Sonntag, 29. Oktober 2017

Spaß mit Herwart

Dieses Jahr lagen die Feiertage günstig platziert: im Oktober gab es - der Einheit Deutschlands und der Spaltung der Kirche sei Dank - zwei lange Wochenenden, die zu ausgedehnten Paddeltouren genutzt werden wollten. Nicht ganz so günstig verlief die Terminierung der Tiefdruckgebiete in diesem Jahr: Das Einheitswochenende wurde von den Vorboten von Xavier verwässert und verwirbelt, und unsere Pläne für Weltspartag, Halloween und Reformationstag von Herwart gründlich weggeblasen.

Die Vorhersage in den vergangenen Tagen schlug wie der Schwanz eines Hundewelpen hin und her - aber letztlich kristallisierte sich für den Sonntag ein stark nachlassender Wind aus nördlichen Richtungen heraus. Wind aus Nord - und Wassertemperaturen im zweistelligen Bereich - das ist für Jörg und mich seit jeher eine elektrisierende Mischung! Da sollte doch was gehen!

Beim Essen für die Helfer des Abpaddelns, am Dienstag vorher, hatte Nina mir noch offenbart, dass sie mit dem Gedanken spielt, sich zum "Tidal races"-Kurs von Trenk anzumelden. Daraufhin habe ich ihr etwas davon erzählt und gleich ein paar Videos von You-Tube gezeigt. Am Ende des Abends trudelten die Anmeldungen der "ewigen Drei", Maditha, Nina und Olav,  bei Trenk ein!

Da alle drei noch nicht wirklich als erfahren in "bewegtem Wasser" bezeichnet werden können, haben Jörg und ich uns gedacht, dass wir ihnen Gelegenheit bieten sollten, sich darin zu bewähren. Also luden wir sie ein, uns an den Strand von Schönberg zu begleiten.

Innerhalb des roten Rahmens waren wir auf dem Wasser
In der Nacht wüteten am Leuchtturm zwölf Windstärken. Da bedeutet "stark nachlassend" nicht unbedingt laues Lüftchen. Aber die Vorhersage versprach harmlose sechs Beaufort ab der Mittagszeit. Trotzdem bereiteten Jörg die Granitbuhnen vor Schönberg Kopfzerbrechen, weil sie unter diesen Bedingungen und geringer Erfahrung schnell zu selbigem führen können. Er brachte daher den Hafen von Lippe ins Gespräch, wo wir vielleicht bessere Randbedingungen vorfinden würden. Zum Glück lief uns beim Aufladen der Boote Basti vom Nachbarklub noch über den Weg. Der kennt die Gegend dort aus intimer Ansicht. Der Nachteil des Lipper Hafens sei, dass man sich sofort mitten im Inferno befindet, wenn man ihn verlassen hat. Der Strand von Hohwacht würde besser in unser Kalkül passen.

In Hohwacht angekommen, fragen wir in der örtlichen Segelschule nach einer Parkmöglichkeit und bekommen freundlich die Wiese direkt am Strand zugewiesen. Ich nehme die Gegend sofort in Augenschein und bin hellauf begeistert! Die Rahmenbedingungen hier sind um Längen besser als in Schönberg: so gut wie keine Entfernung von den Autos bis zur Wasserkante (gut, das Wasser ist uns auch eine erkleckliches Stück entgegen gekommen), flaches Wasser mit mehreren Brechungsreihen und sogar ein gewisser Windschutz vor dem immer noch viel zu grimmigen Wind! Schon, um bloß dies zu erfahren, hat sich die Fahrt hierher gelohnt.

Bevor wir aufs Wasser gehen, rufe ich noch einmal unsere Kleingruppe zusammen und gebe die Devise aus, dass bei unserer Aktion Sicherheit das oberste Gebot ist, und dass wir auf jeden Fall zusammenbleiben müssen und keiner alleine irgendwo hin fährt. Ist allen klar und akzeptiert!

Ich schiebe alle ins Wasser und gehe als letzter hinterher. Als ich durch die ersten kleinen Brecherchen steche, mache ich mir keine großen Gedanken, dass sie mich aus dem Gleichgewicht bringen könnten. Aber plötzlich erschrecke ich mich doch: meine ganze Aufmerksamkeit gilt den von vorne heranrollenden Wellen, der Wind kommt jedoch genau von der Seite - und eine kräftige Bö bringt mich tatsächlich so aus dem Gleichgewicht, dass ich unerwartet stützen muss!

Die Wellenhöhe ist hier tatsächlich vergleichsweise harmlos - ich schätze sie mal auf zwischen einem halben bis zu einem dreiviertel Meter. Aber der Wind liegt deutlich über den angekündigten sechs Beaufort. Weiter draußen, wo man den Schutz der Landabdeckung verlässt, ist die Wellenhöhe deutlich höher. Ich will da gar nicht hinfahren und irgendjemanden mitlocken. Ich konzentrieren mich lieber darauf, unsere drei Novizen im Auge zu behalten. Sie machen ihre Sache wirklich gut, direkt auf sie zulaufende Wellen machen gar keine Probleme, auch nicht solche, die mit voller Wucht gegen die Brust klatschen.

Aber die andere Richtung wird noch nicht ganz so souverän beherrscht. Zuerst haut es Nina rein, die seitlich von einer Welle erfasst wird und den Angriff anfangs lässig abwehrt. Aber schließlich hat sie das Paddel und das Gewicht auf der falschen Seite und es folgt, was in solchen Fällen immer folgt: sie schwimmt neben ihrem Boot.

Beim Wiedereinstieg zeigt sich, dass wir das bei uns im Verein intensiv üben. Er geht reibungslos und zügig. In diesen Bedingungen verzichte ich allerdings darauf, das Boot vorher auszuleeren, weil die nächste brechende Welle es eh wieder vollschlagen würde. Eine Entscheidung, die vielleicht nicht die beste war, weil man auf dem Video sieht, dass wir uns die gesamte Zeit während des mühseligen Leerpumpens in relativ ruhigen Bedingungen befinden.

Meine Ansage von vorhin hat bezüglich "wir bleiben zusammen" nicht wirklich gefruchtet. Maditha paddelt irgendwo in weiter Ferne durch den Schaum. Als es auch sie reinreißt, ist der Wind der einzige, der meinen Ruf "Maditha schwimmt!" hört. Bei ihr stellt sich die Frage nach dem Ausleeren des Bootes nicht - sie hat keine Lenzpumpe dabei und ich habe meine im Auto vergessen! Also versuche ich, ihr Boot zu entleeren. Das gelingt ganz gut, auch wenn Maditha an meinem Bug hängend nicht gerade die Masse mitbringt, die man man sich als echte Beruhigung wünschen würde. Ich habe gerade ihr Boot entleert und will es neben mich bringen, als der nächste Brecher heranrauscht - und meinen Buganker einfach fortspült! Es reißt auch mich um und ich überlege einen kurzen Moment, was ich machen soll. Aber ich halte Madithas Boot fest und richte mich mit seiner Hilfe wieder auf.

(Das volle Video habe ich zu Vimeo hochgeladen)

Einige weitere Brecher rütteln mich durch, aber ich schaffe es, das Boot festzuhalten, schließlich parallel zu meinem zu bringen und die Paddel einzusammeln. Ich habe reichlich Zeit dazu, denn Maditha versucht zwar, mich schwimmend zu erreichen, aber der Wind bläst mich schneller fort, als sie schwimmen kann. Selbst als sie im flacheren Wasser stehen kann, dauert es noch unendlich lange, bis sie endlich mein Boot erreicht. Wir sparen uns den Wiedereinstieg, weil wir mittlerweile recht nahe am Ufer sind und es einfacher ist, das Boot dort auszuleeren und einen geordneten Neustart hinzulegen.

Am Ufer findet sich eine interessante Konstellation: eine flache Sandbank ist durch den hohen Wasserstand überspült und dahinter hat sich ein tiefes Loch gebildet, in dem das Wasser fröhlich rotiert. Als ich da hinein fahre, um zu sehen, wie Maditha an Land zurecht kommt, drücken mich Strömung und Wind schließlich in den Drahtzaun, der die anschließende Wiese umgibt. Mir bleibt nichts anderes übrig, als auch auszusteigen.

Die anderen sind mittlerweile zu einer kleinen Zwischenpause an den Strand gefahren, und Maditha und ich gesellen uns dazu. Ich bitte noch mal alle darum, enger zusammenzubleiben und dass sich im Falle einer Kenterung alle zum Kenterling begeben sollten, damit wir dann mehr Optionen bei der Rettung haben. Danach paddeln wir wieder alle vier und vergnügen uns noch eine gute Weile in den Wellen, bis Maditha ein zweites Mal abtaucht. Ich bin diesmal am dichtesten dabei und eile zur Assistenz. Als ich sie erreicht habe, blicke ich mich um und sehe, dass meine Worte Gehör gefunden haben: die vier anderen kommen heran - allerdings allesamt im Wasser schwimmend!

In der fälligen Pause zeigt sich, dass die Bedingungen doch kälter sind als erwartet. Ich bin als einziger von Anfang an im Trockenanzug aufgelaufen und fühle mich ganz wohl. Die beiden Mädels bibbern ziemlich, besonders Nina, die vermutet, schon seit ein paar Tagen eine Erkältung auszubrüten. Ich kann einige wärmende Ausrüstungsgegenstände unter meinen Mitpaddlern verteilen.

Jörg hat einen Riesentopf Kohl mit reichlich Fleischeinlage vorgekocht. Über den machen wir uns jetzt her. Allerdings handelt es sich bei den "ewigen Dreien" auch um ewige Vegetarier, weshalb die zwei Verbleibenden nicht die ganze Menge schaffen. Substantiell gestärkt stürzen Jörg und ich uns noch einmal in die Fluten, aber der Wind hat deutlich nachgelassen und die Wellen sind spürbar kleiner. Trotzdem haben wir noch jede Menge Spaß. Schließlich schmeiße ich mich auch noch einmal rein, um wenigstens einmal meine Rolle bemühen zu müssen. Zuerst bin ich ziemlich überrascht, dass es unter Wasser dermaßen dunkel ist. Aber das war letztlich vorhersehbar, so trübe wie das Wasser ist. Der Ansatz meiner Rolle ist etwas schludrig und halbherzig, so dass ich gleich wieder drin liege. Erst bei meinem dritten Versuch bin ich konzentriert genug, dass es klappt. Auch das muss ich viel öfter üben, damit es selbstverständlicher wird.

Am Ende eines wunderbaren Tages packen wir die immer noch frierende Nina ein und fahren unter einem bleu-rose Himmel zufrieden nach Hause!

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