Freitag, 21. November 2014

Meeresleuchten! (1/3)

"Übrigens: die Wettervorhersage für das kommende Wochenende sieht einigermaßen freudlos aus." Mehr noch als eine Information enthielt der Satz, mit dem Jörg mich nach dem Brandungspaddeln am vergangenen Samstag verabschiedete, eine Botschaft. Die Information war dürftig: eine Wettervorhersage von Samstag für den darauf folgenden Freitag ist inhärent vage. Aber die Botschaft war klar: "Rechnet nicht allzu fest damit, dass ich mit von der Partie sein werde!"

So ist im Vorfeld noch einiges an subtiler Intervention notwendig, um den bekennenden Warmduscher und Winter-Camping-Vermeider Jörg zu überzeugen, dass er mit uns auf Kaperfahrt fahren will. Aber nachdem die Wettervorhersage der folgenden Tage keine unheilbaren Mängel mehr erkennen lässt und auch der Versuch, sieben Meter pro Sekunde als sieben Beaufort auszugeben, reumütig zurückgezogen wird, erkenne ich in seiner Stimme wieder die unverkennbare Vorfreude, dem Alltag ein kleines Abenteuer am wenn auch nasskalten so doch lieblichen Busen der Natur abzugewinnen.

Geradezu lieblich ist auch das für Freitag angekündigte Wetter. In Kiel trifft das auch noch uneingeschränkt zu, aber als wir uns Rendsburg nähern, müssen wir merklich die Geschwindigkeit reduzieren, weil die Welt sich dort in dichten Nebel gehüllt hat. Im letzten Jahr hatte ich überlegt, ob dichter Nebel eine Nachtfahrt eigentlich schwieriger macht. Man sieht ja eh nicht wirklich etwas. Aber zum Glück handelt es sich bei der Eintrübung nur um eine lokale Erscheinung. Schon südlich von Schleswig herrscht wieder klare Sicht bei wunderschöner Herbstsonne.

Wir sind bereits um halb fünf im Hafen von Fynshov - etwa genau so spät wie bei der Tour im vergangenen Jahr. Aber es ist zwei Wochen tiefer im Winter - und damit bereits jetzt viel dunkler als damals. Dafür ist es die erste Begebenheit, bei der wir tatsächlich früher als Trenk am verabredeten Treffpunkt sind! Die Boote werden mit Knicklichtern geschmückt in der Hoffnung, dass wir uns selbst etwas besser und die Kompasse wenigstens halbwegs sehen können. Das hat auch schon beim letzten Mal nur eingeschränkt funktioniert.

Es herrscht absolute Flaute - dafür ist es nicht unbedingt lau. Aber immerhin ist die Wassertemperatur noch zweistellig - ein unglaublicher Zustand für Ende November! Noch im Hafen sehen wir, dass das Wasser anfängt zu leuchten, wenn man es mit dem Paddel umrührt. Dieser Effekt wird auf dem freien und vollkommen ungestört daliegendem Wasser noch stärker. Ich bin sofort absolut fasziniert und möchte das Phänomen gerne fotografieren - aber meine Versuche scheitern kläglich. Am schönsten sieht es dort aus, wo der Bug sich durch das glatte Wasser schneidet und dabei zwei leuchtende Fahnen glitzernder Perlen absondert. Es erinnert an den Funkenflug bei einer Flex, die sich durch ein Stahlblech fräst. Nur weiß statt rot - und geräuschlos statt ohrenbetäubend (damit man überhaupt einen kleinen Eindruck bekommt, habe ich mal bei YouTube nach Meeresleuchten gesucht). Das Leuchten wird mal stärker und mal schwächer. Als etwas Wind aufkommt, ist es fast vollkommen verschwunden. Erst ganz dicht vor Lyo soll  es wieder in voller Pracht hervortreten. Auch wenn die folgenden Tage absolut unerquicklich würden, allein um dies hier zu erleben, hat sich die Fahrt schon gelohnt.

Die Navigation ist wieder nicht ganz trivial, denn die Gegend ist knapp mit Seezeichen. Allein der Leuchtturm von Skjoldnäs ist immer und verlässlich zu erkennen. Anfangs haben wir einen phantastischen Sternenhimmel, der sich aber später hinter eine Wolkendecke zurückzieht. Es leuchtet allerhand Kleinkram in der Gegend rum, aber außer zu raten, was die Erscheinungen im Einzelnen darstellen könnten, haben wir kaum eine Strategie. Wir haben exakt Neumond und auch wenn ich keine rechte Erklärung dafür habe, sehen wir anders als beim letzten Mal die Insel, die wir erreichen wollen, diesmal von Anfang an als tiefschwarze Struktur vor uns. Außerdem ist mein Kompass heuer doch besser abzulesen, denn er ist deutlich weniger beschlagen. So kann also nicht wirklich etwas schief gehen.

Wir paddeln in einer zauberhaften, ruhigen Stimmung über den Kleinen Belt - immer etwa in Richtung 60 Grad. Als unser Ziel schon zum Greifen nahe aussieht, lege ich eine Pause ein - damit ich genußvoll meine geschmierte Stulle verdrücken kann. Was für ein Luxus: unter sternenklarem Himmel in absoluter Windstille irgendwo auf dem tiefdunklen Meer ein Leberwurstbrot mümmeln zu dürfen! Ein paar hundert Meter bevor wir auf den Strand laufen, überprüft Trenk unsere Position mit seinem GPS: wir sind einen knappen Kilometer zu weit nördlich angelangt und müssen die Strecke zurückfahren. Den Getränkekisten-Hafen treffen wir mit absoluter Exaktheit, trotzdem er wieder zum größten Teil unter Wasser liegt - so ein GPS-Gerät ist schon ein großer Segen!

Bevor wir unsere Zelte aufbauen, müssen wir in der Holzhütte, die uns letztes Jahr schon so gute Dienste geleistet hat, Ordung schaffen. Die Bänke darin sind diesmal deutlich liebloser verstaut worden, und außerdem liegt ein Unmenge dicker Stahlrohre direkt im Eingang, die wir wegräumen müssen. Aber schließlich haben wir uns ein akzeptables Etablisment geschaffen, in dem wir gemütlich den Abend verbringen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen