Montag, 3. Mai 2010

Anglesey Seakayak Symposium, Montag

"Windvorhersage: Nord 4", sonst sagt Nigel nichts dazu, aber der Himmel spricht für sich: er ist strahlend blau! Die Temperatur kann aber nicht hoch sein, denn der Wind weht eiskalt. Heute gibt es nicht viele Veranstaltungen, es ist im Wesentlichen "pleasure paddling" angesagt. Das ist eh, wonach mir der Sinn steht. Bleibt nur noch die Frage, wohin. Einige Touren erfordern einen Bootstransport mit dem Auto, einige sind mir schlicht zu kurz. Peter bietet eine Tour, die mir am besten zusagt: Start am Strand vor der Haustür, über Penrhyn Mawr zum South Stack und von dort zum North Stack. Trenk kommt auch mit und nach kurzer Überzeugungsarbeit auch Matthias. Herbert aus Bremen und René aus der Schweiz sind zwei weitere deutschsprachige Teilnehmer. Die restlichen sieben Teilnehmer sind Briten inklusive "NRS"  - "Non Rolling Susan"!

Peter setzt die Abfahrt auf 11 Uhr, fügt aber hinzu, dass das "im Boot auf dem Wasser" bedeutet und dass 10:30 Uhr Treffen am Strand ist. So passiert es, dass wir tatsächlich als gesamte Gruppe um Punkt 11 Uhr schwimmend auf dem Wasser sind. Bei Penrhyn Mawr wählen wir das "outer bit" für ein paar Spielereien. Von "tödlich" ist heute keine Spur - im Gegenteil: die Bedingungen sind ideal zum Üben. Ich bin um Welten lockerer als vor zwei Tagen und habe Wellen und Boot gut unter Kontrolle. Leider übt noch eine zweite Gruppe in den Schnellen, so dass sie für ein entspanntes Spielen viel zu dicht bevölkert sind. Also verlassen wir sie bald Richtung Norden. Am Leuchtturm Sourth Stack gehen wir diesmal nicht außen herum, sondern fahren unter der Brücke hindurch. Ich bin diesmal schon viel lockerer im Erkennen der Strömungen und merke gleich, dass wir hier unter Land gegenan fahren. Ich frage mich, ob Peter sich darüber im Klaren ist und schließe zu ihm auf. Er sagt gleich von sich aus, dass wir uns hier in einem riesigen Kehrwasser befinden. Er ist wirklich umsichtig und kompetent.

Ich glaube anfangs, dass wir sehr viel Zeit haben, unser Ziel zu erreichen, aber Peter korrigiert mich, denn das Race am North Stack setzt bereits eine Stunde vor Hochwasser Holyhead ein. Wir verbringen unsere Pause in derselben Grotte wie vor zwei Tagen, aber heute geht der Schwell nicht so hoch. Mir gelingt eine blitzsaubere Landung, indem ich rechtzeitig meine Spritzdecke öffne, mich aufs Achterdeck setze und absteige, bevor mein Bug auf die Steine trifft. Das Boot mit einer Hand in der Luke gefasst und nach oben tragen waren eins. So konnte ich den Nachfolgenden beim Anlanden und Aussteigen zur Hand gehen. Während unserer Pause schwimmt wieder eine Kegelrobbe im Eingang Streife. Später gesellt sich eine zweite dazu.

Um 14:00 Uhr - also genau Hochwasser Holyhead - blasen wir zum Rückzug. Es geht zwischen der Hauptinsel und einer vorgelagerten Insel hindurch ein paar hundert Meter hinaus. Hier wieder das unglaubliche Schauspiel, dass das Wasser, in dem wir uns gerade befinden, fast still steht, während es direkt daneben rauscht wie Hulle. Das ist das North Stack Race, das auch mörderisch sein kann, sich heute aber auch nur moderat bissig präsentiert. Wir fahren alle hinein und surfen die überfallenden Wellen ab. Ich fühle mich pudelwohl und genieße das Schäumen, das Rauschen und den Anblick der vielen in den Wellen auf- und abpoppenden Boote. "Schade, dass ich hier keine Fotos machen kann", denke ich. Wieso eigentlich nicht? Anfangs noch etwas kippelnd fingere ich die Kamera heraus, schalte sie an und drücke ab. Die Motivsuche ist Glücksache, aber ich bleibe ganz locker bei dem Versuch, das Boot mit einer Hand zu balancieren. Als ich an "Non Rolling Susan" heranfahre, die etwas "alamiert" im Cockpit sitzt, sage ich, dass das Steuern beim Fotographieren doch schwierig sei. "Ich würde nicht einmal wagen, daran zu denken!" erwidert sie. Ich habe es geschafft, das Boot mehr mit dem Hintern zu fahren als mit den Augen, Frappierend, was zwei Tage Üben bewirken.

Eigentlich habe ich mich auf die überfallenden Wellen am South Stack gefreut, die wir am Samstag zweimal durchquert haben. Heute ist nichts - aber auch gar nichts davon zu sehen! Ich frage Cathrina, die auch vor zwei Tagen mit von der Partie war: "Kann dies dieselbe Stelle sein?" Unglaublich wie unterschiedlich sich ein Ort hier zeigen kann! Dafür spielen wir wieder etwas im rücklaufenden Wasser vor South Stack. Es ist recht moderat und man kann in aller Seelenruhe Seilfähren hin- und herfahren. Nur wenige Meter vom Kliff entfernt ist dicht unter der Wasseroberfläche ein großer Fels, über dem das Wasser eine besonders kräftige Welle bildet. Dort setze ich mich drauf und lasse mich hin und her werfen. Dem strömenden Wasser überlagert sich ein leichter Schwell, der die Welle an- und abschwellen lässt. Irgendwann bildet sich plötzlich ein tiefes Loch, in das ich hineinfalle, die falsche Kante des Bootes unten habe, meine Stütze anfängerhaft misslingt und ich umfalle. Ich bin etwas überrascht, dass ich senkrecht unter dem Boot hänge, aber ich werde schon irgendwann zu einer Seite gedrückt werden, denke ich mir. Viel weiter denke ich nicht, denn ganz offensichtlich sind die Verhältnisse in einem Tidal Race anders als zu Hause vor dem Steg oder im Hallenbad. Als ich auf die Idee komme, mich durch Wriggen in eine bessere Position zu bringen, habe ich bereits so viel Zeit mit Warten verbracht, dass ich aussteigen muss. Dass mich das Wriggen auch nur zur falschen Seite an die Oberfläche gebracht hätte, war der Tatsache geschuldet, dass ich mir unter Wasser ebenfalls absolut keine Gedanken über die Strömungsrichtung gemacht habe. Als ich wieder am Sauerstoffaustausch teilnehme, ist Trenk sofort zur Stelle, gibt mir klare Anweisungen und hilft mir sicher zurück in mein Fahrzeug. René bedankt sich für die schönen Bilder eines echten Zwischenfalls, die er jetzt auf seine Webseite stellen kann. Es gibt also noch viel zu üben für mich. Ich beginne gleich damit, dass ich direkt noch einmal in der Strömung rolle. Kein Problem! Vor dem Strand von Porth Dafarch probiere ich die "Balance-Stütze", wie Peter sie am Freitag vorgemacht hat. Es klappt tatsächlich, dass ich flach neben meinem Boot auf dem Wasser liege und meine Nase oberhalb der Wasseroberfläche bleibt! Schönes Gefühl!

Der Zeltplatz hat sich bereits sichtlich gelehrt, denn das Symposium ist zu Ende. Ab morgen startet die "BCU"-Woche, in der lauter Vorbereitungen und Prüfungen zu BCU-Qualifizierungen angeboten werden. Ich habe mich für das Vier-Sterne-Training eingetragen, Trenk für die Vier-Sterne-Prüfung. Abends um sieben ist Treffen für ein vorbereitendes Gespräch. Zuerst werden die Interessenten für die verschiedenen Trainings und Assessments abgefragt und in die Tabelle an der Tafel eingetragen. Dann fragt Nigel, ob denn auch jeder, der sich für das Vier-Sterne-Training eingetragen hat, im Besitz eines Drei-Sterne-Zertifikates ist. Das sei zwingende Voraussetzung für die Teilnahme. Damit ist mein Plan vorerst geplatzt und ich melde mich noch für das Drei-Sterne-Assessment am Freitag. Um außerdem noch die Chance zu haben, etwas von den Vier-Sternen zu sehen, trage ich mich als "Guineapig" ein. Die nächste Frage von Nigel ist, ob denn jemand von denen, die sich für das Vier-Sterne-Assessment eingetragen haben, nicht Mitglied der BCU sei. Trenk meldet sich. Er sei aber gerne bereit, in den nächsten fünf Minuten beizutreten. Nigel wiegt mit wichtiger Mine den Kopf und meint, dass wir morgen sehen müssen, was wir tun können. Damit ist auch Trenks Plan vorerst zerbröselt.

Es geht noch etwas hin und her in der Diskussion, wie Qualifikationen nach dem alten System in das neue umgerechnet werden, aber das wird mir irgendwann zu albern. Ich will hier nicht nach irgendwelchen Sternen greifen, sondern etwas lernen und das werde ich hinbekommen - und wenn ich mich dafür als Meerschwein verkleiden muss! Nur Trenk tut mir etwas leid, weil er klare Vorstellungen und Pläne hatte, die ihm jetzt aus den Händen zu gleiten drohen. Ich gehe noch zum Bildervortrag von Rowland, bei dem er schöne und spektakuläre Bilder von Paddeltouren rund um den Globus zeigt. Der Vortrag ist betitelt mit "This is ... the REAL sea"!

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