Samstag, 8. Januar 2011

"Vom Eise befreit..."?


Zur Sicherheit habe ich heute meinen Dachgepäckträger mitgenommen, denn wenn wir am Steg wieder nicht ins Wasser kommen, wollen wir uns ein Fleckchen suchen, wo wir unsere Boote einsetzen können. Aber ich traue meinen Augen kaum: da ist nicht das geringste Stückchen Eis zu sehen, das unser Vorhaben verhindern könnte. Noch etwas ist kaum zu glauben: die ganze Woche verfolge ich nun schon den Wetterbericht für den heutigen Samstag. Bis zur Zeitung heute morgen waren sich alle einig, dass es zwar warm und erklecklich windig sein würde, dass uns aber auch dunkle Wolken und eine Menge Regen begleiten würden. Uns waren diese Randbedingungen egal, aber die Wirklichkeit straft die Vorhersage eh Lügen: der Himmel ist strahlend blau mit ein paar weißen Wolken, und die Sonne entfaltet eine wärmende Kraft.

Uns steht der Sinn nach ausgiebigem Paddeln, daher fahren wir nicht in die Schwentine, wo wir uns der Wintertour des TSV hätten anschließen können, die in einem geselligen Angrillen kulminieren würde. Statt dessen fahren wir Richtung 30 Grad, wie Norbert es ausdrückt. Er ist etwas später gekommen und würde uns gerne nachher auf der Förde treffen. Ich glaube, dass er "30 Grad nördlicher Breite" meint, aber er korrigiert mich: "Kompasskurs!" Letztlich kommt aber beides auf dasselbe heraus.

Mit dem Wind im Rücken sind wir im Nu bei der Glockentonne, aber es ist uns schon bewußt, dass die Rückfahrt nicht ganz so entspannt vonstatten gehen wird. Die Pause legen wir auf die "gefühlte" Mitte der Tour, die etwa nach einem Drittel der geometrischen Länge der Rücktour erreicht ist. Auf dem Weg gabeln wir Norbert auf, der mit uns zusammen zurück fährt. Am Kurstrand von Möltenort ist der Restschnee zu einer festen Eisdecke zusammengeschmolzen, auf der es so glatt ist, dass man kaum stehen kann. Die Pausenbank an der Promenade zu erreichen, ist daher heute der gefährlichste Teil der Tour.


Einem älteren Ehepaar müssen wir ausführlich erklären, warum es nicht zu kalt ist, bei diesem Wetter mit einem Paddelboot auf der Förde zu fahren. Die Wassertemperatur beträgt knapp ein halbes Grad und ich hatte gleich nach dem Einstetzen meine Hände einmal für zehn Sekunden ins Wasser gehalten. Das kostete schon einige Überwindung, dann nach fünf Sekunden fängt es an weh zu tun und nach zehn Sekunden wird der Schmerz bereits heftig. Aber  mit der intensiven Bewegung und so dick eingepummelt, wie wir sind, war uns am Anfang natürlich wieder viel zu warm. Mittlerweile geht es, denn der Wind bläst uns immerhin mit Stärke fünf ins Gesicht. Es ist schon erstaunlich, dass man am Anfang immer wieder denkt: "Hätte ich doch bloß nicht so viel angezogen!" und gegen Ende: "Gut, dass ich nicht weniger angezogen habe! Sonst hätte ich erbärmlich gefroren!".


Die Stärkung und das Verschnaufen waren notwendig, aber trotzdem fahren die Boote nicht von alleine gegen den Wind. Dreimal müssen wir anhalten und einen ausführlichen Klönschnack mit entgegenkommenden Paddlern halten - das bringt uns auch nicht nach vorne. Aber ich finde es schön, dass das Winterpaddeln auf der Förde im Laufe der Jahre zu einer Selbstverständlichkeit geworden ist. Direkt vor dem Düsternbrooker Hafen löst sich auch das Rätsel mit dem verschwundenen Eis: Es treibt als riesige Scholle mitten im Wasser! Jörg fährt direkt drauf zu und sagt: "Da fahre ich durch!", rudert dann aber ziemlich bald ziemlich kleinlaut zurück. Die Eisscholle ist etwa zehn Zentimeter dick, aber sehr porös und weich. Man kommt mit dem Boot kaum hinauf, würde oben einbrechen, hat keine Möglichkeit, das Eis mit dem Paddel zu durchstechen und Rollen steht außer Frage. Da ist Rückzug schon die einzig vernünftige Option.

Am Steg ziehe ich mir kurz die Neoprenhaube über den Kopf und mache die obligatorische Abschlussrolle. Der größte Effekt davon ist, dass ich jedesmal ungemein beruhigt bin, wie undramatisch das von der Kälte her ist und dass ich problemlos wieder hoch komme. Als ich Jörg später mit dem Auto nach Hause fahre, setzt der für den ganzen Tag vorhergesagte Regen ein.

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