Nach zweiundzwanzig Anmeldungen schließt Anja die Liste der Anmeldungen. Das ist ein gewaltiges Echo für die schon fast traditionelle Schleimündetour im Oktober. Nun darf man Mitte Oktober nicht unbedingt mit lieblichem Wetter rechnen, und auch der Komfort, mit der die Öhe um diese Jahreszeit aufwarten kann, hält sich in überschaubaren Grenzen. Mit Chance des Schicksals bleibt uns Frost erspart und die Gnade des Betreibervereins gewährt uns Zugang zu lediglich einer Toilette. Da fällt es fast schwer zu glauben, dass wirklich so viele mit von der Partie sein wollen.
Am Mittwoch, als die Vorbesprechung stattfindet, gibt es aber lediglich eine Absage - und die aus einem wirklich zwingenden Grund. Es sind für den Samstag der Hinfahrt satte sechs Beaufort Rückenwind angekündigt und für die Rückfahrt am Tag darauf Gegenwind mit immerhin noch der Stärke fünf bis sechs. Meine zarte Bemerkung, dass wir für die Rückfahrt ggfs. einen Plan B im Köcher haben sollten, wird eher mit der Hoffnung begegnet, dass es ja nicht so schlimm kommen muss.
Messwerte am Lt. Kiel |
Die letzte Feinabstimmung erfolgt am Samstag, als wir uns morgens vor der heimischen Bootshalle treffen. Die Teilnehmerzahl ist mittlerweile auf vierzehn geschrumpft - angekündigter Gegenwind und die für die Jahreszeit allfälligen Infektionskrankheiten zeigen Wirkung. Wir wollen in zwei Gruppen starten mit jeweils sieben Personen. Die eine Gruppe von Sieseby aus und die andere von Lindaunis mit Charlotte ist als achter Paddlerin, die aber nur einen Tagesausflug bis Kappeln machen möchte.
Für die Lindaunis-Gruppe ergibt es sich, dass wir ein Auto übrig haben, das kein Gepäck und keine Boote mitnehmen muss, so dass wir es auf dem Weg unterwegs in Kappeln stehen lassen können. Auf der Rücktour können die Fahrer der anderen PKW damit von hier bis nach Lindaunis gebracht werden. Für die Sieseby-Gruppe hat Sabine einen Freund organisiert, der sie in Arnis abholen und nach Sieseby fahren wird. Was kann bei so perfekter Organisation noch schief gehen?
Das erste, was sich uns in den Weg stellt, ist die neue Höhenbegrenzung des Parkplatzes am Noor der Lindau - da passen wir mit unseren Dachgepäckträgern und den Booten nicht drunter durch! Wahrscheinlich eine Abwehrmaßnahme gegen die Wohnmobilpest, die im Windschatten von Corona entstanden ist. Also müssen wir am Straßenrand parken und erst einmal hier abladen.
Wir starten im Sonnenschein. Hier im Noor ist vom Wind kaum etwas zu spüren, aber die Neulinge, die diese Tour zum ersten Mal machen, müssen noch auf Kurs gebracht werden, weil die Orientierung nicht trivial ist. Wie immer ist die Welt eine komplett andere, nachdem wir das Noor verlassen und nach links unter der Brücke von Lindaunis hindurch wollen. "Unter" ist vielleicht übertrieben, weil die Brücke ja gerade keine Brücke mehr ist und alle Welt, die nach Lindaunis will, nun über Kappeln oder Schleswig fahren muss - die Fähre in Missunde fährt ja auch gerade nicht. Das hat aber keinen Einfluss auf die Strömung, die traditionell zwischen den Brückenpfeilern rauscht. Andreas passiert den Poller in Lee, wird aber fast dagegen gespült, denn zu seiner Überraschung geht die Strömung dort in die Schlei hinein - trotz strammen Westwindes. Der Wind kommt genau aus Westen, die Schlei verläuft von hier bis Arnis genau nach Ost-Nord-Ost, so dass wir prächtigen Rückenwind haben. Das vergleichsweise flache Wasser hier lässt natürlich keine großen Wellen entstehen, aber sie schieben hervorragend! Es macht einen Heidenspaß zu versuchen, ins Gleiten zu kommen. Der Wind erreicht in Böen Stärke sieben und man muss das Paddel durchaus festhalten. Aber die Luft ist warm (vielleicht 15 Grad), das Wasser ist warm (ebenfalls 15 Grad) und wir sind mit technisch versierten Paddlern unterwegs. Doch auch, wenn wir manchmal gefühlt mit 20 Stundenkilometern nach vorne katapultiert werden (in den Spitzen kommen wir auf knapp über 10 km/h), sind wir im Schnitt ungefähr nur mit acht Kilometern pro Stunde unterwegs. Was bombenschnell ist - aber nicht so gewaltig viel mehr als die sieben km/h, mit denen wir ohne Wind unterwegs wären.In Kappeln ist eine Pause fällig. Wir legen uns hinter der Brücke am Nordufer genau zwischen zwei große Ausflugsdamper, die hier festgemacht haben. Hier kramen wir alle unsere Stullen hervor und stärken uns. Jörg will die Kapuze von seiner Paddeljacke aufziehen, denn da zieht eine dunkle Front heran, die Regen im Köcher hat. Nur wenige Sekunden später fegt eine Regenböe zwischen den Dampfern hindurch und rüttelt uns gründlich durch. Jörg, der immer noch mit seiner Kapuze rummacht und deshalb seine Hände nicht am Paddel hat, schwimmt plötzlich kieloben in der Schlei! Wie wir später erfahren werden, hat es auch einen aus der anderen Gruppe, die zum selben Zeitpunkt bereits kurz vor Schleimünde ist, umgeweht. Er hatte das Glück, dass das Wasser dort so flach war, dass er einfach wieder einsteigen konnte.Unser GPS-Track von diesem Moment zeigt sehr schön, dass die Böe von Westen her ungehindert durch die Straßenschlucht fegen, zwischen den beiden Dampfern hindurchschlüpfen und uns Richtung Osten versetzen konnte.Charlotte verlässt uns hier und wird später vom Wanderwart des TSV Klausdorf abgeholt werden. Ich frage mich, ob dieser Service in seinem Verein zu den satzungsmäßigen Aufgaben des Wanderwartes gehört. Darüber sollte man bei uns auch mal nachdenken!
Als sich die Schlei vor Maasholm wieder nach Osten wendet und sich weitet, haben wir Wind und Wellen genau von hinten. Hier können wir die Bedingungen noch einmal nach Herzenslust genießen. Wir fahren, so weit das möglich ist, mitten im Fahrwasser. Hier ist das Wasser am tiefsten und daher die Wellen am größten. Am Anleger vor der Giftbude lauert ein Ausflugsschiff, dass unbedingt ablegen muss, als wir in den Hafen biegen wollen. Wir fahren nun fast alle deutlich nördlich des Fahrwassers, nur Peter steuert die Einfahrt südlicher an. Da ist jede Menge Platz, aber der Käptn will wohl auf Nummer sicher gehen und gibt ein etwas nervös wirkendes Schallsignal.Auf der Schlei war der Wind etwas weniger |
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