Sonntag, 29. April 2012

Wilder Ritt im Wind

Gegenüber der Tirpitzmole steige ich kurz vom Fahrrad, um ein Foto von der Förde zu machen. Sie ist mit weißen Schaumkronen bedeckt.Der Wind hat netto eine knapp schiebende Wirkung auf mein Fahrrad. Das heißt dass wir im Boot erst einmal gegen ihn ankämpfen müssen. Am Steg treffe ich auf Peter, der zufällig heute auch aufs Wasser will. Während unseres kurzen Klönschnacks weht sein Boot fast vom Steg, so dass er es nicht wirklich loslassen kann. Wir wollen uns später auf dem Wasser treffen.

Wir tragen unsere Boote diesmal nicht einzeln nach unten sondern beide gleichzeitig, denn sonst müssten wir dem zurückgelassenen hinterher schwimmen. Das Einsetzen und Einsteigen ist ein bisschen ein Problem, denn sobald man das Boot loslässt, ist es im Nu entschwunden. Auch das Schließen der Spritzdecke verlangt Konzentration und kühles Blut. Der Wind kommt aus Ostnordost und treibt mit seinen sieben Stärken erstaunlich große Wellen gegen die Kaimauer hinter uns, die sie trotzig zurück wirft. Dadurch schwabbelt unsere Umgebung recht heftig, und nur wenn man dem mit einer gewissen Lockerheit begegnet, kann man darin auch locker bleiben.

Ich lasse mein GPS-Gerät mitlaufen und wir nähern uns dem anderen Ufer mit der moderaten Geschwindigkeit von vier bis fünf Stundenkilometern. Immerhin! Das ist nicht von schlechten Eltern hier und wir wollen keine Rekorde aufstellen sondern möglichst ausgiebig Spaß haben. Um wirklich in den Windschutz der Uferbebauung zu gelangen, muss man tatsächlich extrem dicht an sie heran fahren. Bis Kitzeberg gelingt uns das ganz gut, wir schlängeln uns sogar mitten durch den Segelhafen von Mönkeberg, wo es tatsächlich vollkommen windstill ist. Aber an der Landspitze vor der Heikendorfer Bucht ist Schluss mit Windschutz und wenn wir noch weiter wollen, müssen wir uns den Weg selbst erarbeiten. Jörg und ich wollen weiter - Peter läuft die Zeit leer und er kehrt um.

Die Heikendorfer Bucht liegt vor uns. Das wird windig!
Wenn man darauf achtet, nicht in den Bereich der Anstrengung zu kommen, sondern einfach die Geschwindigkeit einen guten Mann sein lässt und immer schön nur soviel Leistung aufbringt, wie man dauerhaft zu liefern imstande ist, kommt man erstaunlich gut gegen einen siebener Wind an. Und man muss durchaus auf die Böen achten. Die wollen eigentlich nur spielen, aber ihr Spiel, das Paddelblatt unvermittelt anzulupfen, kann leicht damit enden, dass man nass wird.

Ich sage Jörg noch, dass - sollte er heute zum Leuchtturm fahren wollen - er die Strecke ab Möltenort ohne mich zurücklegen muss. Aber auch für ihn soll heute hier gut sein und wir laufen den südlichen Strand zu einer gemütlichen Pause in der Sonne an. Die eine erste Schwalbe, die ich am vergangenen Mittwoch gesichtet hatte, hat sich Verstärkung geholt, damit sie nun endlich "Sommer" machen können. Man merkt, dass sie dabei bereits einigen Erfolg gehabt haben, denn die Sonne wärmt schon deutlich mehr als während vergangener Pausen.

Pause in Lee.
Hier am windgeschützten Ostufer sitzend kann man sich kaum vorstellen, dass es da draußen immer noch so heftig wehen soll. Aber nachdem wir uns wenige hundert Meter vom Strand entfernt haben und das GPS nicht selten zweistellige Geschwindigkeitswerte anzeigt, wissen wir, dass der Wind nicht nachgelassen hat. Man muss nicht viel tun, zumindest nicht, um vorwärts zu kommen, und doch ist es anstrengend - auf eine ganz andere Weise anstrengend. Immer will man den Surf auf dieser Welle noch mitnehmen und dafür muss man reinhauen - und dann hat es einen total aus der Richtung verdreht und man muss das Boot wieder zurückzwingen - irgendwie anstrengend. Aber es macht Spaß!

Als wir schließlich dichter ans Westufer kommen, von dem die Wellen reflektiert werden, befinden wir uns in einem herrlichen Wellenchaos, das so richtig nach unserem Geschmack ist. Es erfordert hohe Aufmerksamkeit, denn man kann die Wellen nicht vorausahnen und muss sich vorsehen, nicht in ein Loch zu stützen. Aber man bekommt total warme Beine, weil man unheimlich mit dem Unterkörper am Arbeiten ist und es macht einfach einen Heidenspaß über dieses nasse Kopfsteinplaster zu hubbeln!

Den Steg zu fassen zu bekommen und sich aus dem Boot auf die Bohlen zu befördern, ist nicht ganz einfach und es gelingt uns nicht in der Eleganz, die man sonst von uns gewohnt ist - aber geschenkt! Wir steigen zutiefst zufrieden aus den Booten, genehmigen uns die obligate Dusche und lassen uns zu einem entspannenden Kaffee im Pennekamp nieder. Der einzige dort freie Tisch steht nicht ganz im Windschutz, so dass die Sahne, die wir bestellt hatten, eigentlich vom Nachbartisch hätte bezahlt werden müssen - dort ist sie nämlich gelandet, nachdem eine heftige Böe durch unsere Tassen gefegt ist.

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