Sonntag, 1. April 2012

Mast- und Schotbruch

Der Frühling hatte schon mal vorbeigeschaut - sich aber wieder hinter die Alpen zurückgezogen. Die letzten Tage war es schneidend kalt und ein scharfer Wind blies. Gestern war die Förde noch weiß von Schaumkronen, heute sieht sie zwar etwas versöhnlicher aus, aber nicht wirklich lieblich. Neben Jörg, der zu einer Fahrt aufgerufen hatte, haben sich auch noch Sabine und Arne eingefunden. Eike, Richard und Britta wollen auf die Eider gehen und dort im Geschützten Paddeln.

Gleich nach dem Start macht Arne das Klödern seines Bootes nervös. Er weiß keine Ursache, aber Jörg hat gesehen, dass sein Nico-Signalgerät einsam in der hinteren Luke liegt und nun Gefahr läuft, im Dunkeln seekrank zu werden. Ich bin heute das erste Mal nach der langwierigen Reparatur wieder mit meinem richtigen Boot unterwegs und fühle mich gleich wohl darin.

Wir sind noch nicht weit gekommen, haben kaum das Fahrwasser gequert, da fällt uns ein Segler auf, der bewegungslos in der Fahrrinne dümpelt. Das sieht nicht normal aus und wir verständigen uns hinzufahren. Es ist die "Jeanette", eine wunderschöne Segelyacht, die zwanzig Jahre nicht mehr auf dem Wasser war und deren Holzmast nun aus drei Teilen besteht, die reichlich unkoordiniert kreuz und quer auf dem Schiff rumliegen. Das Großsegel ragt nur noch ein kleines Stück aus dem Wasser, der Rest befindet sich unter dem Boot. Der Mast ist mitten unterm Segeln vom Winddruck gebrochen, ohne dass eine besonders starke Böe auszumachen gewesen wäre. Wir bieten Hilfe an - immerhin haben wir zwei Ärzte dabei - sind uns aber darüber bewusst, dass wir wohl nicht viel machen können. Es ist niemand verletzt, ein Handy hat die Besatzung selbst und ein Notruf ist bereits abgesetzt. So ziehen wir weiter, vorbei an teils recht großen Bruchstücken des Mastes, die in hundert Metern hinter der Yacht herschwimmen. Eigentlich kann der Eigner von Glück sagen, dass ihm das Malheur hier in unmittelbarer Hafennähe passiert ist und nicht irgendwo draußen auf dem Weg nach Ärö.

Vor zehn Tagen beim Mittwochspaddeln herrschte absolute Flaute. Alles war ruhig, kein Verkehr auf dem Wasser und die Stimmung heimelig. Obwohl ich es sonst langweilig finde, wenn das Wasser so absolut plan daliegt, war ich ganz fasziniert. Aber heute ist es lebhafter und ich bin froh, dass mal wieder Wellen gehen, mit denen ich spielen kann - insbesondere, da ich heute in meinem "Sorglos"-Boot sitze. Wir fahren fast auf dem Tonnenstrich, trotzdem sind die Reflexionswellen vom Ölberg deutlich zu spüren. Der Wind bläst mit vier bis fünf Beaufort genau aus West.

Da der Seegang und das ständige Rollen des Kajaks sehr am vegetativen Nervensystem von Arnes Nico-Signalgerät nagen, hat er irgendwann Mitleid und bittet Jörg, es aus seinem dunklen Gefängnis zu befreien, damit es vorne mitfahren und sehen kann, wohin die Reise geht. Sabine und ich fahren langsam weiter. Als wir uns nach einer Weile umblicken, sind die beiden überraschend weit zurückgefallen - deutlich weiter als für die Bergung eines maladen Signalgerätes üblich wäre. Der Rest geht auf einen kleinen Faux-Pas Arnes zurück: Bei der Bergungsaktion hat er sein Paddel beiseite gelegt, um beide Hände frei zu haben. Als er es zur Weiterfahrt greifen wollte, war es nicht mehr da! Entsprechend seiner Gewohnheit und gutem Seemannsbrauch, die gebieten, es immer anzubinden, hat er es in diesem festen Glauben einfach beiseite gelegt. Heute haben Gewohnheit und Seemannsbrauch Urlaub. Ohne Paddel ist man doch deutlich langsamer und so macht Jörg sich auf, ein schwarzes Paddel im schwarzen Wasser der Förde zu suchen. Er hat Glück und findet eines, mit dem Arne gut zurecht kommt.

An Tonne 10 halten wir etwas unschlüssig an und bereden, ob wir noch weiter fahren wollen. Jörg hatte gemeint, Tonne 10 sei genuch, aber es besteht durchaus noch Drang nach mehr. Schließlich schlage ich vor, hier umzukehren und die Glockentonne heute Glockentonne sein zu lassen.

Die Pause am Kurstrand von Möltenort fällt kurz aus, weil wir nicht zu sehr auskühlen wollen. Der Wind hat inzwischen deutlich aufgefrischt und bläst uns mit einer konstanten oberen fünf ins Gesicht. Die Böen erreichen Windstärke sieben. Es herrscht dichter Berufsverkehr auf der Förde, auch die Dampfer der Schlepp- und Fährgesellschaft fahren sein ein paar Tagen wieder nach dem Sommerfahrplan und sind damit verstärkt auf dem Wasser. Bei dem Wind merkt man kaum ihre Bug- und Heckwellen, weil sie einfach ins allgemeine Chaos untergerührt werden. Die Querung südlich der Tonne 16 wird lang und anstrengend. So recht will sich keine Landabdeckung einstellen, aber wir genießen das kurze Stück relativen Rückenwind von der Höhe des Maritim-Hotels genau bis zur Ecke des Millionenbeckens. Ab hier herrscht unabhängig von der großpolitischen Windrichtung auf den letzten fünfhundert Metern grundsätzlich Gegenwind! Das zehrt!

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