Ich habe seit zwei Wochen Urlaub und will gerne eine längere Paddeltour machen. Aber das Wetter bietet leider immer nur zwei Tage in Reihe mit akzeptablen Bedingungen an. Am Wochenende steht das Techniktraining in Flensburg an, für das ich mich als Unterstützung angeboten habe - vielleicht bietet sich ja im Anschluss die Möglichkeit in die Dänische Südsee zu fahren, wenn ich doch schon mal in der Nähe bin. Maditha hat auch Zeit, Lust und jede Menge Bedarf, etwas die Seele Entspannendes zu unternehmen. Sie muss eh nach Flensburg, um ihr neues Boot abzuholen und will dann auch gleich am Techniktraining teilnehmen. Ich bin noch nie mit ihr alleine auf Tour gegangen, aber mit ihr gibt es wenig Grenzen, das macht es ausgesprochen reizvoll. Als ich sie in der Bootshalle abhole, hat sie gerade die Bestätigung von Trenk erhalten, dass ihr Boot eingetroffen ist. Sie ist ganz aufgeregt!
Am tatsächlichen Sonntag bläst der Ostwind wie vorhergesagt - die Vorhersage für den Westwind am Dienstag hat sich aber auf vier bis fünf Beaufort abgeschwächt. Wir fahren also nach Mommark, um drei Tage durchs südfünische Inselmeer zu cruisen.
Der Parkplatz in Mommark ist brechend voll, die Autos stehen sogar ein ganzes Stück die Straße hoch. Es tobt eine Art Hochzeits- oder Geburtstagsveranstaltung im Restaurant. Zum Glück wird gerade ein Parkplatz direkt am Durchgang zum Strand frei, so dass wir Boote und Gepäck nicht kilometerweit durch die Landschaft tragen müssen. Seit meinem letzten Besuch sind hier übrigens drei Palmen am Strand gewachsen - Südsee eben!Die Sicht ist supergut, wir können unser Ziel problemlos ausmachen. Die Wellen, die hier auf den Strand laufen, versprechen einigen Spaß unterwegs. Da der Wind erst seit heute aus dieser Richtung weht, sind die Wellen nicht ganz so groß, aber es sind nicht wenige dabei, die über die Ein-Meter-Marke gehen und uns die Sicht auf Ärö und sogar den Mitpaddler nehmen. Nach etwas mehr als der Hälfte der Strecke dreht der Wind noch mal etwas auf, was sich auch in unserer Geschwindigkeit bemerkbar macht. Nach zweieinviertel Stunden sind wir am Weststrand von Skjoldnäs. Randvoll mit Ostsee! (man muss schon genau hinsehen, um das Wasser im Cockpit zu erkennen!) |
Der Wind pfeift recht ordentlich - und steht direkt auf den Strand. Aber der Heckenrosenbusch, den ich mir ausgesucht habe, schafft ein vollkommen windstilles Refugium, wo wir unsere Zelte aufbauen können. Man hört hier nur die Wellen auf den Strand donnern, spürt aber absolut keinen Wind. Während wir gemütlich unser Abendbrot einnehmen, setzt sich keine zehn Meter entfernt von uns ein Sperber auf die Paddelwäsche, die Maditha zum Trocknen in die Büsche gehängt hat. Leider flüchtet er irritiert wieder, bevor ich meinen Foto-Apparat in Stellung gebracht habe.
Der Montag Morgen beginnt vollkommen windstill und sonnig - obwohl die Vorhersage ein Abflauen des Windes erst gegen Mittag voraussah und den ganzen Tag keine Sonne scheinen sollte. Da wollen wir uns mal nicht beschweren!
Nach dem ausgiebigen Frühstück sind wir erst kurz vor elf auf dem Wasser und nehmen Kurs auf Drejö. Als Ziel haben wir uns Lyö gesetzt, denn wir wollen keine so große Strecke mehr vor uns haben, wenn wir morgen gegen den heftigen Wind zurück über den Belt möchten. Außerdem hegt Maditha die ganze Zeit schon den dringlichen Wunsch, ihr Boot komplett bis nach Kiel zurück zu paddeln. Da sie aber schon am Mittwoch wieder dort sein muss, hätte sie nur den Dienstag und allenfalls noch den Mittwoch Morgen zur Verfügung. Sie überprüft ständig, wie weit es bis Kiel ist und welchen Kurs sie bei welchen Windstärken noch fahren kann. Von Lyö über Mommark bis Bülk mit einem kleinen Schlenker in die Flensburger Förde, um dem Westwind Tribut zu zollen, sind es immerhin 80 Kilometer! "Das ist doch eine gute Entfernung!", sagt Maditha! Nun ja, das muss man wollen! Und können! Aber Maditha traue ich das zu. Nur dass sie mit dem Gedanken spielt, am selben Tag auch noch von Bülk nach Kiel rein zu fahren, behagt mir nicht. Die Förde im Dunkeln ist auch mit der zugehörigen Beleuchtung kein Spaß - und ohne wirklich nicht ratsam.Auf Drejö gehen wir kurz an Land, und ich zeige Maditha den schönen Shelter-Platz. Vielleicht hat sie ja mal Gelegenheit, ihn irgendwann zu nutzen. Der Platz ist von einer Gruppe Fahrrad-Wanderer besiedelt, die aber wohl gerade einen Ausflug zu Fuß machen. Außer ihrer kompletten Ausrüstung und den Fahrrädern ist nichts von ihnen zu sehen. Wir lassen die Ausrüstung mal unberührt, weil wir eh nicht wüssten, wie wir die Fahrräder auf den Booten mitnehmen sollten und machen uns an die Umrundung von Drejö.
Kohlrabi, Messer - Aua! |
Der Wind ist den ganzen Tag nur ein laues Lüftchen, und ich habe immer wieder gecheckt, wie die Vorhersage für morgen ist. Die ursprünglichen sechs Beaufort sind erst auf vier zusammengeschrumpft und nun sieht es eher nach drei aus. Daher habe ich mir überlegt, dass wir eventuell schon heute die Querung zurück nach Alsen machen könnten. Dann hätte Maditha für ihre Bootsüberführung nach Kiel morgen erheblich gewonnen. Dass sie das Unternehmen angehen würde, steht für mich fest, und wenn sie es schon macht, soll sie wenigstens eine Chance haben, nicht in die Dunkelheit kommen zu müssen. Wir wollen, wie geplant, erst einmal nach Lyö fahren, uns dort in die Augen sehen und dann entscheiden, ob wir heute noch rübermachen.
Wir sind bereits vor halb sechs am Westende von Lyö. Die Entfernung bis zum Übernachtungsplatz Blommeskobbel sind gute elf Kilometer - also etwa knappe zwei Stunden. Wie ich mir das bei Gruppenfahrten angewöhnt habe, versuche ich die Befindlichkeit meiner Mitpaddler zu ergründen, ohne Druck aufkommen zu lassen. Immerhin könnten wir hier den lieben Gott einen guten Mann sein lassen und direkt unsere Zelte aufbauen. Es besteht also keine Notwendigkeit, weiter zu fahren - ich würde es aber machen, wenn "alle" damit einverstanden sind. Es sind alle damit einverstanden!Leider kann man mit meiner Navigations-App nicht wirklich gut Peilungen nehmen. Aber ich bin ganz gut darin, eine Peilung einfach von der Karte zu schätzen. Die Richtung zu unserem Ziel schätze ich auf 45 Grad südlicher als West, was 225 Grad entspricht (es sind 221, wie ich später mit meiner richtigen Navigations-App nachprüfe). Zur Sicherheit schnalle ich mir noch mein Handy um den Hals, das durch eine wasserdichte Hülle vor dem Schicksal seines Vorgängers geschützt ist. Damit habe ich mein VHF-Funkgerät, meine Kamera, mein Handy und meine "Blue Bull"-Flasche zwischen Rippen und Schwimmweste stecken. Alles - bis auf die Flasche - mit Benzeln oder Karabiner gesichert. Da ist es beruhigend, ein scharfes Messer griffbereit mitzuführen - und damit selbstverständlich wasserfestes Pflaster in einer der Taschen der Schwimmweste 😎.
Die Überprüfung unseres gesteuerten Kurses mittels Handy-App ergibt, dass wir deutlich nach Norden versetzt werden - warum auch immer. Erst als wir uns auf "den anderen" Wald als anzusteuerndes Ziel einigen, fallen Kurs über Grund und Zielrichtung überein. Um kurz vor halb acht erreichen den Übernachtungsplatz. Es fehlen nur 800 Meter zu einem Tagespensum von 50 Kilometern.
Zum Abschied drücke ich Maditha noch einmal und wünsche ihr eine gute Fahrt. Ich weiß aber, dass sie die optimalen Bedingungen hat - und den notwendigen Willen, ihr Boot nach Kiel zu paddeln!
Unterwegs haben wir festgestellt, dass ich genau so alt bin wie ihr Vater! Wie schön, wenn die Begeisterung für das Paddeln zwei so weit entfernte Generationen zusammenbringt und beiden eine so schöne Fahrt beschert!
... nur noch 72 Kilometer! |
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