Auch hier müssen wir wieder etwas unintuitiv fahren, um in das Fahrwasser zu gelangen, dass zwischen Rügen und Hiddensee auf die offene Ostsee führt. Noch ist der südliche Wind mit uns und wir überholen sogar eine mächtige Segelyacht, die nur die Fock gesetzt hat und zur Sicherheit die Maschine mitlaufen lässt. Es sind allerhand Menschen an Bord, aber vermutlich sind nicht so viele Segelkundige dabei.
Im Norden von Hiddensee sind richtige Wellen! Sie sind die Überreste des heftigen Windes von gestern. Zwar kommt heute der Wind von Süden, aber er wird durch den hohen Dornbusch nach Osten herumgebeugt, so dass er uns momentan genau entgegen weht. Trotzdem macht es richtig Spaß, durch die Wellen zu rauschen. Wir fahren in deutlichen Abstand zum Ufer und hier draußen sind die Verhältnisse gleichförmig und berechenbar, nirgendwo muss man damit rechnen, dass ein böser Stein knapp unter der Wasseroberfläche lauert.
Unser Schwenk nach Süden bringt leider keine Besserung, was die Situation mit dem Gegenwind betrifft, denn Süden ist genau das, woher der Wind weht. Aber bis nach Vitte ist es nicht weit, hier wollen wir wieder eine Pause einlegen und die zurückgestellten Erledigungen nachholen. Am Strand fragt uns ein kleiner, vierjähriger Junge, warum wir denn paddeln und dass er auch schon immer mal gerne paddeln wollte. Peters Frage, ob er denn schon das "Seepferdchen" habe, verneint er etwas verlegen, hält aber dagegen, dass er eine Schwimmente hat, und dass er ja noch viel Zeit hat, das Paddeln einmal zu erlernen.
Vitte ist gut strukturiert: an der Hauptstraße gibt es zahlreiche kleine Schilderchen, die den Unkundigen auf allerlei hinweisen. Am ersten Pfosten ist gleich ein Hinweis auf die lokale Sparkasse zu erkennen: 400 Meter nach Süden. Wir können unsere flüssigen Mittel aufbessern und uns auf die Suche nach einer geeigneten Örtlichkeit machen, wo wir etwas leckeres essen können. Im kleinen Gärtchen eines kleinen Häuschens trauen wir uns mit unserem wenig repräsentativen Outfit an einem der Tische Platz zu nehmen. Wir probieren den hausgemachten Sanddornsaft und bestellen Fisch, Peter Lachs und ich Zander. Als ich Peters riesige Portion sehe, bin ich etwas neidisch und hege Zweifel, ob ich nicht die falsche Wahl getroffen habe. Aber der Zander ist auch lecker und - man muss ja nicht so viel essen - zumindest nicht immer!
Der Weg durch Vitte führt uns vorbei an erstaunlich zahlreichen Bruchbuden, die wenig baulichen Zuspruch seit der Wende erhalten haben können. Ich bin erstaunt über die Tatsache, dass Hiddensee nicht das Schicki-Micki-Flair hat, das ich erwartet hätte. Es gibt auch kaum größere Bauten, die so charakteristisch für einen vom Tourismus bevorzugten Ort sind. Eigentlich wirkt Hiddensee nach wie vor ziemlich provinziell und hat sich damit einen sympatischen Charme erhalten. Nur die Sache mit "Keine Zelte auf Hiddensee!" finde ich unpassend!
Unsere ewig nasse Unterwäsche ist in der Zwischenzeit zwar nicht wirklich getrocknet, aber wenigstens etwas abgedünstet, als wir wieder in die Boote steigen. Es sind noch gut über 15 Kilometer bis zu unserem Tagesziel Barhöft und der Wind hat nicht gedreht. Das wird noch ein langer Törn. Das Küstenbild ist auch nicht sehr abwechslungsreich und so ist noch das unterhaltsamste, ob die Segler, die mit uns zwar in die gleiche Richtung fahren, aber kreuzen müssen, in der Summe schneller oder langsamer sind als wir. Während es am Anfang noch besser für die Segler aussieht, sind sie vollkommen chancenlos, als der Wind etwas nachlässt. Kurz vor Beginn der Schutzzone im Süden der Insel landen wir noch einmal für eine Pause an. Wir machen eine kurze Wanderung zur Ostseite und legen uns ein paar Minuten in herrlicher Ruhe und Windstille ins Gras und blicken ins Blaue. Peter macht nach kurzer Zeit wieder schnurrende Geräusche.
Es nützt nichts - wir müssen auch die letzten Kilometer noch bewältigen. Die Insel neben uns wird flacher, der Wind weniger und das Fahrwasser enger. Ich drömele so vor mich hin und fahre mittig zwischen roter und grüner Tonne, als mich von hinten ein dünnes Schallsignal trifft: fünfmal kurz, das heißt soviel wie: gleich droht eine Kollision! Ich drehe mich gemächlich um und erblicke die "Achiever" von EnBW, die die Windkrafträder hier vor der Küste wartet. Sie prescht mit voller Kraft auf uns zu. Okay, dann wechsele ich mal die Fahrwasserseite und lass sie passieren - aber das mit dem fünfmal Kurz finde ich übertrieben. Umdrehen im Trockenanzug ist anstrengend und man vollzieht dieses Manöver nur, wenn es unbedingt sein muss. Also lasse ich den Kahn herankommen, bis sein Brummen und Rauschen unmittelbare Nähe verheißt. Als ich mich umsehe, steht eine gewaltige Wasserwand hinter mir! Beim Bau des Schiffes hat man auf den Bug verzichtet und stattdessen ein zweites Heck an seine Stelle gesetzt. So schiebt dieses Gefährt also eine platte Stahlwand quer durchs Wasser und erzeugt damit eine mindestens zwei Meter hohe "Bug"welle! Zum Glück ist sie in unserem Abstand nicht mehr so steil, dass sie sich oben bricht, so dass wir sie wenigstens etwas zum Surfen benutzen können.
Als wir den "Bock", die zwischen Zingst und Hiddensee gelegene Insel passieren, ist der Wind vollständig eingeschlafen. Wir legen die letzten Kilometer bis zum Hafen von Barhöft zurück und trollern unsere Boote zum Zeltplatz. Dort hat sich schon ein Radwanderer breit gemacht, der aber nicht weiter stört. Diesmal sind wir rechtzeitig eingelaufen, so dass wir den Hafenmeister noch antreffen und eine Eintrittskarte für die Duschräume bekommen. Das ausgiebige Duschen ist ebenso erfrischend wie notwendig.
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