der Voraussetzungen und Kosten verlief überaus ermutigend, und bald war eine stattliche Gruppe Interessierter und ein gemeinsamer Termin gefunden. Am Freitag, den 13. März sollte es losgehen und bis Sonntag drauf dauern.

Zwischenzeitlich gab es im Vorfeld noch eine kleine Irritation, weil unserem Traum von Ruhe und Abgeschiedenheit die Absicht einer mehr als doppelt so großen zweiten Gruppe entgegenstand, das Etablissement zur gleichen Zeit bevölkern zu wollen. Niemand von uns kannte das Gebäude von innen, und wir fürchteten schon ein beengtes Drüber und Drunter bei der großen Anzahl von Gästen. Erst ein Blick in den Grundriss und weitere Abstimmung mit der anderen Gruppe bescherte uns die Gewissheit, dass wir ein Stockwerk für uns alleine haben und damit unser Traum unbeschadet ausgelebt werden könnte.

Nach einem wettertechnisch unterirdischen Februar mit einer Niederschlagsmenge von 270% des langjährigen Mittels versprach die Vorhersage für unser Wochenende eine einigermaßen versöhnliche Mischung aus Wind, Wolken und sogar Sonne. Allerdings war für den Rückweg ziemlich ungnädiger Gegenwind mit Stärke sechs vorhergesagt. Sei's drum.

Weil ich eine so lange Zeit aus der Welt sein würde und die momentan so unklare Lage zur Corona-Ausbreitung in nächster Zeit Fragen der Vereinsmitglieder erwarten lässt, schreibe ich noch kurz vor der Abfahrt eine Mail an den Vorstand mit der Bitte, darüber nachzudenken, wie wir uns als Verein dazu aufstellen.

Die Hinfahrt wird in Teilgruppen durchgeführt, Andreas vom TSV Klausdorf will schon früh am Freitag alleine anreisen, Peter, Jörg, Axel und ich so ungefähr zum Mittag losfahren und Anja, Elke und Norbert später nachkommen. Trenk wird dann am Samstag anreisen - immerhin kommt er überhaupt!

In Kappeln sind die Heringsangler voll in Aktion. Es sind zwar noch nicht übermäßig viele, die an der Kaimauer im Hafen stehen, aber die haben alle ihre großen Eimer voll mit glitzernden Silberfischen. Peter und ich gönnen uns nach der Ankunft erst mal ein warmes Fischbrötchen.

Am südlichen Beginn der Klappbrücke ist eine prima Einsetzstelle - sogar einen Slip haben die hier, der allerdings von einem PKW mit Trailer blockiert wird. Der Fahrer ist gerade mit dem Angelboot unterwegs. Hier verläuft die Schlei noch in Nord-Süd-Richtung, so dass der kräftige Westwind anfangs nicht wirklich zu unserm Vorteil wirkt. Aber schon bald biegt die Schlei nach Osten, und wir haben Schub genau von achtern. Natürlich ist es hier nicht wirklich tief, so dass sich keine hohen Wellen aufbauen können, aber wir haben konstant sechs Beaufort und die ermöglichen uns immer wieder wirklich lange Surfs. Meinem GPS-Logger entsprechend beträgt unsere Geschwindigkeit oft deutlich über 15 Stundenkilometer! Für die fast acht Kilometer bis zur Lotseninsel benötigen wir genau eine Stunde.

Andreas ist schon eingetroffen und begrüßt uns. Er hat sein Zelt wie gewohnt auf der Zeltwiese aufgebaut - wo es allerdings genau gar keinen Windschutz gibt. Das wuchernde Rosengebüsch, hinter dem man sich sonst einigermaßen verschanzen konnte, haben sie komplett gerodet. Unterm Strich eine gute Idee - aber im Moment pfeift es doch ziemlich, so dass man sich fast nach ihm sehnt. Immerhin gibt es dafür gerade keine Mücken! Auch Peter und ich wollen zelten, und wir beschließen, unsere Hütten im Vorgarten des Lotsenhauses aufzubauen. Hier ist der Wind durch den Staudruck des Gebäudes deutlich geringer.


Die erste Inspektion des Hauses löst mittelschwere Begeisterung aus! Wir haben nicht nur eine sondern sogar zwei Etagen für uns! Jeder kann sein eigenes Zimmer beziehen - und wir haben immer noch ein Ankleide- und Telefonierzimmer übrig! Die Einrichtung lässt nichts zu Mäkeln übrig und die Aussicht ist grandios!

Den Nachmittag verbringen wir mit wohlfühlen - und damit die ständig eintrudelnden Nachrichten zur Corona-Krise zu lesen und zu kommentieren. Es ist unglaublich, was für eine Dynamik sich darin entfaltet. Während Peter und ich unsere Hütten im pfeifenden Wind aufbauen, fangen die anderen an, das Gemüse zu schnibbeln für die Kartoffel-Kohlsuppe. Zum, Glück verfügt die komplett und recht modern ausgestattete Küche über anstaltskompatible Kochtöpfe! Wir nehmen uns den größten und machen ihn bis oben hin voll. Die Suppe schmeckt ganz wunderbar, so dass ich mir drei große Teller davon gönnen muss - aber es bleibt immer noch ein guter Teil übrig. Das werden wir morgen regeln. Anja hat circa zwei Dutzend Würstchen besorgt, die dem ganzen eine pikante Note verleihen.

Ein letzter Spaziergang über die dunkle Insel lässt uns den wunderschönen Sternenhimmel bewundern. Dann zieht sich jeder in sein Zimmer oder Zelt zurück.

Gegen Morgen bekomme ich etwas kalte Füße. Es ist aber nicht so arg, dass ich mich aufraffen könnte, etwas an meiner Zudeckung umzuorganisieren. Dadurch würde ich nur final wach werden, was den Genuss der Idylle empfindlich mindern würde. Gegen acht Uhr habe ich dann aber genug Idylle gemuckelt und komme aus dem Zelt. Die Sonne scheint - aber die Welt ist weiß! Es war heute Nacht minus vier Grad! Hätte man sich denken können, bei der Wetterlage und dem wunderschönen Sternenhimmel!

Frühstück im Warmen an einem richtigen Tisch, Einsteigen in trockene Paddelklamotten - was für ein Luxus! Wir wollen heute eine kleine Paddeltour machen und als erstes Olpenitz ansehen. Ich war schon viele Jahre nicht mehr da. Schöner geworden ist es immer noch nicht, aber es sind deutlich mehr Häuser aus dem Boden gewachsen. Und nicht nur aus dem Boden: da ist mittlerweile ein kompletter Hafen mit Hausbooten gefüllt! Schwimmende Ferienwohnungen, die man bei Novasol mieten kann. Sieht ein bisschen nach Waterworld aus.

Der klare Sternenhimmel hat neben dem strammen Frost auch zur Folge, dass die Sonne heute ungehemmt aus einem makellos blauen Firmament herabstrahlt. Wir haben alle zum ersten Mal in diesem Jahr Sonnenmilch aufgetragen. Nach der Runde durch den alten Militärhafen schippern wir zurück in die Schlei nach Maasholm. Dort machen wir eine ausgiebige Pause bei der Kirche. Leider habe ich nach den drei Tellern Kartoffelsuppe mit vermutlich vier Würstchen immer noch keinen rechten Hunger, so dass mein Butterbrot mit nur einer kleinen Bissstelle mit mir zusammen die Heimreise antritt. Ich fahre noch zusammen mit Andreas ein Stück gegen den aufgefrischten Wind auf die offene Ostsee hinaus, um auf dem Rückweg etwas in den Wellen surfen zu können. Aber die Wellen taugen nicht zum Surfen, man kommt einfach nicht ins Gleiten.

Am späten Nachmittag suche ich die Ostsee nach Norden hin aufmerksam ab. Ich bin mir relativ sicher, dass Trenk von Falshöft her kommen wird, denn so kann er morgen mit Rückenwind zurückschweben. Da ist aber nichts zu sehen. Als ich daraufhin die Schlei absuche, erkenne ich in weiter Ferne zwar keinen Paddler, aber untrügliche, rhythmische Lichtreflexe, wie sie typischer Weise von auf- und abtauchenden Paddelblättern im Zusammenspiel mit der Sonne verursacht werden. Auch er muss erst noch bis zur Ansteuertonne auf die Ostsee rausfahren, um auf der Rücktour festzustellen, dass man in diesen Wellen nicht surfen kann.

Andreas hat sich verwundert darüber geäußert, dass das Wasser beim Duschen kalt war. Und auch ich finde, dass es heute deutlich fußkälter im Haus ist als gestern. Zum Glück kennt Trenk sich einigermaßen mit den Gegebenheiten der Heizungsanlage aus. Schnell ist festgestellt, dass sie tatsächlich ausgefallen ist. Wie man die mit Pellets gespeiste Anlage wieder in Schwung bekommt, wissen wir alle nicht, aber im gemeinsamen Brainstorming stellen wir geeignete Hypothesen auf. Grillanzünder bräuchten wir, aber bei den kleinen noch vorhandenen Restmengen davon sind alle brennbaren Stoffe derart ausgedünstet, dass sie unter Einwirkung meines Feuerzeuges nur noch schwarz werden, aber nicht mehr selbst brennen. So halte ich einfach mein Feuerzeug, das in Wirklichkeit eine Art Mini-Schweißbrenner ist, direkt auf die Pellets. Und siehe da: sie fangen an zu glühen und die Anlage kommt wieder in Schwung. Leider musste ich für die Aktion so tief in den Brennraum kriechen, dass ich hinterher aussehe wie Aschenputtel. Was tut man nicht alles für seine Kumpels, damit sie in einem warmen Gebäude schlafen können - während man selbst im Zelt übernachtet ;-)

Peter hat zwanzig frische Eier in seinem Boot mitgenommen - Kaiserschmarrn will er daraus für uns machen. Das ist eine echt langwierige Aufgabe, der er sich stoisch und mit großer Hingabe widmet. Heraus kommen lecker luftige Fladen, die super-leckere Rosinen umschließen, die (zur Desinfektion) vorher lange in Rum gelagert wurden!

Außerdem steht heute noch Sauna auf dem Programm. Einige genehmigen sich gleich mehrere Gänge hintereinander und sitzen danach mit hochrotem Kopf am Tisch. Meins ist das ja nicht so. Ich freu mich lieber aufs Abendessen. Es soll irgendetwas Asiatisches geben mit Hühnerfleisch und Kokos. Ich opfere mich, zuerst die restliche Kartoffelsuppe zu vernichten. Danach mache ich mich über das Asiatische her. Eigentlich sehr lecker - aber ich bin leider nicht würzfest! Die Schärfe treibt mir derart die Tränen in die Augen, dass ich nach der rettenden Milch greifen muss.

Auch heute sind die Messenger aller Handys wieder voll von Nachrichten über die Corona-Front. Auch Elisabet, die Mama von Poldi, schickt uns eine besorgte Warnung.

Die Nacht auf Sonntag ist bewölkt und nicht entfernt so kalt wie die vorherige. Es ist, wie vorhergesagt, windig. Das hat den unschätzbaren Vorteil, dass das Zelt vollkommen trocken ist, bevor wir es einpacken. Für den Tag heute ist nichts weiter vorgesehen, als den Rückweg aufrecht zu meistern. Nach einem ausgiebigem Frühstück sind wir um elf in den Booten - und schon wieder in über Nacht getrocknete Klamotten gestiegen! Da könnte ich mich dran gewöhnen!

Der Wind kommt der Vorhersage gemäß genau aus Süden. Anja, Elke und Norbert müssen nur bis Maasholm und fahren einen eigenen Kurs. Wir anderen versuchen, möglichst dicht am Südufer noch etwas Windschutz zu ergattern. Da ist eine Stelle, die mir schon auf der Herfahrt aufgefallen ist, wo das Wasser so flach wird, dass der Grund sogar trocken fällt. Aus der Ferne sieht es aus, als wenn es in der Mitte einen Durchlass gibt, auf den steuere ich zu. Zwar muss ich mich zwei, dreimal mit den Händen vom Boden abstoßen, aber ich komme problemlos durch. Axel, der mir hinterher gefahren ist, steigt aber aus und zieht sein Boot über das Flach. Das dauert ein Weilchen, so dass mein Kalkül, die gewonnene Höhe gegen den Wind nicht aufzugeben, nicht mehr wirklich Sinn macht. Die anderen haben das Flach weiter nördlich umfahren.

Dort, wo die Schlei stramm nach Süden abknickt, habe ich heftigen Gegenwind erwartet. Aber der hat längst nicht die angekündigte Stärke, so dass wir relativ entspannt die Einsetzstelle in Kappeln erreichen. Der Lotseninsel-Verantwortliche der Schleswiger Werkstätten kommt kurz vorbei, um den Schlüssel zurück zu erhalten. Wir sollen ruhig Werbung dafür machen, dass Wassersportler die Einrichtung nutzen. Das sei hiermit geschehen!


Das Nachdenken darüber, ob und welche Aktivitäten der Verein in der Corona-Krise noch durchführt, hat sich im Verlauf der vergangenen drei Tage komplett von selbst erledigt! Die Welt in die wir zurückkommen, ist eine komplett andere, als die, aus der wir losgefahren sind.