Die Nacht war schwarz und sternenklar. Das Gras, die Boote und die Zelte sind klatschnass. Es ist schwer einzuschätzen, ob unsere Wäsche auf der Leine heute Morgen trockener oder nasser ist, als sie es gestern Abend beim Aufhängen war. Aber die Sonne scheint! Ein wunderbarer Morgen! Leider unser letzter, auch wenn wir kurz mit dem Gedanken spielen, das Wochenende einfach zu verlängern. Wir sind mit zu vielen Fesseln mit unseren Pflichten, Erwartungen und dem Alltag verstrickt, als dass wir uns so einfach dem Verlangen hingeben könnten. Aber wir kosten die gewährten Stunden mit allen Sinnen aus. Das geht am besten auf einer Holzbank. In der Bretterbude auf dem großen Rasenplatz neben unserem Zeltgelände sind Unmengen von Holzbänken und -tischen gestapelt. Die Tische sind leider allzu verkeilt, so dass wir erst das ganze Ensemble hätten umräumen müssen, um an einen davon zu gelangen. Aber eine prima Bank können wir ohne großen Aufwand herauslösen. Darauf zelebrieren wir ein ausgedehntes Frühstück, während dessen wir die immer wärmender werdenden Strahlen der höher steigenden Sonne inhalieren.
Ich mache mit Olav einen Erkundungsgang über die Insel, bei dem wir die Einzelheiten zum roten Symbol "Sonstige Zeltmöglichkeit" auf der Karte klären wollen. Die Insel ist nicht wirklich groß und der Hauptort, der auch der einzige ist, ist schnell erreicht. "Til Salg" scheint eine bedeutende Persönlichkeit auf den Inseln hier zu sein, denn an vielen Häusern liest man seinen Namen. Selbst der Krug, der bei meinem letzten Besuch hier noch in Betrieb war, ist in seinen Besitz übergegangen. Eine absehbare Entwicklung, aber sie macht wehmütig und nachdenklich. Am Nordufer, etwas westlich vom Segelhafen ist eine Anlandestelle, an der sogar zwei Trolleys liegen, mit denen man sein Boot zum Übernachtungsplatz bollern könnte. Den haben wir auf dem Herweg glatt übersehen, aber auf dem Rückweg erkennen wir den recht großen Karavan-Stellplatz, auf dem erstaunlich viele Campingwagen stehen. Das wäre eine Möglichkeit, wenn man mit einer Gruppe und in der Hochsaison unterwegs ist.
Es hätte auch den ganzen Tag schütten, kalt sein und wehen können - aber nichts dergleichen! Wir werden heute wirklich verwöhnt: Das Gras, die Boote und unsere Zelte sind furztrocken, als wir alles zusammenpacken (Nein, das Gras haben wir da gelassen, aber die Bank haben wir wieder weggeräumt!). Sogar unsere Wäsche auf der Leine hat sich der Wirkung der Sonne nicht verweigern können. Ich liebe es, meine Ausrüstung trocken in mein Boot zu stauen! Für heute steht keine große Bewährungsprobe an. Olav hat mit Hilfe von Trenks Navigationsrechner (so 'ne Art viereckiges Geodreieck mit Bindfaden dran) die Peilung von unserem Standort nach Mommark ausgependelt. 200 Grad - auf den nächsten vollen Hunderter gerundet. Wind findet eher nicht statt, dafür scheint die Sonne. Der Belt ist gegenüber unserer Herfahrt nicht wieder zu erkennen. Heute konnte man die Überfahrt auch mit einer Badenudel bewerkstelligen. Wir fahren mit konstanter Geschwindigkeit in Harmonie und Eintracht der Sonne entgegen. Aber irgendwann ist Trenk zuviel Harmonie, weil er in der Mitte zwischen uns fährt und ständig aufpassen muss, dass er weder mit dem einen noch mit dem anderen kollidiert. Also disharmonieren wir etwas und geben uns so mehr Raum.
Nach genau einer Stunde konstanter Paddelei machen wir fünf Minuten Pause. Eigentlich. Aber Trenk muss noch länglich auf seinem GPS rumprogrammieren, so dass Olav und ich uns schließlich nach knapp zehn Minuten auf den Weg machen, während Trenk immer noch in sein GPS vertieft ist. Als er ansetzt, uns wieder einzuholen, setzt auch wieder der lange vermisste Gegenwind ein. Es ist nicht viel, aber er ist spürbar. Allerdings taucht seine bremsende Wirkung in unserem Geschwindigkeitsdiagramm nicht auf, denn Trenk zieht einfach das Tempo seiner Aufholjagd bis zum Hafen durch. So erreichen wir Mommark trotz Pause und Gegenwind bereits nach zwei Stunden. Im Hafen steuern wir diesmal einen der Bootsstege an, denn den Slip haben wir nicht in guter Erinnerung. Dabei beeindruckt mich Trenk noch einmal, indem er sich während der Fahrt in seinem Boot hinstellt und dann elegant auf den Steg steigt. Das möchte ich auch können!
Vier Tage voller Gegenwind? Vier Tage mit tollen Erlebnissen, in toller Natur. In hohen Wellen und dichtem Nebel. In Sonne und Wind. In Einklang. Zusammen mit einem in den vergangenen Jahren so wunderbar gereiftem Partner und einem in den kommenden Jahren reifenden Neuling. Wunderbar, welche Erlebnisse so kleine Boote einem ermöglichen.
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