Sonntag, 24. Mai 2015

Fehmarn an Fingsten

"Pfingsten geh ich paddeln!", diesen Pflock hatte ich am heimischen Küchentisch schon lange vorher und mehrfach eingeschlagen! Zwar hatte ich mich vor längerem mit Jörg dazu verabredet, aber der hatte unsere Absprache vergessen und war eine andere Verpflichtung eingegangen. Er wollte Fritz helfen, sein Boot nach Arnis zu bringen - ohne Zweifel ist dafür schwerer geeigneter Ersatz zu finden, als jemanden, der mit mir paddeln geht. Beim Mittwochstraining frage ich Gerrit, ob er für die kommenden Feiertage schon etwas vorhat - hat er nicht. Die Überlegung, wohin wir fahren, dauert nicht lange, denn meinen Einwand, dass eine Umrundung Fehmarns ja ausfällt, weil sie nicht genug zu bewältigende Strecke für drei Tage bietet, entkräftet er mit einem "Und wenn wir nur zwei Tage fahren?". Das ist auch viel entspannter, und ich habe dann auch noch einen Tag für den heimischen Küchentisch! Am Freitag fiel mir auch noch ein, dass wir ja gar nicht unbedingt zu zweit fahren müssen und Peter seine geplante Schleifahrt wegen mangelnder Meldungen abgesagt hatte. Kurz gefragt - ja, auch er hat Zeit und Lust.

In Gerrit haben wir einen Kundigen gefunden, der die Verhältnisse der ehemals größten Insel der Bundesrepublik bis ins intime Detail kennt. Außerdem haben wir alle so moderne Super-Handies, mit denen wir auf der Hinfahrt immer wieder nachsehen, wo ein geeigneter Startpunkt für unsere Unternehmung wäre. Unsere goldene Wahl fällt schließlich auf einen kleinen Ort am Südostende der Orther Reede mit Namen - "Gold"! Das ist nicht weit entfernt von dem Campingplatz, auf den wir uns damals bei meiner ersten Umrundung Fehmarns am ersten Abend gerettet haben.

Das Wetter ist sonnig, aber nicht besonders warm, der Wind bläst genau entgegen. Auch das ist nah dran an den Verhältnissen von damals. Aber dieses Mal steckt mir keine eben überwundene Erkältung im Bauch und meine Erfahrung, Kraft und Zutrauen sind beträchtlich gewachsen  seitdem. Das erste Stück geht zwar wie vor elf Jahren stramm gegen den Wind, aber wegen des größeren Vermögens und der heute fehlenden Schwächung nagt das nicht im entferntesten am Gebälk. So gehen wir nach guten zwei Stunden zur Pause an den Strand, weil wir Lust darauf haben und nicht, weil die Batterie absolut leergelutscht ist.

Ich erinnere mich noch, dass die Strecke bis zur Nordwestspitze der Insel damals unglaublich lang war, und dieses Mal will ich es fast nicht glauben, dass wir sie in so kurzer Zeit schon erreicht haben sollen. Aber da keiner von uns eine Karte mitführt und die Landschaft irgendwie nicht sehr markant daherkommt, lassen wir uns mehr als einmal täuschen, dass das in der nahen Ferne zu erkennende Abknicken der Uferlinie schon die finale Spitze sein soll. Ist es natürlich nicht, und so können wir das herrlich grün-blaue Wasser mit den leider eine Nuance zu kleinen seitlichen Wellen doch länger genießen als gedacht. Irgendwo im grün-blauen Nirgendwo entdecke ich eine Unregelmäßigkeit in der Wasseroberfläche und forsche nach. Da schwimmt eine gigantische Angel im Bach! Ich fixiere sie auf meinem Boot und will weiterpaddeln, aber ihr Haken ist vermutlich irgendwo festgepinnt, so dass ich kaum vorankomme. Peter muss nicht retten, indem die Sehne gekappt wird. Schade, so geht mir leider Angelhaken und Köder verloren!

Nach dem ultimativen Knick der Landschaft haben wir Wind und Wellen genau von hinten und es ist ein Kinderspiel, sich dem Ziel entgegentreiben zu lassen. Auch hier hätten die Wellen ruhig einen Tuck höher sein können - aber wir wollen nicht undankbar sein. Unsere zweite Pause machen wir direkt unterhalb des Niobe-Denkmals. Anders als bei der ersten Pause, bei der ich sogar trockene Füße beim Ausstieg behielt, agiere ich hier ausgesprochen ungeschickt. Am Ende ist mein Cockpit bis zum Anschlag mit Wasser geflutet. Im Schatten des Denkmals reden wir ein bisschen über das Unglück von damals und dass wir mit unseren Booten bei den damaligen Verhältnissen bessere Chancen gehabt hätten.

Der Hafen von Puttgarden ist immer ein unangenehmes Hindernis. Der Fährverkehr ist relativ dicht und die offizielle Variante, ihn zu passieren, ziemlich ungünstig. Dort ist das Fahrwasser einfach schon viel zu breit. Also pirschen wir uns relativ dicht an den Hafeneingang heran und behalten die Fähren genau im Auge. Da eine gerade eingelaufen, die andere vor längerer Zeit ausgelaufen ist, besteht eigentlich kein Grund zur Sorge. Trotzdem gehen wir in dichter Packung an der Hafenausfahrt vorbei.

Mein Ziel ist, den damals zur Übernachtung genutzten Strand wiederzufinden. Ich weiß, dass da kurz vorher ein einsames Haus direkt auf dem Steilufer stand, das ich auch diesmal wiedererkenne. Zwar habe ich einen weitläufigen Sandstrand ohne Steine in Erinnerung, aber nach elf Jahren sind die Bilder im Kopf halt etwas verwaschen. So gehen wir an einer Stelle an Land, bei der  wir doch noch einige Steine passieren müssen, bevor wir auf sandigem Untergrund unsere Zelte aufbauen können. Peter hat leider seine Schuhe vergessen. So muss er strumpfsocks im Sand rumlaufen, was seine Beweglichkeit deutlich einschränkt. Wir lassen uns durch solche Lapalien nicht die Gemütlichkeit des Abends vermiesen und sitzen noch lange gemütlich bei Kakao und Tee in mückenfreier Atmosphäre beisammen.

Die Nacht ist mild, soweit man das in einem so kalten Frühjahr wie diesem sagen kann. Der Wind ist fast komplett eingeschlafen und wir haben gestern bereits vierzig der sechzig für eine Umrundung notwendigen Kilometer geschafft. Das verspricht ein entspannter Tag zu werden. Es ist etwas bewölkt, die Sonne mogelt sich zwar immer mal durch, aber die Temperaturen sind eben nicht besonders üppig. So fahre ich mit meiner albernen signalgelben Schirmmütze durch die Landschaft, die eigentlich eher für einen Auftritt im Winter gedacht war. An Staberhuk vorbei teilt sich unsere Gruppe in zwei Teile. Peter und Gerrit versuchen eine möglichst gerade Spur zu ziehen, während ich mich recht dicht am Ufer halte. Natürlich bedeutet das einen längeren Weg, aber es geht mir gut und ich fahre zügig. Den Pausenplatz kurz westlich von Palma de Fehmarn erreiche ich deutlich vor den beiden anderen.

Wegen des mittlerweile ausgesprochen guten Wetters herrscht eine rege Betriebsamkeit am Strand. Das Steilufer hier ist von zahllosen Löchern durchsiebt - von hier in Richtung Sund-Brücke erstreckt sich die zweitgrößte Uferschwalbenkolonie Schleswig-Holsteins! Da fragt man sich doch: wo ist denn die Größte? Nach ausgiebiger Pause - wir haben noch den gesamten Tag Zeit - wollen wir die paar Kilometer bis zu unserem Ausgangspunkt zurücklegen. Anfangs merkt man es noch nicht, aber wir werden von einer ordentlichen Strömung unterstützt. Unter der Brücke kann man dann deutlich sehen, wie das Wasser Wirbel an den Pfeilern wirft. In der Ohrter Reede lässt Gerrit es sich nicht nehmen, einmal aufzulaufen, es gibt wirklich flache Stellen hier. Verbunden mit im Wasser befindlichen großen Steinen ergibt das ein brenzliges Revier bei windigen Bedingungen. Heute herrscht Flaute!

Fehmarn bietet eine wirklich lohnendeTour. Allein die Tatsache, dass man bei einer Komplett-Umrundung erhebliche Distanzen gegen den Wind bewältigen muss, machen es zu einem Garanten für lange Arme - es sei denn, man hat so viel Glück mit dem Wind und seinen Richtungen wie wir diesmal!

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