Sonntag, 18. Mai 2014

Leuchtturm im Nebel

Meine Testtour zum roten Leuchtturm stand noch immer aus und heute sollte optimales Wetter dafür herrschen: Trocken, sonnig und kaum Wind aus nördlicher Richtung. Diese Chance wollte ich mir nicht entgehen lassen.

Als ich gegen halb zehn Uhr morgens mein Boot ans Wasser rollere, ist die Sicht leicht diesig - wie so häufig früh morgens, wenn ein sonniger Tag bevorsteht. Ich habe alle unbedeckten Hautpartien dick mit Sonnenschutz gesättigt, damit Marie-Theres keinen Grund zum Tadel hat. Die MSC Orchestra läuft in die Förde ein und tut mir den Gefallen, genau vor unserem Steg ihr Wendemanöver zu vollführen. Eine einmalige Gelegenheit, einem so großen Schiff genau Aug in Aug gegenüber zu stehen und es dabei zu fotographieren. Der Kapitän war wohl etwas ittitiert, dass ich so dicht vor seinem Bug auftauchte, und ich muss mir daraufhin eine Ermahnung der Wasserschutzpolizei anhören. Ich hätte im Leben nicht damit geerechnet, dass der Kreuzfahrer überhaupt Notiz von mir nimmt.

Ich bin recht warm angezogen mit Flies und Paddeljacke, denn momentan ist es noch recht frisch. Aber ich bin überzeugt, dass ich im Laufe der Tour das eine oder andere Kleidungsstück werde ablegen müssen. Die Sicht auf der Förde ist ziemlich zweigeteilt, die linke Seite liegt in strahlendem Sonnenschein und unter blauem Himmel, die rechte dagegen eingehüllt in dichten Dunst. Aber die Sonne ist bereits dabei, die Schwaden aufzulösen. Als ich Mönkeberg passiere, ist kaum noch Nebel zu sehen. Dafür herrscht eine emsige Betriebsamkeit auf dem Wasser: Aus den Kanalschleusen quellen unentwegt und in dichter Folge dicke Frachter. Das muss noch lichter werden, wenn ich eine Chance haben will, die Fahrwasserseite zu wechseln. Ich wundere mich etwas, dass ich den Friedrichsorter Leuchtturm noch nicht sehen kann, aber bis dahin ist es ja noch ein Weilchen. Als ich aber sehe, dass etwas auf Höhe von Möltenort die Frachter einer nach dem anderen von jetzt auf gleich vom Nebel verschluckt werden, dämmert mir, dass ich unmöglich dort an der eigentlich günstigsten weil engsten Stelle das Fahrwasser wechseln kann. Ich entschließe mich also, bereits kurz hinter der Tonne 14 die Seite zu wechseln, solange ich mich noch einigermaßen im sichtigen Bereich aufhalte.

Bald wird der Nebel dicker und ich muss mein GPS vom Vordeck auf die Spritzdecke holen, damit
ich sehen kann, wo die Tonnen des Sperrgebietes vor MAK liegen. Allerdings herrscht um mich herum ein derartiges Gehupe aller möglichen Pötte und der Fördedampfer fährt auch genau hier entlang, so dass ich am Ende doch diagonal durch das Sperrgebiet fahre. Hinter dem Leuchtturm nutze ich die weißen Bälle, die das Badegebiet von Falkenstein nach außen begrenzen, als Leitlinie. Ich muss ja noch am Anleger vorbei, und hier herrscht mittlerweile eine so dichte Suppe, dass die Dampfer es auch bei einem Vollbremsversuch schwerlich schaffen würden, mir auszuweichen. Und genau als ich am Steg ankomme, verlässt auch ein Fördedampfer den Anleger, um einem weiteren, der anlegen will, Platz zu machen. Ich fahre einfach unter dem Steg hindurch und gehe so allen Kollisionsangeboten aus dem Weg.

Ich kann auf keinen Fall in gerader Linie über die Strander Bucht fahren, denn auch hier fahren die Linienschiffe heraus und hinein. Also hangele ich mich weiter an den Bällen entlang, und als die aufhören nutze ich das Ufer selbst als Geländer. Meine Entfernung zum Strand beträgt weniger als fünfzig Meter, aber ich kann die Spaziergängerin dort kaum erkennen. Da ich schon deutlich über eine Stunde unterwegs bin, lege ich meine erste Pause sein, in der ich die dicke Stulle verdrücke, die ich mir unter die Schwimmweste gesteckt habe.

Mittlerweile hege ich arge Zweifel, ob mein Unternehmen, zum Leuchtturm zu fahren, heute überhaupt durchzuführen ist. Als ich nach der Pause nur wenige Meter gepaddeln bin, reißt die Sicht urplötzlich auf, so dass man Schilksee und Strande ohne Probleme sehen kann. Na also - es geht doch! Mit dem Aufreißen der Sicht setzt auch ein deutlicher Wind ein. Er kommt genau aus Norden und nach meiner Überzeugung hat der Nebel damit noch weniger Chancen, sich zu halten. Leider klemmt aber über der Bülker Landspitze penetrant eine Nebelbank, die weder durch Sonne noch durch Wind beeindruckt von ihrer Existenz lässt.

Aber die Aussichten sind gut und wenn der rote Leuchtturm auch noch nicht zu sehen ist, die Sicht beträgt meiner Einschätzung nach mehr als ein Kilometer, unterhalb dessen man überhaupt erst von Nebel spricht. Zum einen kenne ich den Kurs und zum anderen bin ich mit GPS-Gerät bewaffnet, in das ich die erste Kabeltonne als nächsten Wegpunkt einprogrammiere. Der Kurs ist 30 Grad und leicht zu halten, und als ich die Tonne erstmals sehe, sagt mir mein elektronischer Helfer, dass sie noch neunhundert Meter entfernt ist. Okay, mit gutem Willen ist das ein Kilometer Sicht und damit kein Nebel: Auf zu nächsten Kabeltonne! Der Kurs ist jetzt leicht östlicher und nicht mehr ganz so einfach auf dem Kompass abzulesen. Eigentlich empfinde ich die Sicht als ganz passabel, aber bei neunhundert Metern Entfernung ist immer noch keine Tonne zu sehen und bei sechs hundert Metern auch nicht. Bei dreihundert Metern ist nullkommanichts zu sehen und bei zweihundert Metern dasselbe milchig-weiße Nichts. Ich komme langsam ins Grübeln, als bei 180 Metern vor mir schüchtern eine gelbliche Tonne schemenhaft durch den dichten Nebel lugt. Meine Entscheidung steht fest: hier werde ich umdrehen!

Zwar wäre es absolut kein Problem, den Leuchtturm zu finden, aber wenn die Losten mich entdecken, würden sie die Wasserschutzpolizei rufen und ich hätte jede Menge Stress. Das muss nicht sein. Während der Rücktour wechselt die Sicht immer wieder zwischen schlecht und nicht vorhanden hin und her, so dass ich manchmal Schiffe sehe, die mehrere hundert Meter entfernt vorbei fahren, nur um sich dann gleich wieder im milchigen Weiß aufzulösen. Irgendwo im Off tuckert der Rettungskreuzer der DGzRS an mir vorbei. Bei Bülk angekommen muss ich erkennen, dass die Sache mit dem Auflösten des Nebels nicht eingetreten ist: Der Leuchtturm ist erst aus weniger als zweihundert Metern zu erkennen. Witzigerweise ist aber die Strander Bucht wie schon auf der Herfahrt so gut wie nebelfrei. Nur das andere Ufer ist nicht zu sehen. In Laboe ragt nur die Spitze des Marineehrenmals aus dem dichten Nebel.

Der Nordwind weht beständig uns schiebt mich geduldig nach Hause. Ich paddele nachhaltig, ohne besonders auf die Geschwindigkeit zu achten, aber mit ständigem Druck. Durch meine vorzeitige Wende habe ich nur 41 Kilometer auf der Uhr, als ich am heimischen Steg anschlage.Aber mein Vorhaben bestand nicht eigentlich darin, zum roten Leuchtturm zu fahren, sondern eine lange Zeit im Boot zu sitzen und eine weite Strecke in nachhaltiger Weise zu paddeln. Wenn ich mir die Trackaufzeichnung des GPS ansehe, ist mir das voll gelungen: Ich war knappe fünf einhalb Stunden unterwegs, habe nur eine richtige, nicht einmal zehnminütige Pause gebraucht, und mein Tempo hat über die gesamte Zeit nicht nachgelassen. Dass es auf der Rücktour sogar über dem der Hintour lag, schreibe ich dem leichten Nordwind zu. Ach ja: ich habe kein einziges Kleidungsstück abgelegt! Die meiste Zeit habe ich mich halt doch im Nebel aufgehalten und auch in der Sonne war es dann doch noch nicht so warm wie erwartet. Besonders bemerkenswert ist noch der Umstand, dass ich nach der Tour nicht malad darnieder lag, sondern durchaus noch für das folgende familiäre Grillen, Brotbacken und Chillen zu gebrauchen war.

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