Sonntag, 4. November 2018

Dänische Südsee November 2018

Windvorhersage
Anderthalb Jahre ist es her, dass ich mit Trenk zusammen auf Tour war. Entsprechend groß war meine Freude, als er einen gemeinsamen Termin in diesem November in Aussicht stellte. Auch Jörg würde dabei sein wollen - wie immer mit den üblichen meteorologischen Vorbehalten. Natürlich ist November kein Garant für stabiles Wetter, aber wenn man darauf setzt, sollte man vielleicht lieber irgendetwas mit "Indoor" als Vorsilbe machen. Die dänische Südsee hatten wir bald als Revier identifiziert, in dem wir uns austoben wollten. Sobald man unser Wochenende am fernen Horizont in der Wettervorhersage erkennen konnte, sah es erst supergut aus, dann eher so mittelgut, dann so, dass ich vorschlug, doch lieber direkt nach Fünen zu fahren, statt den Kleinen Belt auf eigenem Kiel zu queren - und schließlich pendelte es sich bei machbaren Wind- und akzeptablen Wetterverhältnissen ein.

Am Freitag sollten sechs Beaufort aus West wehen - wenn das nicht nach unserem Gusto ist! Jörg ist Rentner, ich arbeite mittlerweile nur noch vier Tage die Woche - und Trenk nur noch drei. Somit haben wir alle am Freitag frei und können uns entspannt für 11:30 Uhr in Fynshav verabreden. Da wir wissen, dass Trenk immer so früh da ist und dann mit trommelnden Fingern im Trockenanzug ungeduldig darauf wartet, dass wir endlich fertig werden, fahren Jörg und ich zeitig los, so dass wir schon um 11 Uhr am Treffpunkt eintrudeln. Trenk steht schon da - hat aber immerhin den Trockenanzug noch nicht an!

Kurz nach zwölf haben wir unsere Boote gepackt und am Slip ins Wasser gesetzt. Es dauert nur ein paar hundert Meter, bis überraschend hohe Wellen von Süden her auf uns zurollen. Da die aktuelle Windrichtung ziemlich westlich ist, haben wir eigentlich mit einem ganz allmählichen Anwachsen der Wellenhöhe gerechnet. Allerdings hat es die gesamten letzten Tage recht ordentlich mit südlicher Komponente geweht, so dass die gesamte Ostsee noch unter Schwingungen steht. Diese laufen hier ganz offensichtlich von Süden herein - was uns mehr als recht ist!

Ich habe auf dem Belt ja schon öfter sein sehr eigenes Wellenmuster bewundert, heute haben wir abermals Gelegenheit dazu. Die gesamte Überfahrt über haben wir es mit zwei fast neunzig Grad gegeneinander versetzten Wellensystemen zu tun: da ist zum einen das Muster, dass durch den aktuellen Wind hervorgerufen wird und mit zunehmenden Fetch immer größere Wellen erzeugt, und zum anderen mit den von der offenen Ostsee von Süden her einlaufenden schwellartigen Wellen. Die Fetchwellen sind zwar recht üppig, aber da die Einwirklänge des Windes nur maximal zehn Kilometer beträgt, bleibt die Amplitude doch im Rahmen. Die Schwellwellen sind dagegen deutlich größer: sie reichen mühelos bis an die Zwei-Meter-Marke heran.

Wir sind alle begeistert von den Verhältnissen und versuchen Spaß mit ihnen zu haben. Das ist mit vollbeladenen Booten nicht ganz anstrengungsfrei zu haben, aber wir bekommen die Boote immer mal wieder in ausgedehnte Surfs. Meine Spitzengeschwindigkeit war 19,5 km/h! Trenk fährt - mal wieder - ein neues Boot, einen Tarantella von Rockpool. In dem legt er auch wie von der Tarantel gestochen los und lässt uns nach Belieben in der Landschaft zurück.

Wir wollen zum Shelter auf Drejö fahren und natürlich können wir unser Ziel lange Zeit nicht sehen - weil es einfach zu weit weg ist. 27,16 Kilometer bei 96,14 Grad hatte ich vorher ausgemessen. Damit wir bei den Nachkommastellen für den Kurs einer Meinung sind, frage ich die anderen nach der Anzeige ihrer Kompasse. Jörgs und meiner zeigen denselben Wert an, wenn wir exakt in die gleiche Richtung paddeln - Trenks liegt 20 Grad daneben! Dafür leuchtet er jetzt im Dunkeln! Trenk hat neulich eine Lampe eingebaut mit extra dicker Batterie. Die hat halt unguten Einfluss auf die Anzeige. Man kann eben nicht alles haben!

Windmesswerte
Nach der Hälfte der Strecke passieren wir die Nordspitze von Ärö. Hier können die Roller von der offenen Ostsee nicht mehr so ungehindert reinlaufen, und ab nun haben wir es vorwiegend mit einer reinen Windsee zu tun. Die ist immer noch beeindruckend und eher nicht Anfänger-kompatibel, denn der Wind hat keinen Deut nachgelassen. Er weht etwas südlicher, als von der Vorhersage vorhergesehen, was aber noch als reiner Rückenwind gewertet werden kann. Allerdings wird auch hier wieder deutlich, dass heftiger Rückenwind zwar kurzzeitige Geschwindigkeitsrekorde ermöglicht, die Durchschnittsgeschwindigkeit gegenüber Flautenbedingungen aber enttäuschend wenig erhöht: wir sind über die 28km mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von etwa 7,5km/h unterwegs gewesen.

Der Shelterplatz ist wie erwartet vollkommen verwaist und wir schmücken die bereit stehenden Bäume erst einmal mit unseren nassen Trockenanzügen, Vliesteddies und Ski-Unterwäsche. Jörgs und mein Trockenanzug sind halt nicht mehr so ganz hundertprozentig dicht. Entsprechend tropft unsere Wäsche lange vor sich hin, während Trenks eher klamm als nass ist. Aber Kokatat hat eben auch seinen Preis.

Insbesondere der Küchenshelter ist ein wahrer Segen. Im Sommer kann man problemlos draußen sitzen und zusammen kochen, aber im Winter ist das bei Dunkelheit, Kälte, Wind und  Feuchtigkeit ein eher ungemütliches Unterfangen. Hier sitzen wir entspannt und geschützt am Tisch und brutzeln uns Nudeln mit Thunfisch auf meinem gemütlich fauchenden Gaskocher.

Jörg und ich belegen je einen der hölzernen Familiensärge für die Nacht, während Trenk sich bereit erklärt hat, sein Zelt aufzubauen. In den Sheltern hat man recht viel Platz und sie sind erstaunlich winddicht - regendicht sind sie sowieso. Da die Temperaturen für November auch eher mild sind, wird es eine sehr gemütliche Nacht - nachdem ich mir die Strümpfe ausgezogen habe, weil mir zu warm war!

Für den Weg zurück haben wir zwei Tage Zeit. Heute am Samstag wollen wir nur bis zur Westseite von Lyö und dann am Sonntag von dort zurück nach Fynshav. Da wir also reichlich Zeit haben, geben Jörg und ich die Devise aus, dass wir erst los fahren, wenn unsere Klamotten trocken sind. Zwar kommt sogar die Sonne hervor und es weht ein leichter Wind - aber der Partialdruck des Wasserdampfes in der Luft ist leider nicht dergestalt, dass die Verdunstungsrate nennenswert über der Kondensationsrate liegt. Im Dilemma zwischen los wollen und in trockene Klamotten zu steigen, gebe ich die folgende Definition aus: "Trocken ist, wenn man wringt und es nicht mehr tropft!" Unsere Minen verziehen sich nur leicht, als wir in unsere derart für trocken erklärte Wäsche steigen.

Damit die Strecke heute nicht allzu kurz ist, fahren wir um die Südspitze von Drejö herum. Die Fahrt bis zum Segelhafen von Avernakö ist nicht besonders spektakulär, aber sie macht wieder einmal deutlich, dass ich jedesmal, wenn ich im Sydfynske Öhav unterwegs bin, eine gewisse Zeit benötige, mich an die Lage und Größe der Inseln zu gewöhnen und die Abstände zwischen ihnen. Hat man sich erst einmal kalibriert, findet man sich gut zurecht und verwechselt nicht mehr Svelmö mit Björnö. Aber ich bin trotzdem davon überzeugt, dass die Inseln früher näher beieinander lagen! Zum Glück weht heute nur ein mäßiger Wind. Trotzdem kommt uns das geheizte Wartehäuschen im Hafen von Avernakö mehr als recht, in dem wir uns aufwärmen, ausruhen und unser Pausenbrot mümmeln.

Auch Lyö hat sich im Laufe der Jahre weiter von seiner östlichen Nachbarinsel entfernt, und im Vorbeifahren an seiner Südküste erinnere ich mich an die katastrophale Umrundung der Insel vor fünf Jahren bei Windstärke sieben. Heute sehen wir schon aus recht großer Entfernung einen anderen Paddler, der aber penetrant auf der Stelle stehen bleibt. Schließlich müssen wir doch einsehen, dass es sich schlicht um einen ortsfesten riesengroßen Stein nahe am Ufer handelt - an den ich mich aber leider nicht die Bohne erinnern kann. Obwohl der Getränkekistenhafen nicht mehr existiert, finden wir punktgenau die Stelle zum Anlanden.

Der Schuppen ist diesmal deutlich aufgeräumter als in den Jahren zuvor, vor allem ist der Saunaraum komplett leer. Hier arrangieren wir einige der umherstehenden Kisten als Tisch - und schon haben wir auch hier eine gemütliche Stube für unser Abendessen. Ich habe wieder meinen Gaskocher dabei inklusive der Kartusche, die mir schon auf den drei Touren davor treue Dienste geleistet hat. Ich bin ja noch neu im Gasgeschäft und weiß nicht, wie lange so eine Kartusche hält. Natürlich habe ich alle anderen Gaskocherinhaber, die mir begegnet sind, gefragt, wie lange man denn damit reicht. "Ewig!" war immer die gleichlautende Antwort. Unser Abendessen ist leidlich warm - da läuft gerade die Ewigkeit ab! Es ist insofern eine beruhigende Erfahrung, als dass das Ablaufen kein sich elendig lange hinziehender Prozess ist, sondern einem ersten Schwächeln ca. zehn Sekunden später schon das Aushauchen des letzen Moleküls folgt. Zum Glück war es Ultra-Schnellkoch-.Reis! Aber für den Tee nach dem Essen müssen wir uns bei Trenk einschmeicheln.

Als positive Erfahrung möchte ich vermelden, dass eine Wägung der Kartusche im jungfräulichen Zustand 391 Gramm ergab. Eine Nachwägung der der leeren Kartusche brachte exakt 230 Gramm weniger zur Anzeige - das ist das aufgedruckte Gewicht der enthaltenen Gasmenge! Immerhin kann man so überprüfen, wie voll so eine Gaskartusche ist - und damit, wie lange die Ewigkeit noch dauert.

Der zweite gravierende Nachteil, den ich eigentlich schon kannte und der vor ca. 30 Jahren Grund für meine Zuwendung zu benzingetriebenen Exemplaren war, ist der Umstand, dass eine Gaskartusche bei Betrieb im Winter  einfach eiskalt wird - Boyle und Mariotte sei Dank! So musste ich schon gestern und auch heute die Blechbüchse immer mit meinen Händen wärmen, damit überhaupt genug Druck zustande kommt. Das will ich eigentlich auch nicht unbedingt haben. Somit steht mein Beschluss für die Zukunft fest: im Sommer Gas - im Winter Benzin. Punkt!

Für den Tee am Sonntag Morgen muss wieder Trenks Benzinkocher herhalten. Die Windvorhersage für heute hatte ziemlich konstante neun Meter pro Sekunde im Köcher, eine solide Fünf, aber genau quer zu unserer Fahrtrichtung. Das sollte also keine allzu großen Blasen an die Finger treiben. Seltsamer Weise begegnen wir den größten Wellen erst relativ kurz vor unserem Zielort Fynshav. Trenk macht die Probe aufs Exempel und stellt sein Paddel bei Durchgang eines besonders großen Exemplars senkrecht auf seine Spritzdecke. Ich kann aus dem benachbarten Wellental nur noch sein oberes Paddelblatt sehen. Das sind deutlich über anderthalb Meter Wellenhöhe - nicht schlecht für kleine fünf Beaufort!

Als ich  mich mit Trenk vor Monaten auf diesen Termin verabredet hatte, war mir klar, dass wir vom Wetter nicht viel erwarten dürften. Was uns dann geboten wurde, war weit mehr als das: Milde Luft- und Wassertemperaturen, kein Regen, Wind zwischen optimal bis akzeptabel und immer mal wieder Sonnenschein! Wie gut, dass nicht alle wissen, dass die perfekten Paddelwochenenden im November liegen!

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