Sonntag, 28. Mai 2023

Entspannen zu Pfingsten

Bei meiner letzten Tour habe ich bedauert, nicht mehr Zeit gehabt zu haben, auf dem Flach am Nordende von Ärö die vielen dort lebenden Vögel zu beobachten. Das muss nachgeholt werden! Das Pfingstwochenende bietet eine geeignete Plattform dafür.

Um ja keinen Stress aufkommen zu lassen, will ich erst Samstag losfahren und bereits am Sonntag wieder zurückkommen. So entgehe ich elegant allen verkehrstechnischen Ballungen der Massen. Außerdem kann ich dann Marie-Theres am Samstag Morgen noch zu Bahnhof bringen, denn sie ist zu einem Mädelswochenende unterwegs. So kann ich quasi en passant mein Boot am Klub aufladen und mich der Entspannung hingeben.

Das erste Problem, dem ich mich stellen muss, ist die Tatsache, dass ich zwar alles Gepäck dabei - aber den Dachgepäckträger vergessen habe😐. So ist ein erster kleiner Umweg über den heimischen Carport fällig, um dieses kleine Missgeschick zu heilen. Als Ausgleich treffe ich am Klub dann jede Menge Vereinskameraden, die das Wochenende ebenfalls zum Paddeln nutzen wollen. Jens und Johanna wollen sogar wie ich von Alsen nach Ärö fahren. Ich gebe ihnen noch einen Tipp, wo sie günstig ihr Auto abstellen können. Das hat den weiteren Vorteil, dass wir uns dann dort treffen und sie mir beim Abladen des Bootes helfen können.

Das zweite Problem besteht darin, dass ich durch die Verzögerung exakt den Moment getroffen habe, zu dem die Stena Line hunderte von klitzekleinen LKW aus ihrem riesengroßen Bauch entlässt, damit sie die Kieler Innenstadt bis zur Autobahn verstopfen. Die Entspannung will noch nicht richtig einsetzen. Aber immerhin kenne ich mich hier aus, so dass ich nicht darauf angewiesen bin, mich ganz hinten in die Schlange einzureihen, sondern sie weitgehend umfahren kann.

Das dritte Problem hängt vermutlich auch mit meiner verspäteten und dann nochmals verzögerten Abfahrt zusammen: Die heutige Welle des Pfingstreiseverkehrs hat sich von Süden her bis vor die Rader Hochbrücke bei Rendsburg gearbeitet. Hätten die nicht alle gestern fahren können? So hole ich Jens und Johanna jedenfalls nicht ein.

Als ich etwa um halb zwölf an dem ausgemachten Parkplatz ankomme, ist von meinem Abladeteam jedenfalls nichts zu sehen. Entweder sind die längst durch, oder sie haben sich doch für eine andere Variante als Startpunkt entschieden. Abladen eines Seekajaks vom Autodach ist solo zum Glück gar nicht so schwer, wie ich es in Erinnerung hatte.

Wind geht eher keiner Und weit ist es zu meinem Ziel auch nicht - mein GPS ruft 11,6km für die reine Querung bis zur Nordspitze von Ärö auf. Das sollte in weniger aus zwei Stunden zu schaffen sein. Tatsächlich ist die Sache nach 1:35h erledigt. Zu meiner eigenen Überraschung bin ich im Schnitt mit 7,8 km/h unterwegs - und das mit vollbeladenem Boot! Das ist natürlich den optimalen Bedingungen geschuldet - Flaute und angenehme Temperaturen. Und vielleicht auch ein bisschen der Tatsache, dass ich weiß, dass ich heute insgesamt nur gut ein Dutzend Kilometer paddeln werde (es waren am Ende 13,4). Da muss man nicht übermäßig auf Nachhaltigkeit achten - ist ja quasi ne Sprintstrecke 😏. 

Am Geschwindigkeitsdiagramm sieht man, dass ich immer eine gute dreiviertel Stunde benötige, um auf Betriebstemperatur zu kommen. Die Steigerung der Geschwindigkeit lag jedenfalls nicht an immer günstiger werdenden Strömungs- und Windbedingungen.

Ich halte ständig Ausschau, ob Jens und Johanna vielleicht doch irgendwo noch zu erblicken sind. Sie könnten von Mommark aus gefahren sein oder von Fynshav. Aber in beide Richtungen ist bis zum Horizont nichts zu sehen.

Mit dem Flach hinter der Nordspitze von Ärö habe ich wie geplant meinen Zielpunkt für heute erreicht - der Rest des Tages ist der Erholung gewidmet. Ich wähle meinen Platz für die Nacht diesmal direkt unter dem Hang zum Golfplatz. Dort hat man potentiell die bessere Aussicht. Allerdings ziehe ich später doch wieder um - hinter den Rosenbusch, weil es dort deutlich weniger Mücken gibt. Es ist nicht wirklich warm - vielleicht 16 Grad - aber es weht kein wirklicher Wind und die Sonne scheint ungetrübt vom Himmel. Daher widme ich mich etwas der Vitamin-D-Produktion, habe aber immer ein Auge darauf, keinen Sonnenbrand zu bekommen. 

Als ich irgendwann aus dem Gras hochkomme, sehe ich Jens und Johanna in einiger Entfernung vorbeifahren - zu weit, um noch Kontakt aufnehmen zu können. Sie sind tatsächlich nach Fynshav gefahren und dort noch einigen Geschäften nachgegangen, wie Geld tauschen und - das andere habe ich vergessen.

Neben der allgemeinen Abschaltung ist mein Hauptauftrag, die Vögel hier zu beobachten. Dafür habe ich extra mein Fernglas und meine Lumix DMC FZ1000 mitgenommen. Ich mache mehrere Erkundungstouren durch das Gelände. Die meisten Vögel positionieren sich leider nicht so, dass beeindruckende Fotos möglich wären. Einige sind auch schlicht zu schnell, dass ich sie einfangen könnte - wie der Baumfalke, der immer mal wieder über mich hinweg fliegt . Es sind Mehl- und Rauchschwalben hier, was ungewöhnlich ist, denn normalerweise trifft man in einem Revier nur auf eine dieser Arten. Ein Seeadler wird penetrant von zwei Silbermöven attackiert, so dass er genervt das Weite sucht. Am Strand spazieren Austernfischer und Strandregenpfeifer herum. Aber auch Rotschenkel sind mit roten Schenkeln und "Tülüüt" am Spülsaum unterwegs. Lerchen gibt es hier viele und natürlich die allgegenwärtigen Mittelsäger, Kormorane und Eiderenten. Letztere führen gerade ihre Brut auf dem Wasser spazieren. Es gibt jede Menge "damned little brownies", die man nur mit noch viel mehr Zeit bestimmen kann. Einen konnte ich immerhin als Rohrammer einordnen. 

(Foto von Wikipedia)
Ich musste 65 Jahre alt werden, um das erste Mal einen Rothalstaucher zu Gesicht zu bekommen. Dabei sind die Dinger gar nicht mal besonders scheu - und hier sind mindestens zwei Paare von ihnen am Start! Da hätte ich eigentlich schon früher mal drauf stoßen können. Aber wie schön, wenn man in so greisem Alter noch Dinge das erste Mal erlebt!

Fischreiher staksen hier durch die Tümpel und durchs flache Wasser am Ufer. Ein keckernder Schilfrohrsänger, quäckende Rothalstaucher, quakende Frösche und ein kuckuckender Kuckuck machen aus der Stille eine entrückte Idylle.

Auf der Rücktour hat mich wieder ein Schwarm Tordalken überholt - etwa sechs bis sieben Stück. Die habe ich noch nie an Land gesehen (okay - bis auf in Wales, wo sie zu Tausenden an den Felsküsten brüten). 

Zwar habe ich auf dem Rückweg eigentlich Gegenwind, aber der hindert mich nicht nennenswert. Ich erreiche den Parkplatz am anderen Ufer früh nach dem Mittag und kann ganz entspannt die Rückreise nach Kiel antreten - ohne irgendwo in den Stau zu geraten. Ich bin so früh dran, dass ich sogar noch meinem Vater in Schleswig einen kurzen Kaffee-Besuch abstatte.

So ein kurzer Abstecher nur zur Entspannung ist mächtig entspannend! Es wird nicht das letzte Mal gewesen sein, dass ich den Vögeln hier auf den Pelz gerückt bin!

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