Da in unserem Kreis keine große Abstimmung nötig ist, haben wir erst sehr kurz vor dem tatsächlichen Termin begonnen, uns über ein geeignetes Zielrevier Gedanken zu machen. Grundsätzlich wären alle daran interessiert, die "große Runde" von vor genau zehn Jahren auf der Nordsee zu wiederholen, bei der wir im großen Bogen Amrum und Föhr gegen den Uhrzeigersinn umrunden. Letztlich ist natürlich das Wetter wesentliches Kriterium für die Auswahl.
Leider ließ die Vorhersage die "große Runde" anfangs als keine gute Idee erscheinen: Am Himmelfahrtstag war viel Wind aus Westen und ordentlich Regen von oben angekündigt. Die anderen Tage waren eher mäßig und am Sonntag zwar schönes Wetter aber Wind aus Osten. Das hieße für Hin- und Rückfahrt ein Keulen gegen den Wind, der dann seinerseits jeweils gegen den Strom wehen würde. Das sprach doch eher für die dänische Südsee, die unter diesen Bedingungen mit Rückenwind für Hin- und Rückfahrt lockte.
Die Mails mit den Vorschlägen gingen hin und her, wie auch die Aussagen der Wettervorhersage täglich wie ein Lämmerschwanz wackelten und mal Nord- mal Ostsee vorteilhaft erscheinen ließen. Schließlich kam eine Mail dazwischen, in der Trenk seine Teilnahme kündigen musste! Er bräuchte die Zeit für die Vorbereitung der Veranstaltung auf Jersey. Was für eine herbe Enttäuschung! Da Peter sich bei den letzten Diskussionen zum Zielrevier auffallend zurückgehalten hatte, schwante mir auch in dieser Richtung schon Böses. Und ja - schließlich musste auch Peter absagen, weil er echte gesundheitliche Probleme hatte, die er erst nicht wirklich wahrhaben wollte, nun aber nicht mehr leugnen konnte. Was schade ist das denn?
Die "glorreichen" Vier von 2009 |
Selbst 24 Stunden vor Abfahrt hat sich die Wettervorhersage noch nicht stabilisiert, sondern bietet stündlich nennenswert differierende Aussagen. Trotzdem ist unterm Strich immer die Ostsee klar im Vorteil. Unser Plan daher: Von Mommark aus starten und dann aus dem Moment und dem Bauch heraus den weiteren Verlauf der Unternehmung den jeweils aktuellen Gegebenheiten anpassen.
Für Christi Himmelfahrt ist Regen angesagt, der ab Mittag aufhören soll. Der Wind soll mit sechs Beaufort südwestlich blasen und später auf fünf nachlassen. Da können wie entspannt frühstücken, um die Mittagszeit losfahren und so Regen und starken Wind elegant umgehen.
Als wir gegen 15 Uhr in Mommark eintreffen, ist von nachlassendem Regen allerdings noch nichts zu spüren. Also machen wir uns erst einmal einen Tee und warten ab. Zwar ringt sich das Wetter zu keiner grundlegenden Besserung durch, aber als wir um fünf ablegen, hat sich der Regen weitestgehend gelegt. Auch der Wind bläst nicht mehr mit sechs Beaufort sondern allenfalls mit kleinen fünf. Die Richtung ist südwestlich, so dass er leidlich schiebt.
Man kann Ärö nicht gleich von Anfang an sehen, aber wir haben uns erst mal auf einen Kurs von 90 Grad geeinigt - da kann nichts schiefgehen. Als unser Ziel bald sichtbar wird, gehen wir auf etwa 60 Grad. Es gehen schon Wellen auf dem Belt, aber das ist nichts, was uns Respekt oder gar Schlimmeres einflöst, das haben wir schon deutlich ruppiger erlebt. Aber es macht die Reise kurzweilig, denn wir haben noch eine ziemliche Strecke vor uns.
Wir haben uns mittlerweile entschieden, heute auf Ärö zu bleiben und in den nächsten Tagen die noch ausstehende Umrundung dieser Insel in Angriff zu nehmen. Als Übernachtungsplatz steuern wir den Shelter Skaaret an. Es sind 21 Kilometer bis dahin und wir benötigen ziemlich genau drei Stunden. Das sind zwar gute sieben Stundenkilometer, was für voll beladene Boote eine Super-Geschwindigkeit darstellt, aber wenn man den nicht unerheblichen Rückenwind bedenkt, sind wir fast ein bisschen enttäuscht. Immerhin haben wir die Überfahrt auf eigenem Kiel gemacht. Am Zielort sind bereits diverse andere Gruppen eingetroffen und jede geht ihrer eigenen Geschäftigkeit nach. Eine Gruppe der Salzwasserunion hat lieber die Fähre von Fynshov nach Soeby genommen. Eine gute Entscheidung, wenn man als Fahrtenleiter nicht weiß, wie sicher die Teilnehmer mit derartigen Bedingungen umgehen können.
Es ist fast ein bisschen viel los an diesem Fleckchen Erde, so dass wir für unsere Zelte nur Plätze der Kategorie B finden. Aber der überdachte riesige Tisch bietet genug Platz für alle.
Wie vorhergesagt hat es in der Nacht ergiebig geregnet. Das kommt uns nicht ungelegen, denn es zwingt uns quasi, unsere Morgenverrichtungen so weit in die Länge zu ziehen, dass die Zelte hinreichend Gelegenheit haben, wenigstens überwiegend trocken zu werden. Die SaU-Truppe ist allerdings nicht wesentlich früher als wir auf dem Wasser. Wir wollen heute bis zu den drei Windmühlen fahren, das ist eine ordentliche Strecke, wovon wir fast die Hälfte gegen den heute westlichen Wind kämpfen müssen. Aber der Tag ist lang und wir können beliebig viele Pausen machen.
Bis über die Bucht vor Ärösköbing schiebt der schwache Wind wenigstens ein kleines bisschen. Danach muss man aufpassen, dass man bei dem ganzen flachen Geinsele in dieser Gegend nicht falsch abbiegt. Ohne Karte wäre ich hier in die Bucht von Ommel eingefädelt und hätte laut fluchend den gesamten Weg wieder zurückpaddeln müssen. Das Fahrwasser vor Marstal ist ebenfalls eine navigatorische Herausforderung - allerdings eher für Segler nicht für Paddler. Unsere Pause nach zweieinhalb Stunden machen wir auf Eriks Hale, der schmalen Sandbank südlich von Marstal, auf der die hübschen, kleinen Strandhäuser stehen, im Windschatten eines selben.
Leider hat der Wind mittlerweile etwas aufgefrischt - seine Richtung aber beibehalten. So weht er uns ab jetzt kräftig entgegen. In der Ferne verspricht eine hohe Steilküste Windschatten und wir wollen sie möglichst schnell erreichen. Dieses dringende Wollen führt dazu, dass sich der Gegenwind überhaupt nicht in unserem Geschwindigkeitsdiagramm niederschlägt. Im Gegenteil, erst als wir in den jämmerlich spät einsetzenden Windschutz kommen, geht unsere Geschwindigkeit merklich zurück - Entspannungmodus.
Kaum schrammen wir mit unseren Booten auf den rauen Slip vor unserem Ziel, bricht die Sonne durch! Binnen zehn Minuten ist der Himmel blau und es fühlt sich an wie Sommer!
Die Shelter, die wir für unsere Übernachtung ins Auge gefasst haben, stehen zwar auf einer wunderschönen Wiese, aber leider etwa 100 Meter von der Anlandestelle entfernt. So sind die Ikea-Tüten gefragt und einiges Gelatsche. Dafür sind wir hier alleine! Und das Schild vor den Sheltern sagt, dass man die nicht buchen kann, sondern sie nach dem Mühlenprinzip vergeben wird: wer zuerst kommt, mahlt zuerst!
Nachdem wir alle unsere Sachen herbeigeschafft und einen Teil bereits in einem der beiden Shelter deponiert haben, kommt ein dänischer Vater mit seinem kleinen Sohn im Auto herangerauscht und eröffnet uns, dass er eine der beiden Holzhütten gebucht habe. Wir eröffnen ihm, dass man diese Shelter ausweislich der Aussage auf dem Schild gar nicht buchen kann, wollen ihm und vor allem seinem Sohn die Freude aber nicht verderben. Wir haben ja Zelte dabei - und außerdem hat er ja bereits bezahlt!
Nach einiger Zeit torkeln zwei müde dänische Wandermädels auf uns zu und eine davon überschüttet mich gleich mit ihrem lokalen Idiom. Ich erkläre kurz, dass Dänisch nicht meine Paradedisziplin ist und fortan plappert sie genauso sprudelnd auf englisch. Sie sei heute schon über zwanzig Kilometer gelatscht und vollkommen durch und gehe nun keinen weiteren Schritt mehr - und übrigens haben sie einen der beiden Shelter gebucht! Hier trifft unsere Entgegnung, dass man diese Shelter gar nicht buchen kann, auf mittleres Entsetzen. Die Mädels sehen sich schon unter freiem Himmel übernachten und ihr bereits gezahltes Entgeld umsonst ausgegeben haben. Aber wir trösten auch sie, indem wir zusichern, keinen Anspruch auf die Hütten zu erheben. Sie fotografieren sicherheitshalber noch einmal den Text auf dem Schild, weil sie sich bitter beschweren wollen über diese Inkonsistenz des Buchungssystems. Während wir gemeinsam am Abendbrottisch sitzen, kommen noch zwei dänische Radwanderinnen heran - allerdings nur bis auf 20 Meter. Sie fragen, ob wir mit dem Boot da seien, trauen sich aber nicht dichter heran. Vielleicht liegt das an dem Hund, den die beiden Wanderinnen mithaben, vielleicht aber auch,weil sie vergessen haben, den Shelter zu buchen und sich nun keine Chance mehr ausrechnen. Sie drehen wieder ab und wir werden es nie erfahren.
Zwischen Jörg und mir hat sich im Laufe der Zeit eine traute Harmonie eingestellt, was das Aufstehen am Morgen angeht. Wir kommen eigentlich im Abstand von - wenn überhaupt - wenigen Minuten aus dem Zelt. Das ist heute wie häufig so gegen acht. Um diese Zeit wollten die Mädels schon weg sein - nachdem sie ein Bad in der Ostsee hatten nehmen wollen. Weg ist aber nur der Vater mit dem Sohn. Die sind mitten in der Nacht abgereist - vermutlich hatte der Kleine Heimweh. Die beiden Däninnen sehen derweil recht zerknittert aus, sie haben nicht gut geschlafen und das Bad in der Ostsee ist ausgefallen. Nur wenig vor uns machen sie sich auf den Weg nach Ommel. Für uns soll es heute bis an die Nordspitze von Ärö gehen - "zu den Bäumen"!
Der Himmel ist ziemlich blau und der Wind bläst mäßig aus Südwest. Das ist ziemlich quer zu unserer Fahrtrichtung und hindert damit nicht wirklich. Schiebt aber auch nicht wirklich. Dafür legt sich die Wasseroberfläche aber in gefällige Wellchen, was das Paddeln wieder kurzweilig macht. Die gesamte Südwestküste von Äro ist als Steilküste konzipiert mit steinigen Stränden. Da gibt es wenig samtweiche Anlandemöglichkeiten. Allerdings entdecken wir einen bislang unbekannten Shelter auf halber Strecke. Den würde ich auch gerne mal ausprobieren - vielleicht im nächsten Winter.
Natürlich mussten wir für unsere Pause auch an einem der "harten" Strände anlanden und vor allem an ihrem Ende auch wieder zu Wasser gehen. Das hat mal wieder einige Spuren in unseren Unterschiffen hinterlassen, aber nix kritisches.
Wir hatten kurz diskutiert, ob wir unser Lager direkt an der westlichsten Stelle der Insel am Strand aufschlagen wollen, uns aber dann doch entschieden, wie damals "nur eben kurz um die Ecke zu den Bäumen" zu fahren. Dort finden wir ein wunderbar geschütztes Fleckchen hinter weißen und roten Heckenrosen, wo wir unsere Zelte aufbauen. Wir machen noch einen ausgiebigen Spaziergang über den riesigen Golfplatz, wo ganze zwei Golfer in einem Caddy spazierenfahren. Sie haben zwar keine Golfschläger dabei, dafür aber einen Hund am Caddy angebunden, mit dem sie auf diese Weise Gassi gehen. Den Abend verbringen wir damit, den zahlreichen Vögeln, die das Flach von Skjoldnäs bevölkern, zuzusehen und zu -hören. Ein Kuckuck kuckuckt fleißig durch die Idylle - und lässt sich sogar immer wieder mal sehen. Nicht sehen lässt sich ein Sprosser, der irgendwo im Gebüsch hinter uns wohnt. Er kollert noch bis tief in die Nacht hinein.
Der Sonntag Morgen startet sonnig, das war so ausgemacht. Ebenso ausgemacht war östlicher Wind, aber der ist eher nicht der Rede wert. Wir müssen heute nur noch zurück über den Belt, das ist keine große Sache. Im Gegensatz zu den vergangenen Tagen ist heute der Teufel los auf dem Wasser: alles, was irgendwie schwimmt, ist unterwegs. Natürlich ist heute Bombenwetter, aber es wundert mich schon etwas, dass wir an den anderen Tagen quasi alleine auf dem Wasser waren. Es waren lediglich regelmäßig dänische Seekajakfahrer zu sehen. Immer in großer Ferne, vorzugsweise dort, wo die Uferlinie abknickt. Dort verharren sie ortsfest, bis man ihnen näher kommt. Doch bevor man sie verlässlich erkennen kann, verwandelt sich die Besatzung in einen Kormoran und fliegt davon - und das Boot verwandelt sich in einen großen Stein!
In Mommark wählen wir die Bootsrampe im Hafen als Ausstieg. Könnte Kajak-freundlicher sein. Im Hafen gibt es Seekajaks zum Ausleihen. Für den läppischen Betrag von 100 Euro kann man sich einen ganzen Tag damit vergnügen - noch günstiger ist eine Woche für 500 Euro! Ich überlege, ob ich mein Kajak nicht vielleicht für ein paar Tage verleihen sollte.
Nachdem wir unsere Sachen gepackt und die Boote aufs Autodach gewuppt haben, kommt der Hafenmeister aus dem Restaurant nebenan auf uns zu marschiert. Er ist eben nicht nur Hafenmeister sondern auch der Restaurantbesitzer und überdies sichtlich verärgert. Wir sollen gefälligst für das Slippen bezahlen, was wir unmittelbar einsehen und gerne tun wollen. Was wir allerdings nicht einsehen, ist seine Begründung: Wir haben unseren Bus hier vier Tage stehen lassen und ihn nicht vorher um sein Einverständnis gebeten, deshalb sollen wir nun Slip-Gebühr bezahlen. Wir können nicht nachvollziehen, warum man um Einverständnis bitten soll, wenn man sein Auto auf einem erkennbar öffentlichen Parkplatz lässt. Aber es gibt halt unterschiedlich gestrickte Menschen.
GPS-Daten hier
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