Samstag, 4. Oktober 2014
Sommer auf Samsö - im Oktober! (2/3)
Auch ich war gestern Abend dann doch recht früh im Schlafsack. Trotzdem habe ich keine Probleme bis sieben Uhr durchzuschlafen. Die Sonne ist noch nicht aufgegangen und auch aus den Zelten meiner Begleiter dringt kein Lebenszeichen. Also mache ich erst einmal einen Spaziergang auf den nahegelegenen Hügel. Von hier aus hat man einen prächtigen Rundblick über die noch verschlafene Insel. Als ich zurück komme ist immer noch kein Leben in unsererem Lager. Um kurz vor Acht lugen die ersten Sonnenstrahlen über den Hügel und kurz danach auch meine Mitstreiter aus ihren Stoffhütten.
Es ist ein wunderschöner Morgen, den wir in aller Ruhe und mit großer Sorgfalt genießen. Nach dem Frühstück rückt Trenk mit der Botschaft heraus, dass er sich gestern seinen Rücken wund gepaddelt hat. Das war im Wesentlichen der Grund, weswegen er in Kolby Kaas Erleichterung am Strand gesucht hat. Er murmelt etwas davon, dass er möglicherweise die Fähre nehmen muss. Nach einer eingehenden Untersuchung werden die nässenden Wunden dick mit Wundauflage gepolstert und diese mittels Klebeband fixiert. Damit sollte er besser paddeln können als jemals!
Ein gemeinsamer Besuch des Hügels ist fällig. Schon auf dem Weg dorthin werden wir von mehreren Schüssen aufgeschreckt. Das kennen wir schon von anderen Touren: im Herbst wird in Dänemark auf alles geballert, was nicht bei drei hinterm Horizont verschwunden ist! Uns ist etwas mulmig zumute, aber wir gehen davon aus, dass wir hinreichend deutlich von Hasen und Moorhühnern zu unterscheiden sind, so dass man schon nicht auf uns schießen wird. Vom Gipfel des Hügels kann man die Geländewagen der Ballermänner in der Landschaft stehen sehen. Wir denken uns weiter nichts dabei und trotten zu unseren Zelten zurück, doch kaum von der Spitze des Hügels hinabgestiegen, kommt ein Geländewagen die Koppel hochgeprescht. Dies sei Privat-Gelände, werden wir belehrt, und man dürfe hier nicht spazieren gehen. Wir bringen unsere Unkenntnis und Bedauern zum Ausdruck. Man versichert uns, dass es nichts mache, aber dass es eben Privatgelände sei und man es nicht betreten dürfe. Auch als der Geländewagenfahrer schließlich unsere Zelte entdeckt (welcher Idiot baut denn auch sein orangenes Zelt weithin sichtbar auf?), belehrt er uns, dass es nichts mache, aber dass es nicht erlaubt sei. Wir entschuldigen uns abermals und versichern, dass wir umgehend verschwinden werden. Wir bekommen noch den Hinweis, dass mit diesem Gespräch bereits alles geregelt sei, sollte der Mann von der anderen Farm uns noch ansprechen.
Kaum sind wir bei unseren Zelten angelangt, kommt auch schon ein Riesentrecker über den Acker geöttelt. Der Fahrer darin blickt erheblich grimmiger drein, als sein Kollege von vorhin. Auch von ihm erhalten wir die Belehrung, dass es sich hier um Privatgelände handele, das man nicht betreten und schon gar nicht bezelten dürfe. Auf unsere Auskunft, dass wir unverzüglich weiter nach Tunö paddeln wollen, erhalten wir noch den Hinweis, dass schlechtes Wetter im Aufzug sei. Bei aller Grimmigkeit der beiden Bauern ist uns nicht ganz klar, was eigentlich der wirkliche Grund für die massive Intervention ist. Wir vermuten, dass man gerne ungestört dem Jagdgeschäft nachgehen möchte und keine Rücksicht auf irgendwelche in die Schusslinie geratenden Paddler nehmen möchte.
Die Sachen in die Boote verstauen dauert nicht lange und so rutschen wir bald den steilen, steinigen Strand hinunter ins grünblaue Wasser. Wir wollen erst einmal dicht an der Küste entlang nach Norden paddeln. Dort wo ihr Verlauf einen deutlichen Knick nach Osten macht, wollen wir entscheiden, ob Trenk alleine weiter Richtung Fährhafen fährt oder mit uns nach Tunö quert. Der Wind kommt heute noch südlicher als gestern, so dass es keine große Anstrengung bedeutet, am Strand entlang zu rutschen. Nach wenigen Kilometern tauchen zwei Schweinswale dicht vor uns auf. Es handelt sich vermutlich um Mutter und Kind, denn das eine Tier ist deutlich kleiner als das andere. Sie haben die gleiche Richtung wie wir, aber nach ein paar Mal Auftauchen bleiben sie verschwunden.
An der Stelle, wo sich der Küstenverlauf von Samsö nach Osten zurückzieht, einige Kilometer vor dem Fährhafen Sälvig, legen wir eine Pause ein. Hier gibt es ein Tisch-Bank-Kombi, an der wir uns bequem entspannen und stärken können. Vom nahen Hügel hat man einen wunderbaren Blick auf die Umgebung. Die Sicht ist heute deutlich besser als gestern und man kann unser Ziel Tunö bereits schwach im Dunst erkennen - aber das gute zehn Seemeilen entfernte Festland kann man beim besten Willen nicht ausmachen. Trenk hat die Sache mit der Fähre längst abgetan - viel zu gut hat Peters medizinische Behandlung gewirkt. Wir gehen die Überfahrt auf direktem Wege an, gute zwölf Kilometer offenes Wasser bei Windstärke fünf genau von hinten!
Je weiter wir uns vom Ufer entfernen, desto weißer wird das Wasser um uns herum. Der lange Fetsch beschert uns Wellen bis einen Meter Höhe und ich bin froh, mit so kompetenten Paddlern unterwegs zu sein. Obwohl ich es ausdrücklich nicht darauf anlege, erwische ich immer wieder den einen oder anderen Surf, der mich gefühlte hundert Meter mit zehn Knoten nach vorne preschen lässt. Trenk genießt hier in vollen Zügen, sich nicht um zahlende Klienten kümmern zu müssen, und haut rein, was das Zeug hält. Nur Peter kann die Verhältnisse nicht uneingeschränkt genießen, weil sein Skeg Probleme macht. Jeder andere wäre in so einer Situation mit nicht korrekt funktionierendem Skeg vermutlich verzweifelt - nicht so Peter, der geduldig sein bockiges Schiff immer wieder zurück auf den korrekten Kurs bringt. An der Sandbarre am Ostzipfel von Tunö können wir noch einmal kurz kleine Brandungswellen genießen, bevor wir in das komplett ruhige Wasser an der Nordseite der Insel eintauchen.
Ich habe mit meinem GPS-Gerät einen Punkt ausgemacht, der mit "Drinking water" bezeichnet ist. Das muss der Übernachtungsplatz sein, habe ich messerscharf geschlossen. Als die Rest-Entfernung bis zum markierten Punkt noch etwa dreihundert Meter beträgt, entdecke ich eine der komfortablen Tisch-Bank-Kombinationen und beschließe, hier anzulanden. Ich versuche noch, den einprogrammierten Punkt mit meinem GPS-Gerät an Land exakt zu finden, kann aber nichts entdecken, was einem Übernachtungsplatz ähnelt. Erst als ich den am Tisch pausierenden Dänen frage, weist er in die entgegengesetzte Richtung und bestätigt, dass es dort tatsächlich Trinkwasser gibt. Wer immer den Punkt in die Karte programmiert hat, er lag satte 500 Meter daneben!
Der Übernachtungsplatz liegt im Wald, und dessen Tisch-Bank-Kombinationen ist bereits belegt von einer Schulklasse, die sich dort mit zwei großen Zelten niedergelassen hat. Da im Wald keine Sonne scheint und man nicht aufs Wasser blicken kann, bleiben wir hier und machen eine ausgiebige Kaffee-Pause. Erst danach schaffen wir unsere Boote mit den Bootswagen zum Platz unter den Bäumen, wo wir unsere Zelte aufbauen. Der Tag ist noch jung und die Insel unbekannt. Also machen wir einen Spaziergang zum Dorf Tunö, dessen Kirche und seinen Hafen. Anders als z.B. auf Lyö, wo so viele Häuser "Til Salg" gehören, scheint hier der Exodus noch nicht eingesetzt zu haben. Es ist überall Leben zu spüren und dass es sich für die Einwohner der Insel lohnt. Das spiegelt sich auch im Hafen wieder, der alle Annehmlichkeiten bietet, die man sich als Urlauber nur wünschen kann: Aufenthaltsräume mit Kochgelegenheiten, überdachte Grillplätze, natürlich Toiletten und Duschen und sogar einen Fahrradverleih. Die Insel böte sich für ein Standlager an, wenn man die Gegend hier einmal etwas intensiver erkunden wollte. Aber so einfach wie die dänische Südsee ist dieses Revier hier leider nicht - es ist eher so etwas wie die dänische Südsee für Erwachsene: die Entfernungen sind weiter und die Fahrten ausgesetzter. Da kann ein Durchschnittskanute schnell mal überfordert werden.
Heute sind wir bereits im Urlaub angekommen - der Alltag ist weit hinter uns gelassen, und wir sind gründlich ausgeschlafen. So sitzen wir diesmal noch lange nach dem gemeinsamen Abendbrot zusammen und ziehen uns erst so gegen neun Uhr in die Zelte zurück.
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