Die Fahrt von Göteborg nach Oslo im vergangenen Jahr hat so tiefe Sehnsüchte hinterlassen, dass wir schon bald beschlossen hatten, auch in diesem Jahr eine etwas längere Tour zu unternehmen. Ziel und Zeit waren uns nicht so wichtig, Hauptsache raus und paddeln und weit...
Als Ziel setzte sich dann bald der von uns noch nicht umrundete Teil der Kieler Bucht in unseren Köpfen fest. Wir waren ja vor zwei Jahren schon um den Westteil gefahren, nun sollte die Ostflanke folgen. Als Zeit legten wir die Pfingstwoche fest - mitten im Mai ist das Wetter traditionell prima für derartige Unternehmungen.
Die Vorbereitung gestaltete sich dieses Jahr etwas schwierig. Nie bin ich im Winterhalbjahr weniger gepaddelt als heuer - allzu viel "Ablenkung" hielt mich gefangen. Immerhin habe ich es geschafft, meinen Fitness-Test rechtzeitig zu absolvieren - eine Fahrt vom Klub zum Kieler Leuchtturm nonstop in weniger als sechs Stunden. Und das Wetter blieb bis Ende April derart kalt, dass ich mich lange nicht überwinden konnte, Urlaub für die Pfingstwoche einzureichen. Am Dienstag Morgen der letzten Aprilwoche lag eine geschlossen Schneedecke im Garten. Aber am 1. Mai - genau einen Tag nachdem wir bei Regen und kaltem Wind das Regionale Sicherheitstraining absolviert hatten - begann dann der Sommer! Die Temperatur knackte teilweise die 20 Grad-Marke, die Sonne schien den ganzen Tag und ich reichte meinen Urlaub ein. Nach 10 Tagen war der Sommer leider wieder vorbei, die Temperaturen nicht mal mehr zweistellig, dafür aber die Windgeschwindigkeiten, und ich zog meinen Urlaubsantrag wieder zurück. Nachdem uns also die Eisheiligen das Vergnügen verhagelt hatten, wählten wir mit Bedacht die erste Juni-Woche als Ersatz, um ja nicht die Gültigkeit der Bauernregel mit der Schafskälte zu prüfen.
Auch mit dem ursprünglichen Ziel waren wir nicht rundherum glücklich. Nach der Querung nach Ärö hätten wir die langen, monotonen Landstriche von Lolland, der Weißenhäuser Bucht und der Probstei zu passieren. Und dann ist da noch das unsägliche Schießgebiet von Todendorf, in dem die gesamte Woche zwischen 9 und 17 Uhr potentiell geballert wird. Als wir uns klarmachten, dass der einzige Reiz an diesem Teil der Tour darin bestand, "ihn gemacht zu haben", war uns klar, dass wir das nicht brauchen. Zwar hatten wir eine Umrundung von Mön noch als Plan B erwogen, doch wegen der aufwändigen Anreise schließlich wieder verworfen. So verständigten wir uns auf eine gründliche Umrundung Ärös unter Zuhilfenahme der Dänischen Südsee.
Wie beim letzten Mal bringt uns Marie-Theres nach Bülk, allerdings etwas später als damals: erst kurz vor neun Uhr schwimmen wir auf dem spiegelblanken Wasser. Es ist sehr schwacher Wind angesagt, der aber später zu einen nicht zu vernachlässigenden Nordwind anwachsen soll. Ich hoffe insgeheim, dass dieses Auffrischen nicht allzu früh erfolgt und uns durch unsere Pläne weht. Die Sicht ist deutlich besser als beim letzen Mal, der Kieler Leuchtturm ist ohne Probleme zu sehen ebenso wie das Ostufer und Damp.
Wir fahren in einträchtigem Trott über eine überwiegend ölig glatt daliegende Wasserfläche. Ich bin überrascht, wie häufig wir Fische aufschrecken, die knapp unter der Oberfläche schwimmen. Einmal macht uns ein Hornhecht die Freude, dass er etwa 10 Meter seines Lebensweges außerhalb des Wassers zurücklegt. Wie ein kleiner, zu mager geratener Delfin schnellt er pfeilartig durch die Luft, wobei er mit der Schwanzflosse im Wasser für Vortrieb sorgt. Anfangs wollen sich so gar keine Schweinswale zeigen, aber schließlich sichten wir doch insgesamt acht bis neun dieser kleinen Torpedos.
Wir kommen gut voran, denn der vorhergesagte Nordwind verschont uns. Stattdessen unterstützt uns unerwartet eine klitzekleine südliche Brise, was wir willkommen annehmen. Da wir die mit uns
gehende Brise natürlich nicht spüren, ist uns entsprechend warm. Um wenigstens etwas Abkühlung zu bekommen, fahre ich die ganze Zeit mit geöffneter Spritzdecke. Natürlich hatte ich meine Unterschenkel nicht mit Sonnencreme bedacht, da sie ja normalerweise kein Licht zu sehen bekommen, so dass sie später krebsrot leuchten werden.
Etwa in der Mitte der Strecke kommt ein Segelboot (unter Motor, weil ja kein Wind weht) so dicht auf, dass wir in Rufweite sind. Der Skipper fragt kurz, ob mit uns alles in Ordnung sei, was wir durch Rufen und "Daumen oben" heftig bestätigen. Eine sehr aufmerksame und dezente Geste.
Alles geht problemlos und eigentlich sogar leichter und schneller als gedacht. Als wir nur noch fünf Kilometer bis zum Strand zurückzulegen haben, werde ich immer wieder von Krämpfen in der Rumpfmuskulatur geplagt. Es nützt nicht viel, sich darüber aufzuregen, man muss einfach weiter paddeln - aber sie trüben die Lebensfreude nicht unerheblich. Mittlerweile bin ich mir sicher, dass es sich um ein Defizit im Mineralienhaushalt handelte. Ich hatte am Vortage noch meine Hecke mit der Handschere geschnitten, was die Depots in der Muskulatur wohl sehr beansprucht hat. Und ich habe definitiv zu wenig getrunken, um den Verlust wieder auszugleichen. So quäle ich mich also die letzten Kilometer durch türkisgrünes Wasser an den Naturist-Strand bei den drei Windmühlen auf Ärö. Trotz dieses Einbruches haben wir nur knapp mehr als sechs Stunden für die Überfahrt benötigt - eine glatte Stunde weniger als beim letzten Mal!
Wir haben auf unser neuen Shelter-App entdeckt, dass es beim benachbarten Windmühlen-Tripel auch einen Übernachtungsplatz geben soll - nur eben mit Shelter. Nachdem wir eine kleine Wanderung dorthin unternommen haben, beschließen wir, ihn als Lager für die Nacht zu wählen. Den verbleibenden langen Nachmittag nutzen wir ausgiebig, die sengende Sonne zu genießen und zu entspannen. Ich trinke so viel, wie sonst in einer gesamten Woche nicht.
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