Sonntag, 7. März 2010

Eisfahrt

In letzter Zeit war es schwierig, aufs Wasser zu kommen. Das ist ganz wörtlich gemeint, denn das Wasser war nur noch teilweise flüssig. Jörg meinte, dass heute ein wunderbarer Tag wäre, mit Sonnenschein und ohne Wind. Diesmal war er es aber, der sich mit der Vorhersage etwas vertun sollte: Kein Wind kam noch hin, wenn man drei Beaufort als kein Wind bezeichnen will, aber Sonnenschein war eher gestern.

Das größere Problem, womit ich auch überhaupt nicht gerechnet hätte, war aber die Tatsache, dass das Wasser von unserem Steg aus über mehr als 100 Meter hin gefroren war. Eigentlich hatte ich innerlich schon mit dem Winter abgeschlossen und in den letzten Wochen war es zumindest tagsüber durchgängig über Null Grad gewesen. Aber an diesem Wochenende hatte der Winter noch einmal einen Rückfall, heute Nacht war es minus 10 Grad und noch beim Frühstück um zehn war es sechs Grad unter null. Ich war etwas irritiert, aber Jörg meinte, das wird schon gehen und außerdem hatten wir uns schon komplett umgezogen und aufgerödelt.

So richtig freiwillig sanken die Boote nicht ein, als wir sie ins "Wasser" ließen. Und Jörg, der zwar hinter mir am Steg eingesetzt hatte, aber früher fertig war, kam nicht recht an mir vorbei. Er konnte zwar dem Bug folgend das Eis nach vorne durchbrechen, aber sein Kajak keinen Zentimeter gegen die Eisschicht zur Seite bewegen. Zum Glück war das Eis noch dünn genug, dass man es mit dem Paddel durchstechen konnte. Man musste nur beherzt zustechen, denn sonst ist man abgerutscht, und das war der Gleichgewichtslage abträglich.

Zuerst bin ich in der von Jörg gebrochenen Rinne hinter ihm her gefahren. Aber das war einfach und langweilig, so dass ich mir irgendwann meine eigene Rinne neben ihm gebrochen habe. Dabei habe ich so darüber nachgedacht, was wir wohl machen würden, wenn einer von uns umkippen würde. Rollen ist eher keine Option, denn mit dem Paddel das Eis von unten zu durchstoßen, verlangt ein gerüttelt Maß an Kaltblütigkeit und wird eher nicht gelingen. Dem Partner zu Hilfe zu eilen, wird ziemlich dauern, da ja seitliches Versetzen, so schön ich das bei flüssigem Wasser kann, bei Eis schlicht unmöglich ist, und man mühselig und umständlich vor und zurück manörieren müsste. Bis ich meine Gedanken abgeschlossen habe und zu der Überzeugung gekommen bin, dass es auf jeden Fall angezeigt wäre, in ein und derselben Furche hintereinander zu fahren, sind wir auch schon aus dem Bereich des problematischen Aggregatzustandes heraus und Boot und Paddel verhalten sich wieder wie gewohnt - was sich anfangs aber ziemlich ungewohnt anfühlt!

Wir queren das Fahrwasser brav, wie ich das in meinem Kurs für den Sportbootführerschein gelernt habe, und sind bald östlich davon. Die Bucht vor dem Kraftwerk ist komplett flüssig - auch ohne, dass wir uns vorher Gedanken darüber gemacht oder es gar angezweifelt hätten. Aber wir haben uns auch über die Wasserfläche weiter nördlich keine Gedanken gemacht - und trotzdem ist sie zugefroren. Anfangs will ich es noch gar nicht wahrhaben und glaube, dass es sich nur um einen schmalen Streifen handelt, hinter dem wieder freies Wasser ist. Aber nix da: komplett gefroren! Wir müssen nach Westen abdrehen und bis ins Fahrwasser zurück. Übrigens macht es einen höllenmäßigen Lärm, wenn man mit einem Kajak durch Eis fährt. An Unterhaltung oder auch nur Kommunikation ist da nicht zu denken!

Das Eis zieht sich bis zum Vorsprung bei Kitzeberg, die Heikendorfer Bucht scheint frei zu sein. Von Jörgs versprochenem Sonnenschein ist nichts zu sehen, dafür setzt Schneefall ein. Allerdings ist der Horizont nicht so bedrohlich, dass mit einer völligen Eintrübung zu rechnen wäre. Wir fahren bis zur Versorgungsbrücke, bestätigen uns gegenseitig, das wir auf der Höhe unserer Winterschlappheit sind und drehen um. Vor dem Kurstrand von Möltenort setzen wir unsere Buge auf den Sand, um uns einen warmen Tee und eine Stulle reinzuschrauben. Drei kleine Kinder, denen sichtlich kalt ist, sind etwas ungläubig, wie man auf die Idee kommen kann, bei so einem Wetter zu paddeln.

Um gleich gar nicht mit der ColorLine-Fähre in Konflikt zu geraten, gehen wir direkt hinter Tonne 16 aufs Westufer. Allerdings scheint sich so ein Fahrwasser bei Kälte in der Breite auszudehnen: früher ging das schneller, es zu queren! Hin und wieder kreuzt eine Eisscholle unseren Weg, aber wir hätten hier in Lee mit mehr Eis gerechnet nach unseren Beobachtungen auf der Hintour am anderen Ufer. Inzwischen hat ergiebiger Schneefall eingesetzt.

In der Nähe unseres Steges ist das Wasser natürlich immer noch fest und wir suchen unsere alte Rinne. Die ist bald gefunden und durch den Wind noch breiter aufgeweitet worden, so dass es kein Problem ist, durch sie zum Steg zurück zu gelangen. Leider habe ich versäumt auszuprobieren, nach wie vielen Sekunden der heftige Schmerz einsetzt, wenn man seine Hände ins Wasser hält. Jörg, der mal kurz ins Wasser gefasst hatte, hat mir aber versichert: "Ist frisch!".

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen