Entsprechend unserem Vorhaben, dass wir hier zur Erholung sind, lassen wir es mit dem Frühstück und der Vorbereitung sehr gemütlich angehen. Wir unternehmen einen Spaziergang zum nahegelegenen Aussichtsturm, von dem aus man einen fantastischen Rundblick über die Umgebung hat. Man kann Hiddensee wunderschön im Dunst erkennen und auch, dass an seiner Westseite ziemlicher Seegang herrscht. Peter hat sein Tschibo-Fernglas dabei, mit dem man jedes Detail erkennen kann. Vor uns liegt eine Landschaft, die fast ein wenig an das Wattenmeer erinnert mit den vielen Flachs und bei Wind trockenfallenden Stellen. Es ist ein zum Paddeln hervorragend geeignetes Revier.
Unser Ziel liegt eigentlich nordöstlich, aber wir müssen zuerst ein ziemliches Stück nach Südosten fahren, denn ein ausgedehntes Flach versperrt uns den Weg, und ein lauerndes Schnellboot der Wasserschutzpolizei verleiht der doppelt schraffierten Naturschutzzone nachdrücklich Glaubhaftigkeit. Aber natürlich kürzen wir wieder ein klitzekleines bisschen ab und natürlich ziehen wir hier wieder eine rauschende Heckwelle hinter uns her. Die Segler bleiben alle in der hier sehr engen Fahrrinne und sind auch nicht viel schneller als wir, obwohl viele von ihnen den Motor als Hilfe einsetzen. Trotzdem der Wind recht westlich daher kommt, können wir noch einigermaßen auf den Wellen surfen und kommen gut voran.
Wir wollen in Schaprode eine Pause einlegen, schließlich gilt es einiges zu erledigen, was zivilisatorische Infrastruktur voraussetzt: Wir wollen einen Geldautomaten plündern, denn mit unserer Barschaft können wir keinen großen Staat mehr machen. Dann wollen wir die Fährverbindungen in Richtung Zingst auskundschaften. In den nächsten Tagen wird überwiegend westlicher Wind herrschen und wenn wir eine Fähre fänden, die uns in die Nähe unseres Startplatzes bringt, könnten wir entspannter in die Zukunft blicken. Ich erinnere mich noch von meinem Urlaub vor zwanzig Jahren, dass am Ortseingang etwas war, das uns damals sehr gelegen kam. Im Nebel meiner Erinnerungen kann ich aber nicht klar erkennen, ob es sich vielleicht um einen Geldautomaten gehandelt hat. Ein kleiner Ortsrundgang schafft Klarheit: Es handelt sich nur um einen Lebensmittelladen. Ein Geldautomat gibt es nur in Trent - sechs Kilometer Fussmarsch, die mit meinen eine halbe Schuhgröße zu kleinen Neoprenschuhen nicht zu schaffen sind. Aber in Vitte auf Hiddensee gibt es einen - und da wollen wir morgen ja hin. Auch die erhoffte Fährverbindung nach Zingst gibt es hier nicht sondern ebenfalls nur von Vitte aus. Das würde prinzipiell passen, aber leider fährt die Fähre nur dienstags und ist erst im 19 Uhr in Zingst. Wir werden wohl anders zurecht kommen müssen.
Das letzte Stück bis zum Wohnmobil-Stellplatz ist schnell geschafft. Wir landen an einer gemähten Wiese nördlich davon an. Ich mache der Eignerin die fröhliche Mitteilung, dass wir bei ihr übernachten möchten, aber die reagiert etwas unwirsch mit der Feststellung, dass hier ein Stellplatz sei und kein Zeltplatz. Meine naiv ungläubige Frage, wo denn da das Problem sei, entkräftet sie mit der wenig freundlicheren Aussage, dass unsere Zelte eben keine Wohnwagen seien. Mir dämmert ihr Dilemma, dass sie nämlich keine Lizenz hat, unserem Wunsch zu entsprechen und ich baue ihr die goldene Brücke, dass wir eigentlich auf der Wiese nördlich ihres Geländes übernachten möchten. Mit einem "Da kann ich nichts machen." ist die Sache geklärt und wir bestellen noch drei Brötchen für Morgen.
Die Wiese bietet einen traumhaften Blick über den Bodden nach Hiddensee und den Nordteil von Rügen. Die Sonne macht sich auf, hinter dem Horizont zu verschwinden und färbt den Himmel wunderschön rot. Kranich- und Schwäneschwärme wechseln sich ab, um vor dieser Kulisse vorüber zu ziehen.
Als wir unsere Zelte aufbauen, ackert auf der Wiese hinter uns ein Bauer mit seinem Trecker, der emsig den Boden umpflügt. Es ist dunkel und es ist Sonntag und wir fragen uns, warum um alles in der Welt man seinen Acker unbedingt zu so einer Zeit pflügen muss. Die einzige halbwegs befriedigende Erklärung, die wir finden, ist die Tatsache, dass es nicht nur dunkel ist, sondern auch Vollmond herrscht und irgendein heiliger Kalender gebietet, seine Scholle nur bei vollem Mond umzuwerfen - egal ob Sonntag ist oder nicht. Das Rumpeln und Brummeln des Traktors hallt noch durch die Nacht, als wir längst eingeschlafen sind.
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