Samstag, 22. November 2014

Wieder nicht nach Helnäs! (2/3)

Die Nacht war vor allem feucht. Es hat zwar nicht geregnet, aber die Luftfeuchtigkeit war nahe am Anschlag, so dass mein Schlafsack außen regelrecht nass war. Zum Glück ist erheblich Wind aufgekommen, der wenigstens einen Teil der Feuchtigkeit aus dem Zelt geweht hat. Da der Himmel heute klarer ist und so gegen acht Uhr auch endlich die Sonne aufgeht, trocknet mein Daunensack aber wieder problemlos an der Luft. Beim Frühstück in der Hütte muss ich feststellen, dass irgendwelches Getier sich durch meinen Brotbeutel genagt und an seinem Inhalt gütlich getan hat. Das war eine ärgerliche Unachtsamkeit von mir.

Schon unsere Tour im vergangenen Jahr hatte nur das eine erklärte Ziel gehabt, die Helnäs-Bucht zu erkunden und den dortigen Übernachtungsplatz zu besichtigen. Schon damals hat uns der Wind durch die Pläne geblasen und uns etwas anderes diktiert. Dieses Jahr wollten wir die Erkundung nachholen - aber die Umstände sind abermals nicht mit uns. Es sollen durchgehend südöstliche Winde im oberen Bereich von fünf Beaufort herrschen. Das würde eine gemütliche Hinfahrt bedeuten - aber die Arme auf der Rücktour lang werden lassen. Ich bin ein großer Fan von Rückenwind auf der Heimtour, und zusammen mit Jörg können wir uns gegen den Rest der Gruppe durchsetzen, dass wir lieber nördlich um Lyö und Avernakö herum fahren und dann auf der Südseite der Inseln zurückrauschen.

Im kleinen Plastikhafen stehen ordentliche Wellen und als ich entgegen meiner Gewohnheit heute rückwärts mit dem Boot in See steche, steht mir am Ende das Wasser in meinem Cockpit bis zu den Hüften. Was für ein Glück, dass ich eine Schenkelpumpe habe, so dass ich nicht wieder an Land muss, sondern die ungeliebte Flüssigkeit en passant an ihren eigentlichen Bestimmungsort befördern kann. Ich bin einigermaßen überrascht über die Höhe der Wellen, denn an diesem Teil des Strandes befinden wir uns eigentlich noch im Windschutz.

Bis zur Nordspitze von Lyö lassen wir uns von Wind und Wellen schieben. Plötzlich meine ich so etwas wie einen Schweinswal in unmittelbarer Strandnähe auftauchen zu sehen. Als ich genauer hinsehe, kann ich an der Stelle nur zwei schwarze ballartige Erscheinungen sehen. Vermutlich war es nur irgendeine Ente, die kopfüber abgetaucht ist und so den Eindruck eines Walrückens hervorgerufen hat. Nach einiger Zeit erkenne ich aber einen Tauchrucksack, der über die Wasseroberfläche wandert und dann schließlich auch die beiden dazu gehörigen Taucher. Was um alles in der Welt veranlasst einen, Ende November bei fiesem Wind in der aufgerührten, kalten Ostsee rumzutauchen? Was gibt es doch für verrückte Menschen auf der Welt!

Die Strecke zwischen dem Ende von Lyö und dem Anfang von Avernakö beträgt etwa sieben Kilometer. Kein wirkliches Problem eigentlich - wenn da nicht der genau gegenan stehende Wind wäre. Es sind die vorhergesagten acht bis zehn Meter pro Sekunde - also fünf bis sechs Beaufort. Die Wellen laufen nicht besonders hoch auf, dazu ist hier das Wasser noch zu flach. Während wir uns verbissen nach Osten kämpfen, begegnet uns erst ein Marineschiff, dann wankt ein Segelschiff vorbei, dessen Besatzung respektvoll grüßt. Schließlich kommt das Marineschiff wieder von hinten auf und nach einiger Zeit nähert sich ein Schnellboot, das offensichtlich dazu gehört. Es kommt so dicht heran, dass es unzweifelhaft ist, dass sie das unsretwegen tun. Vermutlich denken sie, was es doch für verrückte Menschen auf der Welt gibt. Die Mannschaft will mit uns Kontakt aufnehmen - allein bei dem herrschenden Wind können wir nicht einmal feststellen, ob sie dänisch, deutsch oder vielleicht englisch sprechen. Da wir annehmen, dass sie sich lediglich überzeugen wollen, ob wir OK sind, halten wir einfach unsere Daumen nach oben. Man legt den Hebel auf den Tisch und überlässt es uns, wie wir mit der mächtigen Heckwelle zurecht kommen. Ich nutze die Gelegenheit, mal wieder ein Foto zu machen und werde für die kleine Zeit des Nichtpaddelns damit bestraft, dass ich fast auf eine grüne Kardinaltonne getrieben werde und heftig rudern muss, um sie unfallfrei zu passieren.

Unsere Geschwindigkeit ist nicht gerade rekordverdächtig. Auf der Gegenwindstrecke sind wir mit nur knapp über vier Stundenkilometern unterwegs. Das soll nicht heißen, dass wir gemütlich gefahren wären! Jörg gesteht uns nachher, dass er am Ostende von Lyö überlegt hat, ob er uns alleine weiterfahren lassen soll, hat dann aber doch die Zähne zusammen gebissen und selbige dem Wind gezeigt. Auf Avernakö kommen wir rechtschaffen erledigt im Fährhafen an. Dort setzen wir uns in das Wartehäuschen, das tatsächlich sogar ein bisschen geheizt ist und überlegen, wie wir den Tag weiter gestalten. Teile der Gruppe wollen die Umrundung von Averakö zumindest noch ein klein wenig weiter treiben. Jörg und ich tendieren eher dazu, den lieben Gott einen guten Mann sein zu lassen und direkt den Rückweg anzutreten. So machen wir es dann auch.

Während Jörg und ich eine beeindruckend gerade Spur mit unserem Rückweg durch das Wasser ziehen, stattet Trenk quasi als Ausgleich für die entgangene Umrundung Avernakös noch einer gelb-schwarzen Kardinaltonne einen Besuch ab. Dadurch ist er erst nur ein paar hundert Meter von uns entfernt, dann fünfhundert, schließlich über tausend. Irgendwann können wir ihn nicht mehr sehen. Wenn jemand hier problemlos alleine paddeln kann, dann ist es Trenk - aber ein beklemmendes Gefühl haben wir schon.

Zurück an der Hütte müssen wir feststellen, dass sie für östliche Winde und Regen, der inzwischen eingesetzt hat, nicht konstruiert ist. Durch die freie Türöffnung dringt der Regen direkt auf unsere Sitzbänke. Da muss Abhilfe her. Zum Glück liegt ja allerhand Kram in der Gegend rum, mit dem sich einiges anstellen lässt. So sind bald eine kräftige Plane und die benötigten Bändsel gefunden, mittels derer wir eine 1a-Abdichtung konstruieren. Auch im Inneren sortieren wir noch einmal etwas um, so dass mehr Gemütlichkeit aufkommen kann. Jörg hat wieder Kakao mit Schnaps dabei. Diesmal statt Kirschwasser Marillenlikör - dafür aber ohne Kakao!

Die Krux bei einer Wintertour ist, dass es um kurz nach vier dunkel wird. Da bleibt noch ziemlich reichlich Zeit zum Vertreiben, bis man sich in den Schlafsack verkriechen kann. Die Option mit dem Spaziergang über die Insel fällt leider aus, da es in Strömen regnet. Also verlegen wir uns auf Kochen, Essen, Schnacken und auf die Uhr gucken. Zwischendurch kommt uns hin und wieder der kleine Mitesser besuchen, der sich gestern an meinem Brot dick und rund gefressen hat.

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