Für die Umrundung von Amrum finden wir irgendwie nicht den richtigen Dreh. Stattdessen ist Außensand für heute angesagt. Leider ist dafür wieder frühes Aufstehen notwendig, um gut aus dem Hafen zu kommen. Es ist heute deutlich wärmer und wir kleiden uns entsprechend. An der Spitze von Jappsand ist natürlich die obligate Pause fällig, bei der sich Trenk Erleichterung verschafft. Wind weht kaum, vor allen wieder nicht aus der versprochenen östlichen Richtung, es geht eine leichte nördliche Brise.
Außerhalb der Sände spürt man die Weite des Meeres - ringsherum nur Himmel, Wasser und Sand. Das Paddeln geht sehr gemütlich vonstatten, die Strömung schiebt, der Wind ist kaum spürbar, die Sonne scheint. Nicht lange - und Jörg muss sich seine Schwimmweste ausziehen. Bei der Akrobatik geht ihm leider sein Hut verloren und er fleht jämmerlich um Hilfe. Einen ganzen Tag ohne Hut auf der Nordsee, wo es nicht mal die Idee eines Schattens gibt, ist keine erbauliche Aussicht. Zwar führe ich eine Ersatzkappe im Cockpit mit mir, aber so ein Ausrüstungsstück einfach dreingeben ist nicht meine Art. Ich eile zum verzeifelt rückwärts paddelnden Jörg, um das dunkle Wasser der offenen Nordsee nach nach seiner dunklen Mütze abzusuchen. Ich rechne mir keine großen Erfolgsaussichten aus, aber als ich an Jörg vorbeifahre, sehe ich, dass sein gutes Stück lediglich auf das Heck seines Bootes gefallen ist. Noch mal Glück gehabt!
Wir fahren relativ weit draußen, denn in der Nähe des Rummelloches zwischen Norder- und Süderoogsand reichen die Sandbänke extrem weit hinaus. Es ist etwa viertel nach neun, als wir die Ruine der Kirche von Pellworm genau querab haben. Eigentlich wollten wir durchs Loch hindurch wieder zurück fahren, aber wir haben noch nicht im Geringsten das Gefühl, genug für den Tag getan zu haben. Also nehmen wir den Süderoogsand, dessen Rettungsbake wir schon sehen, auch noch mit in unsere Pläne auf. Als wir das Ende des südlichen Sandes passieren, läuft das Wasser bereits wieder in die Norderhever hinein. Wir beobachten ein faszinierendes Farbenspiel des Wassers: hier ist es braun und trüb, ein paar Meter weiter transparent und türkis, ganz hinten blau und massiv. Wir brauchen uns kaum anzustrengen, denn die Strömung geht flott und östlich von Süderoog, wo wir nach Norden abbiegen müssen, ist in diesem Moment eh kein Wasser, so dass wir alle Zeit der Welt haben.
Als wir mit dem Kirchturm von Pellworm genau im Norden auf dem Sand auflaufen, ist der Wind vollkommen eingeschlafen. Das passt gut, denn ab hier wollen wir Richtung Norden, wo der Wind ja bislang herkam - allerdings erst, wenn wir wieder Wasser unter dem Kiel haben. Die ersten Minuten verbringen wir mit einer regulären Pause, in der wir uns stärken und erfrischen. Dann diskutieren wir, wo denn das Wasser wohl am ehesten durchbricht. Und schließlich treideln wir unsere Boote im Schneckentempo nach Norden, dem langsam aber unaufhörlich vordringenden Wasser folgend. Fast anderthalb Stunden verbringen wir auf diese Weise, was auf meinen Waden eine eindrückliche Wirkung hinterlässt: Dadurch, dass wir ständig nach Norden blicken, brennt die Sonne ungehemmt auf das freie Stück Haut zwischen Neostiefeln und Neohose, das ich natürlich auch nicht eingechremt habe, weil sich dieser Teil meines Körper normalerweise innerhalb des Cockpits aufhält!
Als sich die Wassermassen zwischen Süderoog und Pellworm schließlich wieder vereinen, kommt auch der Wind zurück - nur ganz leise und ohne wirklich zu stören. Aber mit unserem Weg nach Norden meint er wohl, beständig stärker werden und dem Missstand entgegen wirken zu müssen, dass wir heute noch nicht wirklich etwas geleistet haben. Zusätzlich muss Trenk etwas gestochen haben, so dass er mit einem Tempo gegen den schließlich mit fünf Beaufort blasenden Wind anfährt, dass im Hafen von Hooge angekommen, von "eigentlich nichts getan" keine Rede mehr sein kann.
Wir genießen den mittlerweile wieder bis auf unsere drei Zelte vollkommen leeren Platz und den Lohn des frühen Aufstehens: Man hat noch soviel Muße, den späten Nachmittag zu genießen, dass man alle Pflichten in Ruhe erledigen kann, und sogar die mitgebrachten Bücher ihren Segen entfalten können. Und was ist ein Paddelwochenende ohne Gestängebruch! Da weder Wind noch Flaute meine Zeltstangen bisher beeindrucken konnten, werfe ich mich mit viel Ungeschick auf den herunterhängenden Stoff meines Zelteinganges und erledige so diesen Pflichtpunkt einer derartigen Tour! Geübt im Akzeptieren derartiger Widernisse, hält sich das Ausmaß meiner Flüche auch im Rahmen. Meine krebsroten Waden leuchten bis in die Nacht hinein.
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