Sonntag, 3. Mai 2015

Dreiviertel-Leuchtturm

Vorhersage: 9 - maximal 12 m/s
Das lange Wochenende über den 1. Mai stand an. Es war keine Tour geplant, denn ich brauchte auch mal wieder etwas Zeit zur Muße und für Zuhause. Aber etwas sollte doch gehen. Jörg hat den Sonntag vorgeschlagen und ich schlug willig ein. Johanna wollte auch gerne mit mir paddeln, aber ich wollte keine zwei Termine haben, also lud ich sie ein, mit Jörg und mir aufs Wasser zu gehen. Sie war etwas überrascht, dass wir sie so freimütig eingeladen haben, aber ihre Vorstellung auf der Rückfahrt von der Munitionspier am vergangenen Mittwoch gegen einen nicht unerheblichen Wind hat uns Respekt abgenötigt.

Ich wollte mal etwas anderes machen als immer nur dieselbe Strecke auf der Förde fahren. Als Jörgs allfälliger Anruf kam, unsere Verabredung zu versichern, schlug ich ihm vor, zum Außenleuchtturm zu fahren. Es sollte ein guter fünfer Wind aus östlicher Richtung blasen, so dass es nicht allzu schwierig werden, aber schon richtige Wellen geben würde. Dass unsere junge Freundin das wuppen würde, haben wir ihr ohne weiteres zugetraut, lediglich bei ihrer Kleidung müsste sie noch mal etwas drauflegen - und wenn es nur dazu diente, dass uns beiden älteren Herren etwas wohler ist. Doch kurz nach Jörgs Anruf trudelt eine Mail ein, dass sie überraschend Besuch von ihrer Schwester bekommen hat und sich unser gemeinsames Abenteuer damit erübrigt.

Als unser Blick nach der Kurve in Strande über die Förde schweifen kann, sind wir - mal wieder - etwas überrascht, wie viel Weiß sich da draußen zeigt. Naja, ist halt frischer Ostwind, da sieht das so aus. Entgegen unserer Befürchtung, keinen Parkplatz für unseren Wagen direkt am Leuchtturm zu bekommen, müssen wir erstens feststellen, dass die Belegung trotz des brillianten Wetters heute nur ausgesprochen lückenhaft ist und zweitens, dass der Parkautomat nicht funktioniert, so dass wir trotz guten Willens keinen Obulus entrichten können.

Es herrscht reger Betrieb: am Ufer flanieren die Menschen und auf dem Wasser toben mehrere Regatten. Dazwischen segeln etliche Yachten, für die die Saison nun wieder angefangen hat und auch einige Traditionssegler, die bei dem Wind mit ihren geblähten Segeln wunderschön aussehen. Der Wind ist übrigens sehr stetig. Stramm zwar aber nicht bissig. Die sieben Kilometer bis zum Leuchtturm sollten kein wirkliches Problem darstellen für zwei so gewiefte Nautiker und durchtrainierte Athleten wie uns. Allein - bei mir will sich nicht so recht die Unbeschwertheit einstellen, mit der sich sonst unterwegs bin. Das wird bestimmt noch, wenn ich erst einmal warm gepaddelt bin.

Die Wellen sind nicht übermäßig groß. Nach einiger Zeit rollen die ersten heran, die die Ein-Meter-Marke überschreiten, aber sie stellen die Ausnahme dar. Mit zunehmender Entfernung von Land werden die Ausnahmen aber immer häufiger, und manche sind dabei, die bestimmt auch an der anderthalb Meter-Marke kratzen. Irgendwann kann man sich nicht mehr sicher sein, ob tatsächlich mehr Wellen höher als einen Meter sind oder niedriger. Wir haben das Gefühl, dass der Wind zugelegt hat, die Rippeln auf dem Wasser sind mehr geworden und es pfeift stärker. Ich mache mir langsam Sorgen, dass wir es noch schaffen, Marie-Theres das Auto rechtzeitig zurückzubringen. Bis zur ersten Kabeltonne haben wir eine halbe Stunde gebraucht und wenn wir dieses Tempo halten, wären es anderthalb Stunden bis zum Leuchtturm. Das ist deutlich länger, als ich eingeplant habe. Wobei "eingeplant" natürlich komplett übertrieben ist, denn von Plan kann hier keine Rede sein. Das war eher mal wieder so ein Stück aus meinem unerschöpflichen Repertoir "naiver Fahrtengestaltung". Soviel zum Thema "gewiefte Nautiker".

Meine Unbeschwertheit will sich auch nach längerem Einpaddeln nicht einstellen und zum Glück bekennt auch Jörg, dass er Bedenken hat, ob die Tour bis ganz zum Leuchtturm nicht vielleicht etwas zu viel Kraft fordert, die wir für den Rückweg bei achterlichem Wind bitter benötigen werden. Das Thema mit den durchtrainierten Athleten sparen wir uns für später im Jahr! So einigen wir uns ohne große Umschweife darauf, die zweite Kabeltonne noch zu umrunden und uns dann auf den Rückweg zu machen. Mittlerweile kann man deutlich erkennen, dass in recht geringer Entfernung zum Leuchtturm eine weitere gelbe Tonne ausgebracht worden ist. Sie trägt ein rotes Kreuz und würde somit ein Sperrgebiet bezeichnen. Ich kann noch mehrere andere Tonnen entdecken, die neu sein müssen und die ich nicht kenne. Ich muss ihre Bedeutung unbedingt klären, bevor ich das nächste Mal hier heraus fahre.

Unser Wendemanöver gestalten wir ausgesprochen behutsam. Gegen einen strammen Wind zu fahren, mag schwer sein, schwierig wird es erst, wenn man den Wind im Nacken hat und er einen schiebt. Nachdem wir mit reichlich Wackeln gedreht haben, gilt es, den Bülker Leuchtturm ausfindig zu machen, der sich wirkungsvoll zwischen den ihn umgebenden Bäumen versteckt. Etwa 210 Grad, dann klappt das schon - und immer schön sinnig und respektvoll mit den Wellen! Nach Surfen steht und vorerst nicht der Sinn, dazu ist die Saison noch zu jung, unsere Hüften noch nicht locker genug, die Wassertemperatur zu niedrig und die Entfernung vom Land zu groß. Hin und wieder versuchen brechende Wellen uns von hinten zu erschrecken und fauchen uns an - aber sie beißen nicht wirklich.

Und mit zunehmender Dauer wird die Hüfte geschmeidiger, die Entfernung vom Land schmilzt und das Zutrauen wächst. Schließlich ist alles wieder soweit ausgesöhnt, dass wir den Schub der Wellen genießen und sogar versuchen, ihn mitzunehmen und zur Beschleunigung zu nutzen. Hoffentlich bieten sich solche Bedingungen auch noch mal im Sommer, wenn die Wassertemperatur barmherziger ist. Dann könnten wir einfach einmal einen Mittwochabend hierher verlegen und richtige Seebedingungen nutzen.

Als ich mir an Land mit meinem Handy die Messwerte der Windgeschwindigkeit am Leuchtturm ansehe, bin ich doch etwas überrascht. Wir waren von 13 bis 15 Uhr auf dem Wasser. 13 Uhr ist kurz bevor die Windstärke die sechs Beaufort-Marke überschreitet, danach herschte durchgehend eine satte Sechs. Das hat die Vorhersage deutlich übertroffen. Vielleicht wäre das doch eine Nummer zu viel gewesen für Johanna. Vielleicht hätte sie mit ihrer naiven Unbekümmertheit aber auch gar nicht gemerkt, dass es mit sechs Beaufort bläst!

Alle Bilder hier.

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