Sonntag, 4. Februar 2018

Schwentine im Schnee

Schnee war vorhergesagt. Ein bisschen - um 13 Uhr. Und Nordwind - ein lauer Fünfer. Als ich auf dem Weg zur Halle an der Seebadeanstalt vorbei fahre, lässt der Blick auf die Förde nur eine Konsequenz zu: Dichtes Schneetreiben und heftige Reflexionswellen - also: Schwentine! Jörg teilt mir bei Ankunft gleich mit, dass auch er allenfalls auf unserem Rückzugsfluss paddeln wird - keinesfalls aber Richtung Norden auf der offenen Förde. Johanna braucht noch ein bis
zwei Argumente aus den Mündern ihrer Senioren-Begleiter, bis auch sie sich dreinfügt.

Als wir unsere Boote in den Schnee vor der Halle legen, kann man das gegenüberliegende Ufer noch einwandfrei erkennen. Als wir zur Abfahrt fertig sind, steckt alles ab Fördemitte im dicken Dunst des Schneetreibens. Da können wir unmöglich losfahren, und so drehen wird die Boote auf den Kopf und verbringen noch eine gute dreiviertel Stunde mit Diskussionen über die Situation und zurückliegende Ereignisse. Dann ist das Schneetreiben licht genug, dass eine Überfahrt kein unverantwortliches
Wagnis mehr ist.

Allerdings geht schon Wind und seine nördliche Richtung schiebt Wellen zusammen, die nicht unerheblich sind. Das macht keinem von uns Probleme, aber der waagerecht treibende Schnee setzt Jörgs Brille von außen zu und von innen beschlägt sie durch die Kälte. So kann er die heranrauschenden Wellen zwar hören, aber irgendwann nicht mehr sehen. Mehrmals muss er innehalten, um sich wieder Sicht zu verschaffen.

Sich an der Umtragestelle aus dem Boot zu winden, ist mühsam, und Jörg meint, er hätte sich beinahe zwischen Steg und Boot gesetzt - das wäre nicht gut gewesen. Die Schwentine präsentiert sich dann wunderbar verschneit und ruhig. Mit zunehmender Strecke wird die Gegenströmung stärker und wir geben uns redlich Mühe, jedes noch so kleine Kehrwasser auszunutzen. Ich glaube zwar, dass die meisten davon nur eingebildet sind, aber sie helfen trotzdem! Es gibt einige knifflige Stellen, bei denen unglücklich in den Fluss gefallene Bäume die Pfadfindung etwas knifflig gestallten, aber wir kommen überall problemlos durch.

Das letzte Stück vor der Oppendorfer Mühle verlangt uns wirklich alles ab, denn das viele Regenwasser der letzten Wochen und Monate will alles gleichzeitig ins Meer und kommt uns ungeduldig entgegen. So schlage ich vor, direkt hinter der Straßenbrücke unsere Stullen-verdrück-Pause zu machen und uns den Rest bis zum Kraftwerk zu schenken. Hier legen wir unsere obligate Literaturstunde ein, in der wir darüber philosophieren, ob "Über allen Wipfeln ist Ruh" von Ludendorff(*) ist oder von Eichendorff oder doch von Goethe.

*(Nicht, dass hier noch einer auf falsche Gedanken kommt: Ludendorff war General und hat keine Gedichte hinterlassen!)

Johanna merkt während unserer Pause noch an, dass das schwierigste am Fahren auf der Schwentine doch die Zweige sind, die allenthalben in die Strömung hängen und das Fahrwasser arg einengen. Nach der Stärkung freue ich mich, dass wir uns nur noch in der Hauptströmung halten müssen, und dann spült es uns schon ganz von alleine dreiviertel des Wegs nach Hause. Das geht die ersten paar Hundert Meter auf ziemlich gut - bis der Ruf "MATHIAS!" durch das verschneite Tal schallt. Eines der Kajaks hinter mir schwimmt kieloben im Wasser, daneben unsere junge Freundin, die die Sache mit den Zweigen noch mal genauer untersucht hat. Der Klassiker: in schneller Strömung um die Kurve nicht frühzeitig genug in die Strommitte gepaddelt, von einem Ast festgehalten worden, so dass das Boot kippt, stützen ist schwierig, rollen im Geäst noch schwieriger und das eiskalte Wasser tut ein Übriges, die Besatzung im Null-Komma-Nix aus dem Boot zu scheuchen.

Jörg ist bei ihr und assistiert beim Wiedereinstieg. So kann ich mich darum kümmern, die Thermoskanne wieder einzusammeln, die sich alleine stromab auf den Weg gemacht hat. Das Entleeren des vollen Cockpits funktioniert nicht wie gedacht, denn Johannas Pumpe tut nicht, was sie soll. Eingerostet oder so. Ich habe zwar eine zweite, funktionierende dabei, aber wir entschließen uns, einfach ans Ufer zu gehen und die Sache gründlich zu richten. Dort schicke ich Johanna erst einmal in den Wald, um sich warmzulaufen, während ich ihr Boot lenze und herrichte. Zwar hat ihr Trockenanzug dichtgehalten, aber ihre Hände, Füße und der Kopf sind eiskalt. Das Wasser der Schwentine ist im Winter immer noch kälter als das der Förde und dürfte nicht viel über null Grad haben.

Bis zum Klausdorfer Kanuklub sind es zwei bis drei Kilometer stromab, das hält Johanna nach ihrer Aufwärmrunde ohne Weiteres für schaffbar. Dort wollen wir dann sehen und entscheiden, ob wir sie dort deponieren und später abholen, oder ob sie mit uns komplett zurück paddeln kann.

Leider ist es ab nun vorbei mit meinem Traum vom gemütlichen sich mit der Strömung treiben lassen! Johanna paddelt, was das Zeug hält - und wenn ihr nicht warm ist - mir ist es definitiv! Am Klausdorfer Verein herrscht sogar einiger Betrieb, so dass eine Deponierung gar kein Problem wäre, aber Johanna sieht keine Notwendigkeit dafür und will den Rest der Strecke selbst paddeln. Mist - also muss ich bis zum Ende der Strecke keulen!

Zum Glück müssen wir an der Umtragestelle nicht aussteigen und der Wind auf der Förde hat auch etwas nachgelassen. Trotzdem bin ich ziemlich groggy, als ich am heimischen Steg anschlage. Johanna stellen wir gleich unter die warme Dusche, wo sie auch wieder auftaut und durchwärmt. Auch wenn dieser Zwischenfall beileibe kein Drama war, zeigt er doch deutlich, dass eine Schwimmeinlage im Winter sofort eine ernste Notsituation darstellt. Ich hatte früher immer eine zusätzliche Vliesjacke im Boot, ich werde in Zukunft wieder einen Beutel mit kompletter zweiter Garnitur mitnehmen. Nur für den Fall!

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