Sonntag, 23. November 2014

Kleiner Belt mit großen Wellen (3/3)

Es hat noch lange geregnet in der Nacht - und mein Zelt hat keinen Tropfen durchgelassen! Die erste Version meines Zeltes muss tatsächlich ein Montagsexemplar gewesen sein! Irgendwann hat der Regen dann aber doch aufgehört - der Wind jedoch nicht. So sind unsere Zelte leidlich trocken, als wir sie verlassen. Jörg hatte gestern noch einmal sein Smartphone zu Rate gezogen und nach der Wettervorhersage für heute gesehen. Da soll ab 11 Uhr die Sonne scheinen! Also schön langsam machen, dann haben wir eine herrliche Überfahrt.

Das mit dem langsam machen bereitet aber insofern Probleme, als dass wir gestern verhältnismäßig früh in die Federn verschwunden sind und es uns nach zehn Stunden nicht mehr auf unseren Isomatten hält. So fangen wir also schon im Dunkeln noch vor Sonnenaufgang mit dem Frühstück an. Irgendwie schaffen wir es dann aber doch, unsere Vorbereitungen so sehr in die Länge zu ziehen, dass wir die günstige Gelegenheit verpassen. Denn leider erweist sich die Sache mit dem angekündigten Sonnenschein als Flop: Just als wir unsere Zelte abbauen wollen, fängt es an zu regnen. Es hätte so schön sein können, die Zelte trocken einzupacken!

Bevor wir die gastliche Hütte verlassen, müssen wir sie noch wieder so herrichten, wie wir sie vorgefunden haben. Nach unserer Aktion sind die Bänke und Tische darin deutlich sorgfältiger angeordnet als vorher. Wir hoffen, dass man sich daran für die Zukunft ein Beispiel nimmt.

Die Sicht ist etwas diesig, man kann Alsen zwar im Dunst erahnen, unser Ziel Fynhav aber nicht erkennen. Der Kurs für den Herweg betrug etwa 60 Grad. Also müsste er für den Rückweg bei etwa 240 liegen. Da wir ziemlich südliche Winde haben, schlage ich 210 Grad als erste Näherung vor. Damit machen wir uns auf den Weg. Der Wind ist zwar etwas schwächer als er gestern war, aber die Wellen in Strandnähe sind trotzdem genau so groß.

Durch unseren sehr südlichen Kurs haben wir den Wind viel stärker von vorne als auf unserer gestrigen Tour von Avernakö hier herüber. Auch wenn der Wind recht stramm geht, bereitet es uns keine nennenswerten Probleme. Bereits nach einer viertel Stunde lässt er überraschend etwas nach, wodurch sich unsere Geschwindigkeit merklich erhöht,w as sich in der "roteren" Spur auf dem Bild bemerkbar macht. Ziemlich genau in der Mitte des Beltes nehmen Wind und Wellenhöhe aber wieder deutlich zu, so dass wir wieder entsprechend gebremst werden. Mit der variierenden Geschwindigkeit passen wir auch unseren Vorhaltewinkel etwas an. Wir können unser Ziel erst sehr spät verlässlich erkennen aber die geschätzten 210 Grad waren schon ein optimal gewählter Wert.


Das Ansteigen der Wellenhöhe geschieht übrigens ungemein abrupt. Ohne dass wir uns versehen, stecken wir plötzlich mitten zwischen ein bis anderthalb Meter hohen Wasserbergen. Eigentlich tun die Wellen einem nichts, aber man muss sich dessen schon von innen her sicher sein, sonst fühlt man sich hier nicht wohl. Es ist ein gutes Gefühl, mit Partnern unterwegs zu sein, von denen ich weiß, dass sie sich hier auch wohl fühlen - machmal vielleicht sogar etwas zu wohl!

Als wir in den Segelhafen einlaufen, gibt Trenk uns noch eine kleine Kostprobe seiner Kunst: nach einer eleganten Rolle stellt er sich in seinem Cockpit auf, fährt bis zum Slip und steigt elegant aus seinem Boot aus - während ich wie ein nasser Sack am Steg hänge und versuche, mich an Land zu wuchten! Warte nur, ich werde das auch üben - und dann sieht Trenk irgendwann ganz alt aus!

Samstag, 22. November 2014

Wieder nicht nach Helnäs! (2/3)

Die Nacht war vor allem feucht. Es hat zwar nicht geregnet, aber die Luftfeuchtigkeit war nahe am Anschlag, so dass mein Schlafsack außen regelrecht nass war. Zum Glück ist erheblich Wind aufgekommen, der wenigstens einen Teil der Feuchtigkeit aus dem Zelt geweht hat. Da der Himmel heute klarer ist und so gegen acht Uhr auch endlich die Sonne aufgeht, trocknet mein Daunensack aber wieder problemlos an der Luft. Beim Frühstück in der Hütte muss ich feststellen, dass irgendwelches Getier sich durch meinen Brotbeutel genagt und an seinem Inhalt gütlich getan hat. Das war eine ärgerliche Unachtsamkeit von mir.

Schon unsere Tour im vergangenen Jahr hatte nur das eine erklärte Ziel gehabt, die Helnäs-Bucht zu erkunden und den dortigen Übernachtungsplatz zu besichtigen. Schon damals hat uns der Wind durch die Pläne geblasen und uns etwas anderes diktiert. Dieses Jahr wollten wir die Erkundung nachholen - aber die Umstände sind abermals nicht mit uns. Es sollen durchgehend südöstliche Winde im oberen Bereich von fünf Beaufort herrschen. Das würde eine gemütliche Hinfahrt bedeuten - aber die Arme auf der Rücktour lang werden lassen. Ich bin ein großer Fan von Rückenwind auf der Heimtour, und zusammen mit Jörg können wir uns gegen den Rest der Gruppe durchsetzen, dass wir lieber nördlich um Lyö und Avernakö herum fahren und dann auf der Südseite der Inseln zurückrauschen.

Im kleinen Plastikhafen stehen ordentliche Wellen und als ich entgegen meiner Gewohnheit heute rückwärts mit dem Boot in See steche, steht mir am Ende das Wasser in meinem Cockpit bis zu den Hüften. Was für ein Glück, dass ich eine Schenkelpumpe habe, so dass ich nicht wieder an Land muss, sondern die ungeliebte Flüssigkeit en passant an ihren eigentlichen Bestimmungsort befördern kann. Ich bin einigermaßen überrascht über die Höhe der Wellen, denn an diesem Teil des Strandes befinden wir uns eigentlich noch im Windschutz.

Bis zur Nordspitze von Lyö lassen wir uns von Wind und Wellen schieben. Plötzlich meine ich so etwas wie einen Schweinswal in unmittelbarer Strandnähe auftauchen zu sehen. Als ich genauer hinsehe, kann ich an der Stelle nur zwei schwarze ballartige Erscheinungen sehen. Vermutlich war es nur irgendeine Ente, die kopfüber abgetaucht ist und so den Eindruck eines Walrückens hervorgerufen hat. Nach einiger Zeit erkenne ich aber einen Tauchrucksack, der über die Wasseroberfläche wandert und dann schließlich auch die beiden dazu gehörigen Taucher. Was um alles in der Welt veranlasst einen, Ende November bei fiesem Wind in der aufgerührten, kalten Ostsee rumzutauchen? Was gibt es doch für verrückte Menschen auf der Welt!

Die Strecke zwischen dem Ende von Lyö und dem Anfang von Avernakö beträgt etwa sieben Kilometer. Kein wirkliches Problem eigentlich - wenn da nicht der genau gegenan stehende Wind wäre. Es sind die vorhergesagten acht bis zehn Meter pro Sekunde - also fünf bis sechs Beaufort. Die Wellen laufen nicht besonders hoch auf, dazu ist hier das Wasser noch zu flach. Während wir uns verbissen nach Osten kämpfen, begegnet uns erst ein Marineschiff, dann wankt ein Segelschiff vorbei, dessen Besatzung respektvoll grüßt. Schließlich kommt das Marineschiff wieder von hinten auf und nach einiger Zeit nähert sich ein Schnellboot, das offensichtlich dazu gehört. Es kommt so dicht heran, dass es unzweifelhaft ist, dass sie das unsretwegen tun. Vermutlich denken sie, was es doch für verrückte Menschen auf der Welt gibt. Die Mannschaft will mit uns Kontakt aufnehmen - allein bei dem herrschenden Wind können wir nicht einmal feststellen, ob sie dänisch, deutsch oder vielleicht englisch sprechen. Da wir annehmen, dass sie sich lediglich überzeugen wollen, ob wir OK sind, halten wir einfach unsere Daumen nach oben. Man legt den Hebel auf den Tisch und überlässt es uns, wie wir mit der mächtigen Heckwelle zurecht kommen. Ich nutze die Gelegenheit, mal wieder ein Foto zu machen und werde für die kleine Zeit des Nichtpaddelns damit bestraft, dass ich fast auf eine grüne Kardinaltonne getrieben werde und heftig rudern muss, um sie unfallfrei zu passieren.

Unsere Geschwindigkeit ist nicht gerade rekordverdächtig. Auf der Gegenwindstrecke sind wir mit nur knapp über vier Stundenkilometern unterwegs. Das soll nicht heißen, dass wir gemütlich gefahren wären! Jörg gesteht uns nachher, dass er am Ostende von Lyö überlegt hat, ob er uns alleine weiterfahren lassen soll, hat dann aber doch die Zähne zusammen gebissen und selbige dem Wind gezeigt. Auf Avernakö kommen wir rechtschaffen erledigt im Fährhafen an. Dort setzen wir uns in das Wartehäuschen, das tatsächlich sogar ein bisschen geheizt ist und überlegen, wie wir den Tag weiter gestalten. Teile der Gruppe wollen die Umrundung von Averakö zumindest noch ein klein wenig weiter treiben. Jörg und ich tendieren eher dazu, den lieben Gott einen guten Mann sein zu lassen und direkt den Rückweg anzutreten. So machen wir es dann auch.

Während Jörg und ich eine beeindruckend gerade Spur mit unserem Rückweg durch das Wasser ziehen, stattet Trenk quasi als Ausgleich für die entgangene Umrundung Avernakös noch einer gelb-schwarzen Kardinaltonne einen Besuch ab. Dadurch ist er erst nur ein paar hundert Meter von uns entfernt, dann fünfhundert, schließlich über tausend. Irgendwann können wir ihn nicht mehr sehen. Wenn jemand hier problemlos alleine paddeln kann, dann ist es Trenk - aber ein beklemmendes Gefühl haben wir schon.

Zurück an der Hütte müssen wir feststellen, dass sie für östliche Winde und Regen, der inzwischen eingesetzt hat, nicht konstruiert ist. Durch die freie Türöffnung dringt der Regen direkt auf unsere Sitzbänke. Da muss Abhilfe her. Zum Glück liegt ja allerhand Kram in der Gegend rum, mit dem sich einiges anstellen lässt. So sind bald eine kräftige Plane und die benötigten Bändsel gefunden, mittels derer wir eine 1a-Abdichtung konstruieren. Auch im Inneren sortieren wir noch einmal etwas um, so dass mehr Gemütlichkeit aufkommen kann. Jörg hat wieder Kakao mit Schnaps dabei. Diesmal statt Kirschwasser Marillenlikör - dafür aber ohne Kakao!

Die Krux bei einer Wintertour ist, dass es um kurz nach vier dunkel wird. Da bleibt noch ziemlich reichlich Zeit zum Vertreiben, bis man sich in den Schlafsack verkriechen kann. Die Option mit dem Spaziergang über die Insel fällt leider aus, da es in Strömen regnet. Also verlegen wir uns auf Kochen, Essen, Schnacken und auf die Uhr gucken. Zwischendurch kommt uns hin und wieder der kleine Mitesser besuchen, der sich gestern an meinem Brot dick und rund gefressen hat.

Freitag, 21. November 2014

Meeresleuchten! (1/3)

"Übrigens: die Wettervorhersage für das kommende Wochenende sieht einigermaßen freudlos aus." Mehr noch als eine Information enthielt der Satz, mit dem Jörg mich nach dem Brandungspaddeln am vergangenen Samstag verabschiedete, eine Botschaft. Die Information war dürftig: eine Wettervorhersage von Samstag für den darauf folgenden Freitag ist inhärent vage. Aber die Botschaft war klar: "Rechnet nicht allzu fest damit, dass ich mit von der Partie sein werde!"

So ist im Vorfeld noch einiges an subtiler Intervention notwendig, um den bekennenden Warmduscher und Winter-Camping-Vermeider Jörg zu überzeugen, dass er mit uns auf Kaperfahrt fahren will. Aber nachdem die Wettervorhersage der folgenden Tage keine unheilbaren Mängel mehr erkennen lässt und auch der Versuch, sieben Meter pro Sekunde als sieben Beaufort auszugeben, reumütig zurückgezogen wird, erkenne ich in seiner Stimme wieder die unverkennbare Vorfreude, dem Alltag ein kleines Abenteuer am wenn auch nasskalten so doch lieblichen Busen der Natur abzugewinnen.

Geradezu lieblich ist auch das für Freitag angekündigte Wetter. In Kiel trifft das auch noch uneingeschränkt zu, aber als wir uns Rendsburg nähern, müssen wir merklich die Geschwindigkeit reduzieren, weil die Welt sich dort in dichten Nebel gehüllt hat. Im letzten Jahr hatte ich überlegt, ob dichter Nebel eine Nachtfahrt eigentlich schwieriger macht. Man sieht ja eh nicht wirklich etwas. Aber zum Glück handelt es sich bei der Eintrübung nur um eine lokale Erscheinung. Schon südlich von Schleswig herrscht wieder klare Sicht bei wunderschöner Herbstsonne.

Wir sind bereits um halb fünf im Hafen von Fynshov - etwa genau so spät wie bei der Tour im vergangenen Jahr. Aber es ist zwei Wochen tiefer im Winter - und damit bereits jetzt viel dunkler als damals. Dafür ist es die erste Begebenheit, bei der wir tatsächlich früher als Trenk am verabredeten Treffpunkt sind! Die Boote werden mit Knicklichtern geschmückt in der Hoffnung, dass wir uns selbst etwas besser und die Kompasse wenigstens halbwegs sehen können. Das hat auch schon beim letzten Mal nur eingeschränkt funktioniert.

Es herrscht absolute Flaute - dafür ist es nicht unbedingt lau. Aber immerhin ist die Wassertemperatur noch zweistellig - ein unglaublicher Zustand für Ende November! Noch im Hafen sehen wir, dass das Wasser anfängt zu leuchten, wenn man es mit dem Paddel umrührt. Dieser Effekt wird auf dem freien und vollkommen ungestört daliegendem Wasser noch stärker. Ich bin sofort absolut fasziniert und möchte das Phänomen gerne fotografieren - aber meine Versuche scheitern kläglich. Am schönsten sieht es dort aus, wo der Bug sich durch das glatte Wasser schneidet und dabei zwei leuchtende Fahnen glitzernder Perlen absondert. Es erinnert an den Funkenflug bei einer Flex, die sich durch ein Stahlblech fräst. Nur weiß statt rot - und geräuschlos statt ohrenbetäubend (damit man überhaupt einen kleinen Eindruck bekommt, habe ich mal bei YouTube nach Meeresleuchten gesucht). Das Leuchten wird mal stärker und mal schwächer. Als etwas Wind aufkommt, ist es fast vollkommen verschwunden. Erst ganz dicht vor Lyo soll  es wieder in voller Pracht hervortreten. Auch wenn die folgenden Tage absolut unerquicklich würden, allein um dies hier zu erleben, hat sich die Fahrt schon gelohnt.

Die Navigation ist wieder nicht ganz trivial, denn die Gegend ist knapp mit Seezeichen. Allein der Leuchtturm von Skjoldnäs ist immer und verlässlich zu erkennen. Anfangs haben wir einen phantastischen Sternenhimmel, der sich aber später hinter eine Wolkendecke zurückzieht. Es leuchtet allerhand Kleinkram in der Gegend rum, aber außer zu raten, was die Erscheinungen im Einzelnen darstellen könnten, haben wir kaum eine Strategie. Wir haben exakt Neumond und auch wenn ich keine rechte Erklärung dafür habe, sehen wir anders als beim letzten Mal die Insel, die wir erreichen wollen, diesmal von Anfang an als tiefschwarze Struktur vor uns. Außerdem ist mein Kompass heuer doch besser abzulesen, denn er ist deutlich weniger beschlagen. So kann also nicht wirklich etwas schief gehen.

Wir paddeln in einer zauberhaften, ruhigen Stimmung über den Kleinen Belt - immer etwa in Richtung 60 Grad. Als unser Ziel schon zum Greifen nahe aussieht, lege ich eine Pause ein - damit ich genußvoll meine geschmierte Stulle verdrücken kann. Was für ein Luxus: unter sternenklarem Himmel in absoluter Windstille irgendwo auf dem tiefdunklen Meer ein Leberwurstbrot mümmeln zu dürfen! Ein paar hundert Meter bevor wir auf den Strand laufen, überprüft Trenk unsere Position mit seinem GPS: wir sind einen knappen Kilometer zu weit nördlich angelangt und müssen die Strecke zurückfahren. Den Getränkekisten-Hafen treffen wir mit absoluter Exaktheit, trotzdem er wieder zum größten Teil unter Wasser liegt - so ein GPS-Gerät ist schon ein großer Segen!

Bevor wir unsere Zelte aufbauen, müssen wir in der Holzhütte, die uns letztes Jahr schon so gute Dienste geleistet hat, Ordung schaffen. Die Bänke darin sind diesmal deutlich liebloser verstaut worden, und außerdem liegt ein Unmenge dicker Stahlrohre direkt im Eingang, die wir wegräumen müssen. Aber schließlich haben wir uns ein akzeptables Etablisment geschaffen, in dem wir gemütlich den Abend verbringen.

Samstag, 15. November 2014

"Ostwind!"

Einige Tage lang geistert ein Mail-Thread mit dem Titel "Ostwind" durch die Mailingliste des Vereins. Es besteht Hoffnung auf Brandung und auf eine solche warten wir doch alle! Es melden sich einige Interessierte und auch die Frage der notwendigen Transportmittel kann geklärt werden. So finden sich am Ende fünf leuchtende Augenpaare vor der Bootshalle ein - zwei mit genau gar keiner und eines mit immerhin geringfügiger Brandungserfahrung.

Jörg und ich hatten uns vorher auf Brasilien als Austragungsort geeinigt, auch wenn die Windrichtung dafür nicht optimal ist. Aber wir müssen erst einmal einige Überzeugungsarbeit leisten, dass das einzige, was für Bülk bzw. Strande spricht, die relative Geschütztheit beim Einsetzen im dortigen Segelhafen wäre. Wenn man diesen dann aber verließe, wäre man mittendrin im Chaos und es gäbe keine einfache Rückzugsmöglichkeit bei eventuellen Schwimmeinlagen. Wir beharren mit Nachdruck auf unserer Wahl uns werden im Nachhinein froh darüber sein.

Am Mittelstrand sind alle Kite-Surfer dieser Welt versammelt. Offensichtlich funktioniert deren Wetter-Sensorik noch besser als unsere. Die Ostsee ist groß und da sie in aller Regel weiter draußen fahren als wir, werden wir uns schon nicht ins Gehege kommen. Johanna ist heute mit dabei und will ihre ersten Brandungserlebnisse sammeln. Bevor sie - am Brandungsgürtel im Boot sitzend - sich auf ins Abenteuer wagen kann, wird sie ausführlich von Peter instruiert. Ich bekomme den Text nicht vollständig mit, denn der Wind verweht das meiste, bevor es an meine Ohren dringt. Entweder hat der Wind ihn auch von Johannas Ohren verweht, oder Peter hat den Teil ausgelassen, der davon handelt, dass sie erst einmal in unmittelbarer Ufernähe bleiben soll. So sehen wir also unsere wackere Novizin tapfer eine Welle nach der anderen abreiten und sich immer weiter nach Dänemark vorzuarbeiten. Als sie sich daran macht, den Molenkopf zu passieren und immer noch keine Anzeichen eines Umdrehens zu erkennen sind, bitte ich Peter, sie zurückzuholen. Kaum ist er losgefahren, dreht sie zum Glück um und paddeln wieder auf den Strand zu. Es dauert etwa zweieinhalb Wellen, dann schwimmt sie zwischen den brechenden Kämmen. Nur wenig später bildet auch Peter keine Einheit mehr mit seinem Kajak sondern übt sich in der ersten Disziplin des Triathlons. Was für ein Segen, dass sich diese Szene nicht hundert Meter vor dem Hafen von Strande abspielt!

Die Wellen sind nicht sehr groß, bei weitem nicht so groß, wie bei dem Versuch, bei dem Jörg eine Welle rückwärts runter gerutscht ist, weil sie zu hoch und zu steil war. Und sie sind recht chaotisch, aber sie sind vollkommen hinreichend und gut geeignet, den Umgang mit schäumendem Wasser zu lernen und zu üben. Unsere drei Neulinge nehmen diese Gelegenheit auch mit großer Unerschrockenheit wahr und man kann bei allen Dreien zusehen, wie sie immer mehr Sicherheit erlangen. Allerdings kann man alle drei auch immer wieder schwimmen sehen. Auch wenn sie die Rolle "im Prinzip" (aka "im Hallenbad") können, klappt sie hier - verständlicher Weise - nicht.

Jörg führt heute seinen neuen Trockenanzug das erste Mal aus. Ich muss mich erst noch an die neue Farbe gewöhnen - sonst suche ich immer ein orangenes Männchen im Schaum - nun muss ich mich auf Gelb umstellen! Auch wenn die Bedingungen für uns heute recht gut zu handhaben sind, ist es eine gute Gelegenheit, sich ihnen mal wieder zu stellen. Der Wind weht fast genau parallel zum Strand, das Fahren nach Lee ist ein genussvolles aber leider kurzes Vergnügen. Sich wieder zum Ausgangspunkt zurückzuarbeiten ist mörderanstrengend.

Beim Spielen in den Wellen reißt es mich zweimal so weit aus der Senkrechten, dass ich mit dem Kopf unter die Wasseroberfläche muss. Aber beide Male behalte ich den Überblick und setze ganz bewusst und entspannt eine Rolle an. Das Training der vergangenen Jahre und bestimmt auch die Praxis im Wildwasser im Sommer
zeigen ihre Früchte. Wie schloss der Bericht über das damalige Brandungspaddeln so schön: "Üben übt!"