Die Nacht auf dem Kiesbett war ruhig. Der erste Blick aus dem Zelt ist vielversprechend: Trocken und kein Wind. Doch der Tag gestern hat seinen Tribut gefordert. Bei mir ist der Rückenmuskel auf der rechten Seite verspannt, Trenk schmerzt das Handgelenk und Olav braucht mindestens einen Tag Ruhe. Ehrlich gesagt, ist das ein geringer Preis für das, was uns gestern abgefordert wurde. Trenk hat über zwei Stunden eine Schleppleine hinter sich hergezogen, die ihn erheblich gebremst hat. Ich wäre wahrscheinlich nach der Hälfte der Zeit eingebrochen. Olav hat wacker einen Kampf gefochten, in dem die meisten schon beim Anblick des Schlachtfeldes klein bei gegeben hätten. Er aber ist fast dreieinhalb Stunden ohne Pause gegen einen konstanten fünfer Wind durch gigantische Wellen gepfügt - hat also Bedingungen standgehalten, die alles, was er bisher erfahren hat, um Dimensionen übersteigen. Sein Potential hat sich also gestern voll entfaltet. Aber heute morgen ist er verständlicherweise etwas zerknittert und möchte heute nicht mit uns weiterpaddeln. Er hat alles dabei, wir sind nicht weit von Söby entfernt und übermorgen werden wir uns wieder treffen - entweder hier oder, wenn die Umstände es zulassen, auf Lyö. Toillettenpapier habe ich ihm gegeben, auch etwas Spiritus für seinen Kocher. Für den Rest muss der Supermarkt in Söby herhalten. Trenk und ich werden uns heute allein gegen den Wind nach Osten kämpfen. Olav winkt uns etwas wehmütig vom Strand aus zu.
Der Kampf beginnt gleich nach ein paar hundert Metern hinter der nächsten Ecke. Die Abdeckung durch die Insel findet quasi nicht statt und so setzt sich fort, was wir gestern nur zu gern beendet hatten: Ein elendes Keulen gegen einen Wind, der alles daran setzt, unser Vorankommen zu verhindern. Spaß geht anders! Trenk fährt anfangs mit seinem Grönlandpaddel und mir reicht die moderate Geschwindigkeit eigentlich absolut. Als er es irgendwann wieder gegen sein Drachenpaddel aus Wales eintauscht, ist er gleich deutlich schneller und ich muss mich wieder mehr anstrengen. Bis zur Hafeneinfahrt von Söby fahren wir noch in gerader Linie über das offene Wasser. Danach hangeln wir uns dicht an das Ufer geschmiegt weiter nach Südosten vor. Unsere Geschwindigkeit geht auch tatsächlich um gut einen Stundenkilometer hoch: von etwa 4,5 auf etwa 5,5 Stundenkilometer!
Während wir so dicht am Ufer entlangschleichen, haben wir Gelegenheit, seine Eignung zum Anlanden gründlich zu studieren. Im Groben und Ganzen kann man sagen, dass sich die Nordseite von Ärö zum Anlanden nicht eignet. Aber es gibt immer wieder einmal kleine Streifen sandigen Ufers, an denen man dann doch ganz passabel an Land kommen könnte. Allerdings muss man eben wirklich dicht unter Land fahren, damit man diese Gelegenheiten erkennt. Nach etwa zwei Stunden sind wir so mürbe, dass wir an einer windgeschützten Stelle Pause machen.
Der weitere Weg ist mehr Kampf als Erholung, denn der Wind weht uns wie von der Vorhersage versprochen mit sechs Beaufort ins Gesicht. Leider haben wir keine rechte Idee, wo wir unser Lager aufschlagen sollen und so suchen wir etwas planlos die Gegend nach einer geeigneten Zeltmöglichkeit ab. Schließlich landen wir an der letzten Möglichkeit vor den Badehäuschen von Ärösköbing an - auch wenn es hier nicht wirklich einladend aussieht. Unter normalen Umständen hätten wir so einenPlatz nie als Heimstatt aufgesucht, sondern wären eher noch zwanzig weitere Kilometer gepaddelt. Aber die nicht einmal zwanzig von heute fühlen sich eher an wie sechzig - und da tut es eben auch ein Zeltplatz mit eher unterirdischem Komfort.
Wir machen noch einen ausgiebigen Spaziergang, der uns nach und durch Ärösköbing führt. Eine freundliche Dänin will mich fast auf der Stelle wegheiraten, so sehr gefällt ihr mein Outfit mit dem pink-grünen Patagonia-Flies aus den achtziger Jahren! Leider ist sie mit ihrem Fahrrad zu schnell außer Rufweite, so dass ich sie nicht nach ihren Vermögensverhältnisse fragen kann. Eine Tour zu zweit ist immer gut für intensive Gespräche über dies und das, die Famile, den Beruf, die Pläne - und manchmal sogar über das Paddeln. Auch einer der Aspekte, für die ich ausdehnte Touren liebe.
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