Gestern wehte noch Windstärke 10 am Leuchtturm - und auf der Großen-Belt-Brücke starben 8 Menschen, weil ein Lastwagen in einen Personenzug geweht worden ist. Heute sind es nur noch 7 bis 8. Da der Wind aber genau von Norden kommt, ist die ganze Förde weiß und an der Kiellinie stehen wunderschöne Clapotis und spritzen über die Kaimauer. Später wird die Straße gesperrt werden, weil die Wellen die Gehwegplatten neu sortiert haben. Jörg und ich wollen ein bisschen frische Luft schnappen und uns etwas bewegen. Zwar glaubt Jörg anfangs, dass ich auf der Förde paddeln will, aber so wahnsinnig bin ich dann doch nicht. Ich würde mir allerdings sehnlichst wünschen, dass solche Bedingungen einmal im Sommer herrschen würden!
Auf die erste Schwierigkeit stoßen wir, als wir unsere Boote auf den Steg bringen wollen. Das Metallrost, das sonst auf den Schwimmteil des Steges hinunterführt, weist steil nach oben. Außerdem ist es nicht trockenen Fußes zu erreichen, weil da ein Stück Ostsee dazwischen ist. Hätte ich meinen Trockenanzug angezogen, wäre das kein Problem, weil der ja unten hermetisch dicht ist. Hab ich aber nicht - und zwischen meinen Long-John und den Neo-Schuhen mogelt sich immer ein bisschen Wasser durch, wenn es über knöchelhoch steht. Wir versuchen, den Schwell auszunutzen und erst dann durch das Stück Ostsee zu stapfen, wenn der Wasserstand besonders niedrig ist. Klappt so mittelgut. Damit stehen wir gleich vor dem nächsten Problem: Das Ende des Gitterrostes schwebt in ziemlich luftiger Höhe über dem Schwimmsteg. Da muss man mit Bedacht runtersteigen - um dann gleich vor dem dritten Problem zu stehen: Wir können das erste Boot nicht unbeaufsichtigt auf den Steg legen, es würde im Nu weggeweht werden. Aber der hohe Wasserstand hat auch seine Vorteile: Die beiden Schwimmstege sind deutlich höher über dem satt überfluteten, festen Mittelteil. Also legen wir das Boot hier hinein und holen das andere in bewährter Methode nach.
Das Einsteigen geht einigermaßen, aber ich muss ziemlich aufpassen, dass mir das Boot nicht vom Steg wegdriftet, bevor ich mein Paddel sicher gefasst habe. Irgendwie ist mir nämlich seit meinem DIY-Vortrag im Klub meine Paddelleine abhanden gekommen. Natürlich kommt auch genau jetzt die Schwentine-Fähre herangeschlingert und will anlegen. Sonst hält sie immer genau auf die grüne Tonne zu und dreht kurz vorher ab. Aber heute fährt sie einen viel größeren Bogen - und eiert auch ziemlich. Also fahren wir auch einen Bogen und halten, nachdem die Fähre passiert hat, recht deutlich nach Norden vor. Der Wind ist ziemlich böig und entfaltet heftige Wirkung. Aber wir sind sehr konzentriert bei der Sache und erreichen problemlos gemeinsam mit der mittlerweile wieder zurückfahrenden Fähre die Schwentine-Mündung.
Am Anleger vor der Fachhochschule am Nordufer rangiert sie überaus lange und vorsichtig - wir machen uns weiter keine Gedanken darüber. Als sie am Anleger vorm Geomar wieder ablegen will, steht ihr Kapitän außerhalb der Brücke und signalisiert uns, dass er die gesamte Breite des Fahrwassers zum Wenden benötigt. Wir drücken uns eng am Nordufer an ihr vorbei.
Für die Umtragestelle sind wir etwas unschlüssig, ob man sie überhaupt passieren kann. Aber zu hoch kann ja eigentlich kein Problem sein, denken wir uns, zu niedrig wäre eher schlecht. Und tatsächlich: fast der gesamte nach oben führende Teil steht unter Wasser, der Schwimmteil am Anfang steht vollkommen alleine im Wasser. Wenn man ehrlich ist, ist der Höhenunterschied zwischen Schwentine und Förde heute nicht mehr wirklich groß. Sollte es da nicht möglich sein...?
Ich mache einen ersten Versuch, den Schwall hochzufahren. Leider ist die lichte Höhe der Steinbrücke auch nicht mehr, das, was sie früher mal war und so kann ich auf die letzten Meter mein Paddel kaum einsetzen und Druck machen. Ich werde also wieder heruntergeschwemmt. Auch Jörg macht einen Versuch, kommt etwas weiter als ich, scheitert aber letztlich auch. Aber das Scheitern war nur knapp! Also ordentlich Anlauf, unter der Brücke mit extrem flachem Paddel wenigstens keine Geschwindigkeit verlieren - und schon ist man ohne Aussteigen auf der Schwentine! Auch Jörg gelingt es, auch wenn er sich kurz am Steg festhalten muss. Das ist ein historisches Erlebnis!
Der Wasserstand hier erscheint uns sehr normal. Mit ein wenig Mitarbeit des Gehirns hätte man sich das auch denken können: Hier kann der Wasserstand gar nicht anders als immer genau so hoch sein, wie die Überlaufmauern es vorgeben! Je weiter wir flussaufwärts dringen, desto deutlicher wird es allerdings, dass der extrem trockene Sommer noch längst nicht wieder kompensiert ist: Schon auf Höhe des Steins, den schon alle Farben schmücken, in denen Gelcoat hergestellt wird, touchiert man immer mal wieder mit dem Paddel den Grund. Das Passieren der Brücke bei der Oppendorfer Mühle ist anspruchsvoll, wenn man sein Paddel in einem Stück bewahren will und vor dem Kraftwerk kann man an den Färbungen der Uferbäume erkennnen, dass gute 40 Zentimeter Wasser fehlen.
Bei der Rückfahrt bin ich überrascht, dass uns nicht mehr Gegenwind das Leben schwer macht. Auf der Hinfahrt, hatte es streckenweise recht spürbar geschoben. Aber ich will mich nicht beschweren. Beim Passieren der Umtragestelle kommt es mir so vor, als sei der Höhenunterschied zwischen Förde und Fluss nochmals geschrumpft, kann es aber nicht mit Sicherheit sagen. In der Schwentinemündung fahren wir dicht am Nordufer entlang, weil ja von da der Wind kommt und man ihn hier am wenigsten spürt. Wir fahren direkt durch die leeren Segelhäfen - quer über die Stege, die mehr als einen halben Meter unter Wasser liegen. Am Anleger der Fähre fragen wir uns, warum die hier vorhin überhaupt angelegt hat: Da kann niemand von Land aufs Schiff gekommen sein, ohne hüfttief durch Wasser gestapft zu sein.
Der Wind hat gegenüber unserer Herfahrt deutlich nachgelassen. Was nicht heißen soll, dass es ein Leichtes wäre, die Förde zu queren. Wir fahren wieder deutlich nördlicher als der direkte Weg es vorgeben würde, haben dadurch aber zum Schluss ein gutes Stück Rückenwind. An der Reventlou-Brücke hat ein Fördedampfer "festgemacht", um seine Fahrgäste zu wechseln: Statt wie sonst quer am Steg zu liegen, drückt er sich heute mit Maschinenkraft mit dem Heck an die Brücke.
Auf unserem Steg angekommen können wir erkennen, dass der Wasserstand doch deutlich gestiegen ist: Da nützt es auch nichts mehr, den Schwell zu timen - ich bekomme doch noch nasse Füße zum Schluss :-/
P.S: Der Wasserstand war 1,60m über Normal!
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