"Grenzüberschreitungen" nenne ich diese Tour üblicherweise, die ich im Spätsommer anbiete, um ambitionierten Newcomern die Möglichkeit zu geben, erstmals eine große Überfahrt zu machen - und eben Grenzen zu überschreiten. Zum Glück findet diese Tour traditionell in dänischen Gewässern statt, so dass die Sache mit der Grenzüberschreitung auf jeden Fall sichergestellt ist.
Schon lange habe ich im Sinn gehabt, dabei nicht immer nur auf der Flensburger Förde oder im Alsensund zu bleiben, sondern auch einmal den Kleinen Belt zu queren. Das konnte ich aber bislang nie riskieren, weil ich ja immer gewährleisten musste, dass die Teilnehmer nicht nur die Hintour bewerkstelligen können, sondern auch die Rücktour. Diesmal ist das Teilnehmerfeld aber so robust gestrickt, dass ich mein Vorhaben umsetzen kann. Da sich alle am Freitag auch recht zeitig beim Klub einfinden können, will ich für den ersten Tag gleich die Strecke von Fynshav nach Drejö in Angriff nehmen. Auch der Wind spielt mit - am Freitag leicht westlich, am Samstag eher gar nichts und am Sonntag leicht östlich. Könnte man das besser planen?
Die Einfahrt zum Segelhafen in Fynshav zu finden, ist nicht trivial und - ja, ich bin schon mal einen direkteren Weg gefahren. Aber nach einigen Gekurve finden wir ihn doch. Das Packen nimmt auch nicht übermäßig viel Zeit in Anspruch, so dass wir kurz nach fünf auf dem Wasser sind. Es ist gute Sicht, Lyö und Ärö sind bereits einwandfrei zu sehen, Avernakö kann man ahnen - und Drejö wird wohl auch da sein, wo wir es vermuten. In weiter Ferne zu sehen ist auch ein Frachter, dessen Kurs den Belt nach Norden hoch weist und damit genau rechtwinklig zu unserem liegt. Es ist lange unentschieden, ob er vor unserem Bug durchgehen wird oder wir vor seinem. Aber nach langer Zeit zeigt sich, dass er seinen Kurs so genau eingezirkelt hat, dass wir ihm vier Beulen in die Bordwand dengeln würden, wenn wir stur unseren Stiefel weiter paddeln würden. Wir halten kurz inne und gewähren ihm großzügig Vorfahrt. Wenig später summt "Ellen" an uns vorbei, die neue Fähre, die zwischen Söby und Fynshav verkehrt - 100% elektrisch!
Je weiter wir uns Drejö nähern, desto weniger wird der Wind. Es ist nicht so recht auszumachen, ob das der Grund ist, dass unsere Geschwindigkeit etwas nachlässt - vielleicht liegt es auch einfach daran, dass man nicht vier Stunden am Stück mit konstantem Druck unterwegs sein kann. Ich hatte ein bisschen naiv gerechnet, das wir etwa mit Sonnenuntergang anlanden würden. Aber das wärmende Zentralgestirn hat sich schon längst hinter den Horizont verzogen, als wir etwa auf der Höhe zwischen Avernakö und Drejö paddeln. Die Restentfernung sieht aus, als wenn wir sie im Nu zurückgelegt haben, aber als unser Ziel irgendwie nicht in der Geschwindigkeit näher kommt, in der ich das erwartet hätte, drehe ich die letzten zwei Kilometer auf, damit ich überhaupt noch genug Licht habe, um den Shelterplatz zu finden.
Dort haben bereits zwei dänische Mädels häuslich eingerichtet, aber sie haben nichts dagegen, dass wir ebenfalls hier übernachten. Da es schon ziemlich dunkel ist, bietet der Küchenshelter uns eine mehr als willkommene Gelegenheit, das Abendessen zu bereiten und zum Klönschnack zusammen zu sitzen.
Der nächste Morgen begrüßt uns mit Sonnenschein und blauen Himmel auf der feuchten Wiese. Heute können wir draußen essen am langen Holztisch, der für uns vier knapp genug Platz bietet. Es ist auch ganz praktisch, dass wir draußen sind, weil Axel die Gaskartusche seines Kochers wechselt und dabei mindestens 80 Prozent des Inhalts laut zischend und gefährlich dampfend in die Freiheit entlässt.
Es herrscht ziemliche Flaute und die Sonne soll den ganzen Tag scheinen und wir haben Zeit ohne Ende. Und da meine Begleiter allesamt das erste Mal die Dänischen Südsee bereisen, beschließen wir, eine großzügige Kreuzfahrt durch dieses Gebiet zu machen. Über Birkholm, Hjortö und Skarö soll es ans Osteende von Avernakö gehen.
Auf Birkholm gibt es eine neue Holzhütte, von der aus man prima auf das Meer blicken kann. Allerdings ist sie etwas niedrig, so dass man sich eigentlich nur sitzend in ihr aufhalten kann. Ich glaube, irgend so ein Mal-Klub hat sie aufgebaut, um bei Regen besser schöne Bilder vom Meer malen zu können. Heute bräuchte man die Hütte eher, um sich vor der sengenden Sonne zu schützen. Aber wir sind harte Kerle und gut eingeölt, so dass wir der fast unmenschlichen Hitze und den gefährlichen Strahlen trotzen. Zwischen den beiden Hjortö-Inseln ist das Wasser immer noch flach und man kann hier handgestrickte Socken kaufen - aber danach steht uns nicht der Sinn. Wir fahren stattdessen straks weiter nach Skarö, wo wir Pause machen wollen.
Hier veranstaltet Audi einen Segelwettbewerb. Am Strand ist allerhand Tamtam aufgebaut, so dass wir kaum Platz zum Anlanden finden. Vermutlich möchte Audi alle Insel-Bewohner davon überzeugen, dass sie unbedingt einen Q8 brauchen, um von einem Ende ihres Eilands zum anderen zu gelangen. Als wir am etwas inseleinwärts gelegenen Zeltplatz vorbeischlendern, können wir auch die schicken Unterkünfte für die Segelcrews bewundern. Wie Sven sagt, hat Audi da wohl eine Aktion nach dem Motto: "Kauf´ 30 - zahl´ nur 25!" genutzt!
Natürlich können wir nicht auf Skarö gewesen sein, ohne eine Portion des weltberühmten selbstgemachten Eises gegessen zu haben. Auch wenn es nicht ganz billig ist, es ist wirklich lecker und allemal seinen Preis wert.
Der Sandhaken am Nordende von Skarö ist jedesmal wieder überraschend lang - das kenne ich schon und lege meinen Kurs gleich exakt nach Norden, auch wenn man denkt, dass man damit einen ziemlichen Umweg fährt. Fährt man nicht! Danach geht es in geradest möglicher Linie auf die Bucht am Osteende von Avernakö zu. Dort wollen Bernhard und Gerrit auf uns warten. Erst ziemlich kurz, bevor wir in die Bucht einlaufen, erkennen wir, dass die beiden uns vom Strand entgegen paddeln.
Unsere Zelte werden gleichmäßig über die Wiese verteilt und der Holztisch für unser Abendessen in Beschlag genommen. Der ist für nun sechs Leute eindeutig zu klein! Gerrit und Bernhard haben die Tour im wesentlichen nur deshalb gemacht, weil sie unbedingt Kartoffelpuffer backen wollen. In großer Emsigkeit schälen sie gelbe Knollen, hacken Zwiebeln und braten den Teig in üppigem Öl. Zum Glück hat Bernhard mehr Teig als Hunger und so bekomme ich auch noch ein Exemplar ab - wirklich oberlecker!
Mein Zelt habe ich so platziert, dass die Morgensonne es am Sonntag recht zeitig in ihren Blick bekommt. So spät im Jahr sind die Nächte nämlich in der Regel recht feucht und da ist es gut, wenn man dem Zelt einige Zeit Gelegenheit gibt, trocken zu werden, bevor man es wieder ins Boot zwängt. Auch heute ist es wieder eher heiß als warm - und eher Flaute als windstill. So geht es über glattes, mal blaues, mal grünes Wasser zurück - zunächst bis Lyö. Hier machen wir noch einmal Pause am Weststrand, neugierig beäugt von einem Seehund, der wohl auch hier Urlaub macht.
Als ich meinen GPS-Tracker für die letzte Etappe von Lyö nach Fynshav einschalte, verschluckt er sich offenbar - denn die einzelnen Positionen, die er loggt, springen dermaßen erratrisch hin und her, dass am Ende für die nominell ca. 12 Kilometer ganze 235 Kilometer auf dem Tacho stehen. Ich muss im Nachhinein einiges an Glättung vornehmen, damit der Track überhaupt in die Nähe einer realistischen Wiedergabe kommt!
Unterm Strich war die Tour durchaus "grenzwertig": viel zu warm und zu windstill, die Grenzüberschreitungen waren diesmal eher anderer Natur als sonst!
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