Sonntag, 28. September 2025

Schleimünde 2025

Die letzte Zeit war bei mir etwas dicht gepackt mit Inhalten: erst musste ich nach Jersey, dann ins Baltikum. In das Wochenende zwischen den beiden Urlauben hatte ich mit Mühe die Leuchtturm-Tour gezwängt. Und kaum aus Litauen zurück, stand die traditionelle Schleimünde-Tour auf dem Programm. Nicht einmal zum Vorbereitungstreffen habe ich es geschafft! Aber natürlich hat Anja alles super organisiert! Sogar eine Mitfahrgelegenheit für mich und mein Boot, so dass ich mein eigenes Auto gar nicht brauchte.

Wind während der Tour
Die Tour erfreut sich immer sehr großer Beliebtheit. Anja hat das Limit auf 15 Personen gesetzt, weil genau so viele Menschen in unser Gruppenzelt passen - wenn man sie einigermaßen geschickt stapelt! Dieses Limit sorgt manchmal für lange Gesichter, aber erst mit dem Zelt wird die Tour zu dem Gemeinschaftserlebnis, das sie so beliebt und unvergessen macht. Und da wäre es nicht förderlich, wenn überzählige Teilnehmer draußen sitzen müssten. Und da ist es auch etwas ungünstig, dass Anja und Norbert beim Treffen vor der Bootshalle merken, dass sie das Zelt im heimischen Flur vergessen haben! Da ist also nochmal ein kleiner Umweg erforderlich!

Natürlich sind auch hier einige der Angemeldeten verhindert, als der Tag der Wahrheit vor der Tür steht. Und Nils ist sich noch nicht sicher, ob er bei dem angesagten Gegenwind überhaupt mitkommen möchte. Aber es rutschen auch immer noch wieder Leute spontan nach, die dann doch noch mitkommen können. Nils will sich die Situation erst mal vor Ort näher ansehen, bevor er sich entscheidet. Dazu will er nach Olpenitz fahren und einen Blick aufs Meer werfen. Ich sage ihm, dass Olpenitz dafür kein guter Ort ist. Er soll sich die Sache lieber in Sundsacker ansehen, von wo aus er mit Elke sowieso starten will.

Alle anderen starten von Sieseby aus. Die übrigen in Frage kommenden Startorte sind bei der Vorbesprechung verworfen worden, wegen schwieriger Anreisebedingungen aufgrund der momentan prekären Lage bei Brücken und Fähren, und weil sowieso zuviel Gegenwind herrscht für eine noch längere Paddelstrecke. So packen am Ende elf wackere Paddler ihre Siebensachen am Steg von Sieseby in ihre Boote. Zum Glück ist Bernhard mit von der Partie, denn sein großes Boot schreit förmlich danach, das Gruppenzelt zu beherbergen, was seinen Stauraum aber nur unwesentlich ausfüllt. 

Anja ist noch ganz beseelt vom auf Jersey Gelernten und macht ein ausführliches Briefing. Es werden zwei Pausen vereinbart - eine in Sundsacker, wo wir Elke und Nils aufnehmen wollen und eine an der Engstelle hinter Kappeln, wo sich die Schlei nach Osten öffnet und ab wo wir dem Gegenwind ins Auge blicken müssen. 

Um halb zwölf, eine halbe Stunde später als meine Schätzung, stechen wir in See. Wie üblich sind alle hoch motiviert und legen gleich ordentlich los. Ich schließe bald zu Angela auf und verabrede mit ihr, dass wir die jungen Leute einfach lospreschen lassen und wir beide gemütlich hinterher trotteln. Der Weg ist ja klar. Aber das ist nicht kompatibel mit Anjas Anspruch, das auf Jersey Gelernte in der Praxis anzuwenden. Entschlossen stoppt sie die Gruppe und gibt die Devise aus, dass wir als Pulk zusammen fahren und die Langsamsten das Tempo vorgeben. Ein lobenswerter Ansatz, aber nach meiner Erfahrung nicht einfach umzusetzen. Überdies besteht die Gefahr, dass die Langsameren sich im Pulk der Gruppe doch zu mehr Tempo hinreißen lassen, als sie dauerhaft könnten und dann mit fortschreitender Zeit ernsthaftere Probleme auftreten können. Aber bis zur Pause ist es ja nicht weit.

Zusätzlich zu meiner Verschätzung beim Starttermin habe ich auch die Zeit unterschätzt, die wir bis Sundsacker benötigen. So treffen wir also erst eine Dreiviertelstunde später dort ein, als  ich es Elke bei unserer Abfahrt vorhergesagt hatte. Unsere "Verspätung" hat die beiden aber nicht weiter beunruhigt, Ich war mir sicher, dass Nils sich für die Mitfahrt entscheidet, wenn er die Verhältnisse in Sundsacker sieht. Hier ist es leidlich geschützt und es sieht alles sehr harmlos aus. Ab hier fahren wir also mit dreizehn Nasen weiter.

Von hier bis hinter Kappeln ist die Schlei recht schmal und verläuft quasi genau in Nord-Süd-Richtung. Dadurch bieten die Ufer einen recht guten Windschutz und man merkt kaum, dass ein kräftiger Wind weht. Wir sind zügig unterwegs und auch recht dicht beeinander. Das ändert sich aber nach der Pause, die wir wie vereinbart an der Engstelle zelebrieren, wo sich die Schlei final nach Osten öffnet und auf ungeahnte Breite weitet.

Erst Zickzack, dann Begleitung von Nils, dann Kopplung...
Hier bläst uns nun der Wind erbarmungslos ins Gesicht! Die dadurch arg reduzierte Zügigkeit kompensiere ich anfangs, in dem ich einfach in Schlangenlinien hinter der Gruppe hinterherfahre. Hätte Nils gewusst, wie anstrengend es sein kann, nach Schleimünde zu kommen, hätte er vielleicht doch in den Sack gehauen. Bernhard zeigt sich solidarisch und paddelt dicht neben ihm. Nach guten zwanzig Minuten schließe ich zu beiden auf und biete an, dass ich ab nun neben Nils bleiben werde. Sehr zur Freude von Bernhard, der gleich zum vorderen Teil der Gruppe enteilt. Neben der Reduktion der Geschwindigkeit hat die geänderte Windsituation nämlich dazu geführt, dass sich die Gruppe über eine beträchtliche Strecke verteilt. Es ist eben doch nicht so ganz einfach, Gelerntes und eigentlich für richtig Erachtetes auf Dauer in der Praxis auch anzuwenden - insbesondere, wenn es ein seehr langsames Paddeln bedeutet.

Ich schaue immer mal wieder auf meine Super-Duper-GPS-Uhr, um unsere Geschwindigkeit zu checken. Die sinkt leider kontinuierlich ab und fällt zeitweise unter drei Stundenkilometer. Es sind noch gute drei Kilometer bis zu unserem Ziel, und wenn wir noch langsamer werden, kann das eine Weile dauern. Auf der Höhe von Maasholm biete ich Nils an, dass er sich an meinem Bug festhalten kann und ich ihn dann einfach schiebe. Das findet er eigentlich auch ganz angenehm, hat aber den Nachteil, dass unser Verband nicht mehr die eigentlich benötigten Kurs halten kann. Mein nächstes Angebot, ihn mit einer Schleppleine zu unterstützen, wenn er es von sich aus wünscht, kann er nicht wirklich widerstehen. Die Kopplung gestaltet sich etwas holperig, weil die Leinen auf Nils Boot nicht wirklich auf so eine Situation vorbereitet sind - aber auch wenn es uns währenddessen etwas zurück weht: wir bekommen es hin.

Ist es nicht so, dass sich die Geschwindigkeiten von zwei Kajaks addieren, wenn man sie mit einer Leine koppelt? Nils paddelt wacker mit, und zusammen sind wir nun so zügig unterwegs, dass wir fast die gesamte Gruppe einholen - bis auf Anja und Maditha, die ganz vorne fahren. 

Die Öhe hat auf mich immer sofort eine ungemein beruhigende Wirkung - nachdem ich sie nur betrete! Im Segelhafen herrscht überraschend viel Betrieb und auch das Hafenmeisterbüro ist besetzt. Hier gibt es sogar Kaffee und ein paar Kleinigkeiten zum Verzehr zu kaufen - als Ersatz für die nicht in Betrieb befindliche Giftbude. Nachdem wir unsere eigenen Zelte errichtet haben, wird das große Gemeinschaftzelt aufgebaut. Gut, dass wir Anja dabei haben, denn sie ist die einzige, die einen wirklichen Plan dafür hat. Aber wenn gleichzeitig etwa zehn Mann die notwendigen Stangen einschieben und Heringe an den richtigen Positionen in den Boden rammen, steht das Ding im Handumdrehen! Und der wirklich kräftige Wind macht ihm gar nix!

Allerdings ist das Wetter so schön und die Luft so lau, dass wir unseren Nachmittagskaffee draußen an den Holzbänken zu uns nehmen. Ich habe das Gefühl, dass der Herbst zeigen will, dass auch er unglaublich schöne und warme Wochenenden zustande bekommt!

Auch am nächsten Morgen ist es so warm und sonnig, dass wir das Gemeinschaftszelt leer lassen und stattdessen ein paar Holzbank-Tisch-Kombinationen so arrangieren, dass wir mit allen daran frühstücken können. Die Diskussion, wann wir denn fertig für die Rücktour sein wollen - oder müssen - endet mit einem entspannungsfreundlichen elf Uhr!

Zwar hat der Wind gegen gestern erheblich abgenommen, aber er weht immer noch frisch. Hinzu kommt, dass durch den verminderten Winddruck das Wasser nun aus der Schlei hinausströmt - also dem Wind entgegen. Das erzeugt erfrischende Wellen! Statt mich direkt nach rechts Richtung Sieseby zu wenden, fahre ich nach links - dem Vergnügen entgegen. Einige andere wollen auch noch etwas Spaß haben. Die Windstärke beträgt nur noch vier bis fünf Beaufort, was ziemlich mau ist, aber durch die heftige Strömung bauen sich direkt in der Fahrrinne bis einen Meter hohe Wellen auf. Die Segelyachten, die die Schlei verlassen, stampfen wie bockige Broncos. Es macht mir großen Spaß, mit den Wellen zu spielen, und ich fahre bis hinter Tonne 1. Nach der Wende sehe ich, dass mir doch niemand gefolgt ist. Schade, denn auch der Weg zurück ist spritzig und macht Spaß.

Der Heimweg nach Sieseby ist mit dem Wind im Rücken für niemanden ein Problem. Dort stärken wir uns noch durch Kaffee und Kuchen in der Sonne. Wieder einmal haben wir ein sagenhaftes Glück gehabt und ein traumhaftes Wochenende geschenkt bekommen. Vielleicht würde Nils nicht unbedingt "geschenkt" sagen, aber "traumhaft" wird er bestimmt unterschreiben können!

 GPS-Daten

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