Einige Tage lang geistert ein Mail-Thread mit dem Titel "Ostwind" durch die Mailingliste des Vereins. Es besteht Hoffnung auf Brandung und auf eine solche warten wir doch alle! Es melden sich einige Interessierte und auch die Frage der notwendigen Transportmittel kann geklärt werden. So finden sich am Ende fünf leuchtende Augenpaare vor der Bootshalle ein - zwei mit genau gar keiner und eines mit immerhin geringfügiger Brandungserfahrung.
Jörg und ich hatten uns vorher auf Brasilien als Austragungsort geeinigt, auch wenn die Windrichtung dafür nicht optimal ist. Aber wir müssen erst einmal einige Überzeugungsarbeit leisten, dass das einzige, was für Bülk bzw. Strande spricht, die relative Geschütztheit beim Einsetzen im dortigen Segelhafen wäre. Wenn man diesen dann aber verließe, wäre man mittendrin im Chaos und es gäbe keine einfache Rückzugsmöglichkeit bei eventuellen Schwimmeinlagen. Wir beharren mit Nachdruck auf unserer Wahl uns werden im Nachhinein froh darüber sein.
Am Mittelstrand sind alle Kite-Surfer dieser Welt versammelt. Offensichtlich funktioniert deren Wetter-Sensorik noch besser als unsere. Die Ostsee ist groß und da sie in aller Regel weiter draußen fahren als wir, werden wir uns schon nicht ins Gehege kommen. Johanna ist heute mit dabei und will ihre ersten Brandungserlebnisse sammeln. Bevor sie - am Brandungsgürtel im Boot sitzend - sich auf ins Abenteuer wagen kann, wird sie ausführlich von Peter instruiert. Ich bekomme den Text nicht vollständig mit, denn der Wind verweht das meiste, bevor es an meine Ohren dringt. Entweder hat der Wind ihn auch von Johannas Ohren verweht, oder Peter hat den Teil ausgelassen, der davon handelt, dass sie erst einmal in unmittelbarer Ufernähe bleiben soll. So sehen wir also unsere wackere Novizin tapfer eine Welle nach der anderen abreiten und sich immer weiter nach Dänemark vorzuarbeiten. Als sie sich daran macht, den Molenkopf zu passieren und immer noch keine Anzeichen eines Umdrehens zu erkennen sind, bitte ich Peter, sie zurückzuholen. Kaum ist er losgefahren, dreht sie zum Glück um und paddeln wieder auf den Strand zu. Es dauert etwa zweieinhalb Wellen, dann schwimmt sie zwischen den brechenden Kämmen. Nur wenig später bildet auch Peter keine Einheit mehr mit seinem Kajak sondern übt sich in der ersten Disziplin des Triathlons. Was für ein Segen, dass sich diese Szene nicht hundert Meter vor dem Hafen von Strande abspielt!
Die Wellen sind nicht sehr groß, bei weitem nicht so groß, wie bei dem Versuch, bei dem Jörg eine Welle rückwärts runter gerutscht ist, weil sie zu hoch und zu steil war. Und sie sind recht chaotisch, aber sie sind vollkommen hinreichend und gut geeignet, den Umgang mit schäumendem Wasser zu lernen und zu üben. Unsere drei Neulinge nehmen diese Gelegenheit auch mit großer Unerschrockenheit wahr und man kann bei allen Dreien zusehen, wie sie immer mehr Sicherheit erlangen. Allerdings kann man alle drei auch immer wieder schwimmen sehen. Auch wenn sie die Rolle "im Prinzip" (aka "im Hallenbad") können, klappt sie hier - verständlicher Weise - nicht.
Jörg führt heute seinen neuen Trockenanzug das erste Mal aus. Ich muss mich erst noch an die neue Farbe gewöhnen - sonst suche ich immer ein orangenes Männchen im Schaum - nun muss ich mich auf Gelb umstellen! Auch wenn die Bedingungen für uns heute recht gut zu handhaben sind, ist es eine gute Gelegenheit, sich ihnen mal wieder zu stellen. Der Wind weht fast genau parallel zum Strand, das Fahren nach Lee ist ein genussvolles aber leider kurzes Vergnügen. Sich wieder zum Ausgangspunkt zurückzuarbeiten ist mörderanstrengend.
Beim Spielen in den Wellen reißt es mich zweimal so weit aus der
Senkrechten, dass ich mit dem Kopf unter die Wasseroberfläche muss. Aber
beide Male behalte ich den Überblick und setze ganz bewusst und
entspannt eine Rolle an. Das Training der vergangenen Jahre und bestimmt
auch die Praxis im Wildwasser im Sommer
zeigen ihre Früchte. Wie schloss der Bericht über das damalige Brandungspaddeln so schön: "Üben übt!"
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