Mittwoch, 8. Juni 2016

Südsee unter Segeln (4/5)

Gestern Abend schwoll die Flaute aus Ost so sehr an, dass schließlich das Wasser spiegelglatt da lag. Wie, als wenn ein Schalter umgelegt worden wäre, setzte urplötzlich ein ganz leichter Wind aus der vorhergesagten Richtung ein: um 180 Grad gegen den vorherigen Wind gedreht! Heute Morgen ist der Himmel das erste Mal bedeckt und es weht ein ordentlicher Westwind. Wie gut, dass wir die Überfahrt gestern bereits erledigt haben!

Bis Pölshuk können wir tatsächlich noch unsere Segel einsetzen, weil ja der Wind von der Küstenlinie herumgebeugt wird. Dadurch sind wir ziemlich schnell. Aber danach bläst es uns direkt ins Gesicht, obwohl wir versuchen, so dicht es geht unter Land zu fahren. Die Flensburger Förde ist voller weißer Schaumkronen und wir steuern erst einmal Kegnäs Fyr an, um dort Pause zu machen und unser weiteres Vorgehen abzustimmen. Dort bewundern wir in der Militärstation direkt am Leuchtturm das dickste Fernrohr, das wir je gesehen haben. Damit kann man das "P" in den Augen der Freizeitkapitäne sehen, wenn sie bei giftigem Wetter den Leuchtturm von Kalkgrund umrunden!

Von hier oben sieht man wunderbar, dass die Förde ziemlich mit weißen Schaumkronen übersät ist und dass der Wind ziemlich genau von Westen her bläst. Wenn wir direkt auf Schleimünde zuhalten würden, könnten wir kaum Nutzen aus unseren Segeln ziehen und auch bei manuellem Paddeln wäre bei der genau quer zu unserem Kurs stehenden Windrichtung wegen des Vorhaltewinkels mit einer leichten Gegenkomponente zu rechnen. Also wollen wir die Steilküste von Kegnäs noch ein Weilchen nutzen, bevor wir uns über das freie Wasser wagen. Das mit dem Windschutz durch die Steilküste funktioniert wie immer nur unbefriedigend, so dass wir nach knappen zwei Kilometern nach Süden abbiegen. Wenn schon Wind, dann wenigstens auf offenem Wasser mit Wellen!

Das anfangs noch türkisgrüne Wasser wechselt bald in tiefes Blau. Mit zunehmender Entfernung von Land wird es lebhafter, das Gefühl von Seekajak-Fahren kommt auf. Zwar sind die Wellen nicht berauschend, dazu weht dann doch zu wenig Wind, aber einige überschreiten durchaus die Halbmetermarke. Genau in unserer Zielrichtung ist ein Objekt platziert, dass wir anfangs als Baukran identifizieren, später aber als Sendemast erkennen. Damit entfällt das unbequeme Schielen auf den Kompass, um den Kurs verlässlich zu halten. Allerdings fahren wir dadurch auch eine ganz leichte Hundekurve, weil wir uns einen feuchten Kehricht um den Vorhalt kümmern.

Als wir hinreichend dicht unter Land sind, werden die Segel gehisst. Zum einen knickt hier unser Kurs deutlich nach Osten ab, zum anderen wird natürlich der Wind der Küstenlinie entlang nach Süden gelenkt. Es zeigt sich schnell, dass das Segel einen spürbaren Zug erzeugt. Wir brauchen das Paddel so gut wie gar nicht einzusetzen, lediglich zur Kurskorrektur ist es manchmal vonnöten. Wir nähern uns Schleimünde mit einer Geschwindigkeit, die man zwar auch mit Paddeln alleine erreichen kann, aber nur, wenn man sich echt anstrengen würde. Wir hingegen lassen uns ausgesprochen entspannt ziehen! So ein Segel kann die Reichweite bei einer Tour enorm erhöhen! Um führ Uhr haben wir den Leuchtturm von Schleimünde direkt neben uns - und vor uns die befremdliche Skyline von Port Olpenitz. Wir freuen uns auf eine warme Dusche, ein kaltes Bier und etwas Schönes zu essen!

Die Zeltwiese ist überraschend dicht bevölkert. Eine Gruppe von fast 25 Schülern aus Lübeck ist mit ihren Lehrern hier aufgelaufen. Schön, dass sich noch Lehrkräfte zu solche Aktionen bereitfinden. Sonst ist nur ein einziger Paddler vom SKC in Schleswig hier. Er ist seit ein paar Tagen regelrecht eingeweht und hofft nun, morgen endlich wieder zurückfahren zu können. Wir suchen uns ein lauschiges Plätzchen etwas abseits vom dichten Gedränge im Windschatten der hohen Mauer Richtung Ostsee. Schnell sind die klitzekleinen Zeltchen aufgebaut und schon geht zur Erkundung in die Giftbude, um schon mal das kühle Bierchen und das Menü für heute Abend klar zu machen.

"Mittwoch Ruhetag" steht da in knappen Worten. Perfekte Planung! Leicht angeknirscht gehen wir zur Hafenmeisterin, um unseren Obulus für die Übernachtung abzudrücken. Es entsteht eine norddeutsche Unterhaltung, bei der von seiten der Hafenmeisterin nicht viel mehr als die Worte "Acht Euro" fallen. Reicht auch völlig hin.

Zum Glück haben wir ja im üppigen Laderaum unserer Schiffe mehr Essbares gebunkert, als wir in diesen Tagen bewältigen können! So haben wir also noch mal Glück gehabt, dass wir nicht Hungers an fremdem Gestaden verrecken müssen, sondern uns eine Spagetti-Pfanne mit Salami und Käse basteln können. Und ich hatte schon befürchtet, dass Jörg mir nun pausenlos in den Ohren liegen würde, dass er 150 Kilometer gefahren ist, nur um ein kühles Bier zu stürzen - und nun ist die Bude dicht wegen so etwas Läppischem wie "Ruhetag"! Nein - er hat diesen Umstand nur ein- zweimal erwähnt - ganz beiläufig. Oder war es elf- zwölfmal?






Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen