Ich hatte immerhin sechs Anmeldungen, was ganz ordentlich ist für eine Tour ins ausgesetzte Wasser. Aber je näher der Termin rückte, desto mehr bröckelte die ursprüngliche Zahl der Interessenten. Am Morgen des Tages kam noch die letzte Absage wegen Gliederschmerzen. Nun muss man sagen, dass die Windvorhersage auch einigermaßen anspruchsvolle Bedingungen vermuten (will sagen, je nach Befindlichkeit befürchten oder erhoffen) ließ: fünf bis sechs Beaufort aus Süd. Eigentlich war mir das ganz recht, denn bei nahezu Flaute ist die Tour nicht nicht wirklich etwas besonderes. Andererseits verstehe ich auch die Zurückhaltung bei allen, die deswegen zurückgezogen haben, sich nicht ohne Not solchen Bedingungen aussetzen zu wollen.
So bleiben unterm Strich nur zwei wackere Paddler übrig, die mich begleiten wollen: Peter und Lena. Das vereinfacht zum einen die Anreise, weil wir mit einem Auto fahren können, und zum anderen muss ich mir bei den beiden keine Sorgen wegen eventueller Überforderung meiner Mitpaddler machen.
Peters Auto ist nagelneu - und er weiß noch nicht, ob es schlauer ist als er selbst! Aber es kann alle unsere drei Boote auf dem Dach transportieren, was die Unternehmung sehr vereinfacht. Ich bin gestern noch extra nach Bülk geradelt, um mir die Parksituation aus nächster Nähe anzusehen. Der Schlagbaum, der die Zufahrt regulieren soll, liegt im Straßengraben neben seiner Aufhängung - der wird uns also keine Probleme machen. Da wir so früh sind, können wir uns auch aussuchen, wo wir parken und haben keine lange Strecke, um die Boote vom Auto an den Strand zu tragen. Ich löse einen Parkschein für vier Stunden - innerhalb dieser Zeit müssen wir es geschafft haben!Packen fällt praktisch aus, weil wir ja nur kurz hinhechten wollen und ohne Umschweife zurück. Die Vorbesprechung erfordert etwas Phantasie, weil weder die Teilnehmer noch der Fahrtenleiter eine Seekarte dabei haben! Obwohl ich mir gestern Abend extra noch mal den relevanten Ausschnitt der Seekarte ausgedruckt hatte! Aber immerhin haben wir uns ja das Seegebiet bei der Vorbesprechung am vergangenen Mittwoch genau angesehen und alle Optionen diskutiert.
Peter plädiert sehr dafür, dass wir zur Tonne 1 fahren. Das ist die "Kuh", die bei Seegang immer muht und die will er gerne sehen. Die Tonne liegt nach Seekarte (die wir ja nicht dabei haben) etwa in Richtung 58 Grad. Für den Anfang wollen wir dafür 60 Grad steuern. Ich weiß trotz fehlender Referenz, dass das etwas knapp als Vorhalt ist, weil wir ja doch einigen Wind haben. Aber der Wert lässt sich halt super gut auf dem Kompass ablesen, und später können wir immer noch unseren Kurs anpassen. Es zeigt sich auch bald, dass wir kräftig versetzt werden und eine ordentliche Hundekurve beschreiben. Am Ende müssen wir fast 90 Grad steuern, um nicht an der Tonne vorbeigeweht zu werden.Die Wellen hier sind schon erheblich - ich schätze mal so einen halben Meter. Aber sie sind gutmütig und tun nix! Aber sie veranlassen die "Kuh" auch nicht zum Muhen! Wie es aussieht, hat man der Tonne die tongebende Röhre entfernt, so dass sie nur noch stumm im Auf und Ab der Wellen rumdümpelt. Ein nachträglicher Blick in eine aktuelle Seekarte enthüllt auch, dass sie keine Bezeichnung mehr trägt, die auf ein Muhen hindeuten könnte! Schade!
Von der grünen Tonne geht es genau Richtung Norden zur gelben Kabeltonne. Dabei haben wir den Wind exakt von hinten, und er beschert uns einige tolle Surfgelegenheiten. Ich glaube, das hat Lena noch nicht so oft erlebt und sie kann hier sehen, wieviel Spaß solche Bedingungen machen können. Sie hat als Kind das Paddeln quasi mit der Muttermilch eingetrichtert bekommen und verfügt über eine traumwandlerische Bootsbeherrschung. Außerdem ist sie komplett unbekümmert und sieht keinerlei Bedrohung in den Verhältnissen. Irgendwann paddelt sie uns allen davon!Für den Nordkurs war kein Vorhalt notwendig. Als wir uns an der Kabeltonne angekommen zum Leuchtturm wenden, müssen wir aber wieder der Abdrift durch Wind und Strömung Tribut zollen. Ich steuere wieder konstant 60 Grad, was diesmal aber gut ausreicht, um den Versatz zu kompensieren. Der Leuchtturm ist seit dem Sturm von zwei Jahren komplett verwaist und wird von den Lotsen nicht mehr genutzt. Ich rechne damit, dass man ihn so lange verfallen lassen wird, bis eine Reparatur zu teuer wird und man ihn schließlich abreißen wird. Wir stärken uns etwas in seinem Windschatten und machen uns auf den Rückweg.Eigentlich sollte man denken, dass das Navigieren dabei sehr einfach sein sollte: einfach den Leuchtturm Bülk anpeilen und drauf los halten. Das Problem am Leuchtturm Bülk ist aber, dass er so in den ihn umgebenden Bäumen versteckt ist, dass man ihn von See aus gar nicht sieht! Das ist für einen Leuchtturm besonders praktisch! Zum Glück sind die Lichtverhältnisse aber günstig genug, dass man die erste Kabeltonne gut sehen kann. Wir peilen erst sie an, dann die zweite und ab dort sieht man dann auch den durchsichtigen Teil des Leuchtturms Bülk durch die Bäume schimmern.Gegen den Wind ist es etwas mühseliger mit dem Vorankommen. Unsere Geschwindigkeit geht von anfänglichen fünf km/h schließlich auf vier km/h zurück. Ganz zum Schluss lasse ich mein Boot noch mal laufen, damit es auch auf seine Kosten kommt. Nach guten zweieinhalb Stunden sind wir zurück am Strand. Da unser Parkschein noch eine Weile gilt, gehen wir noch in den Kaffee-Pils auf ein Stück Kuchen mit Kakao!
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