Es wird offensichtlich immer schwieriger, die vier Unerschrockenen auf einen gemeinsamen Termin zu vereinigen. Zuerst war das Wochenende um den dritten Oktober lange im Voraus reserviert, aber dann bröckelte die Teilnehmerzahl, so dass wir auf das in den November lappende Wochenende ausgewichen sind. Aber auch hier musste Trenk seine Zusage zurückziehen. Peter baggert momentan eh auf einer anderen Baustelle, so dass nur noch Jörgs und meine Nase übrig blieben. So trifft sich also ein zwar kleines aber bewährtes Team zur Befahrung des Kleinen Beltes am Freitag Mittag vor unserem Bootshaus. Johanna hatte uns sehr den Besuch des "Jahrhundert"-Shelters am Festland gegenüber von Fänö ans Herz gelegt. Leider liegt er etwas über Kreuz mit unseren Plänen, aber wir wollen ihn wenigstens besichtigen.
Am Samstag soll ein frischer Südwind wehen und am Sonntag ziemliche Flaute herrschen. Also legen wir unsere Route ganz schlau so, dass wir uns am Samstag nach Norden schieben lassen und am Sonntag gegen die Flaute zurückkämpfen. In Dänemark sind in der jüngsten Zeit offensichtlich eine Menge Shelter errichtet worden, und wir beschließen, am Freitag Abend den in Aarösund am Segelhafen stehenden für unsere erste Übernachtung zu nutzen. Das hat gegenüber unserer ersten Absicht, noch am Abend zur gegenüberliegenden Insel Aarö überzusetzen, den Vorteil, dass wir unsere Zelte und Ausrüstung nicht auspacken, in die Boote packen, am Ziel angekommen wieder auspacken, in der Nacht durchnässen lassen und am nächsten Morgen nass wieder einpacken müssen. Genialer Plan!
Den Abend verbringen wir warm und trocken in Jörgs Campingbus sitzend bei Wein respektive Kakao gemütlich plaudernd. Wir haben uns entschlossen, auf Grund der guten Erfahrungen bei unserer Sommertour nur meinen Kocher mitzunehmen. Als Gegenleistung hat Jörg sich bereit erklärt, für das Essen an beiden Tagen zu sorgen. Er hat zwei Gerichte vorgekocht - heute gibt es Fisch mit Pi, Pa, Po und Reis. Gefühlt weit nach Mitternacht - meine Uhr zeigt halb Zehn - ziehe ich mich in die zum Meer hin offene Holzhütte zurück.
Der Morgen beginnt trüb, aber Jörg meint, das Grau will eigentlich blau sein - und das wird schon! Ich bin skeptisch, weil die Wettervorhersage auch eher die gerade vorherrschende Farbe im Angebot hatte. Aber es ist warm, nur der Wind weht eher etwas enttäuschend lustlos. Wir hatten auf einen satten Vierer gehofft, dessen Böen vielleicht sogar über die Fünf hinausgehen würden. Aber bisher säuseln uns bestenfalls und nur mit gutem Willen vier kleine Windstärken um die Ohren.
Wir haben den ganzen Tag Zeit und gehen die Sache geruhsam an. Der Luxus des Camping-Busses beschert uns eine große Portion Rührei mit Speck zum Frühstück - nicht als Ersatz für das obligate Müsli, sondern als Ergänzung! Als wir gegen Elf auf dem Wasser sind, kommt tatsächlich die Sonne durch den Dunst hervor! Wir müssen als erstes der Fähre ausweichen, die emsig die 500 Meter Sund überquert und nehmen danach den kleinen Leuchtturm auf Aarö ins Visier. Man sieht auf der anderen Uferseite schäumende Wellen ans Ufer brechen. Etwas übertrieben für das bisschen Wind, finde ich. Außerdem fährt direkt vor uns ein Motorboot genau auf unserem Kurs - und es ist nur ein klitzekleines bisschen langsamer als wir. Es sind erkennbar etliche Angler auf dem Boot, die ihre Ruten über Bord halten. Wir kommen ganz allmählich immer näher, und es wäre für den Schiffsführer ein leichtes, entweder etwas am Gashebel zu drehen, oder nur ganz leicht den Kurs zu ändern - allein, er tut es nicht! Als wir schließlich und langsam dicht aufgeschlossen haben, erkenne ich nicht nur, wie der Bug des Motorbootes immer Gischtwellen schmeißt, wenn er durch die Wellen geht, sondern auch, dass er von einer Ankerleine auf der Stelle gehalten wird! Ich bin rechtschaffen geschockt! Wenn die Differenz unserer Geschwindigkeiten nur klitzeklein ist und seine Geschwindigkeit gleich null - dann kann das nichts Gutes für unsere Geschwindigkeit bedeuten!
Mit etwas Phantasie kann man sich das Phänomen auch ganz einfach erklären: Südlich von hier hat der Belt mit 30 mal 30 Kilometern seine größte Ausdehnung, seit Tagen herrscht Südwind, vor dem das Wasser nach Norden flüchtet, und zwischen Aarö und dem Festland wird es durch einen Trichter auf einen so engen Durchfluss gezwängt, dass einem die Strömung hier buchstäblich die Socken auszieht! Wir sind mit nur wenig mehr als drei Stundenkilometern unterwegs! Nachdem wir den Leuchtturm schließlich doch passiert haben, halten wir etwas mehr Abstand zum Ufer, denn nicht nur die Strömung ist beeindruckend, die Wellen sind es auch. War ich am Strand stehend noch etwas enttäuscht, dass ein solch lieblicher Wind wohl kaum Wellen aufzubauen versteht, die Spaß machen, verliere ich Jörg hier mehrfach und für lange Sekunden komplett aus den Augen. Wir fahren relativ dicht beieinander, trotzdem verschwindet er immer wieder in einem so tiefen Wellental, dass weder seine Mütze noch die Paddelspitze hervorlugt. Zum Glück sind wir eben weit genug draußen, so dass die Wellen nur selten brechen. Trotzdem erwischt je genau eine uns beide in voller Breitseite. Eine besonders große und mit lautem und langanhaltendem Rauschen brechende Welle geht knapp hinter mir durch. Ich drehe mich lieber nicht um, aber Jörg sagt, die sei groß gewesen.
Etwa auf halbem Wege zwischen Aarö und Baagö ist ein Flach, das zwar nur knapp aus dem Wasser
ragt, aber immerhin einen Namen trägt: Gräsholm. Es ist von allerlei Geflügel bevölkert, vorwiegend Kormorane. Auf dem freien Wasser davor ist die Wellenhöhe längst wieder der Windgeschwindigkeit angepasst, aber direkt über dem Flach brechen sie sich natürlich und laufen chaotisch in alle Richtungen. Wir müssen mit unseren kleinen Booten tatsächlich nach einer Durchfahrt suchen, um nicht aufzulaufen - mitten in der Ostsee! Kurz hinter der Rauschzone blicken wir plötzlich in eine große Zahl dunkler runder Kulleraugen: überall poppen Seehundsköpfe aus dem Wasser! Es sind zirka drei Dutzend, die uns neugierig mustern. Sie kommen bis zur Brust aus dem Wasser, manche springen hoch und lassen sich platschend zurückplumpsen. Wir treiben eine Weile neben ihnen her uns sehen dem Schauspiel zu. Eine so große Ansammlung an Seehunden haben wir beide auf der Ostsee noch nie gesehen.
Unsere Pause machen wir kurz vor der Nordspitze von Baagö. Zwei wunderschöne Seeadler mit reinweißem Schwanz ziehen über uns ihre Kreise. Der auf der Seekarte und auch auf den Satellitenbild verzeichnete Durchlass zwischen Baagö und Egholm, durch den wir auf unserer letzten Tour in diesem Gebiet noch geschlüpft sind, ist mittlerweile geschlossen, so dass das ehemals eigenständige Flach nun vollständig mit der größeren Insel verbunden ist. Wir müssen "nur noch" bis nach Fänö Kalv paddeln, und auf der Seekarte sieht es auch gar nicht mehr so weit aus. Aber die
Karte ist im Maßstab 1:75.000, so dass der Eindruck trügt. Nach meiner Einschätzung schaffen wir es gerade mit dem letzten Tageslicht, aber nur wenn wir keine weiteren Pausen einlegen. So müssen wir also die Besichtigung des Jahrhundert-Shelters auf morgen verschieben. Die Keulerei am Anfang unserer Tour hat doch mehr Saft gezogen, als wir geglaubt haben, aber immerhin schiebt zum Glück der Wind. Als der Belt sich kurz vor Fänö deutlich verengt, passieren wir eine Fahrwassertonne, an der Stromwirbel stehen, wie wir sie sonst nur von der Nordsee her kennen. Kurz dahinter wird das nach Norden strömende Wasser durch einen Landvorsprung abgebremst und es entstehen rauschende Strömungswellen! So etwas hätten wir hier nie für möglich gehalten.
Hier sehen wir die ersten beiden Schweinswale, vermutlich eine Mutter mit ihrem Kalb, die mitten zwischen unseren Boote auftauchen und in die entgegengesetzte Richtung paddeln. Auch wenn so eine Begegnung einem das Hertz immer leicht macht, gehen die letzten fünf Kilometer doch arg an die Substanz, denn wir haben schon mehr als dreißig ihrer Kollegen auf der Uhr. Ich muss hin und wieder mein Paddel absetzen, um zu verschnaufen. Als ich mir später unsere GPS-Spur von diesem Teil ansehe, kann ich es kaum glauben: wir sind hier trotz leerer Batterie mit einem Schnitt von 9,6 km/h unterwegs! Wenn die Strömung morgen noch genauso geht, haben wir ein ernsthaftes Problem für die Rückfahrt!
Fänö Kalv empfängt uns mit himmlischer Ruhe. Um diese Jahrszeit sind die Aktivitäten auf dem Wasser eben deutlich gebremst und wir haben die Welt für uns alleine. Nach etwas Suchen finden wir einen schönen, windgeschützten Zeltplatz unter Bäumen. Es gibt Bolognese mit Po, Pa, Pi und mit 396 Gramm Nudeln - kein Gramm zuviel!
Ich brauche mehr als die halbe Nacht, um mich zu erholen. Immer, wenn ich mich umdrehe und dabei den Wachzustand touchiere, merke ich, wie kaputt ich wirklich bin und dass ich die Ruhe brauche. Übrigens schlafe ich deutlich entspannter als im Shelter - ich bin eben doch eher der Zelt-Typ!
Mein erster Gang heute Morgen führt mich runter zum Wasser, um die
Strömungsrichtung und Stärke zu beurteilen. Wie es aussieht, haben wir
tatsächlich alles Glück der Welt: Der Strom ist tatsächlich gekippt!
Zwar geht er längst nicht mehr so gewaltig wie gestern, aber immerhin
steht er uns nicht ins Gesicht. Und der Wind hat sich auch beruhigt -
was will man mehr? Trotzdem wollen wir die Rückfahrt nicht unnötig
ausdehnen und lieber den kürzesten Weg wählen - auch das ist noch weit
genug!
Es herrscht fast Flaute, so das die Wasserflächen ewig glatt daliegen. Unter diesen Bedingungen kommen Schweinswale immer an die Wasseroberfläche! Es dauert auch gar nicht lange, bis wir die ersten entdecken. Während unserer gesamten Rückfahrt sehen wir immer wieder irgendwelche Rückenflossen auf- und wieder abtauchen.
Der Wetterbericht hatte uns für heute eigentlich Sonnenschein versprochen, aber danach sieht der Himmel nun wirklich nicht aus. Die Sicht ist nicht ganz schlecht - so etwa fünf Kilometer. Aber da die freien Strecken, die wir zu bewältigen haben, weiter sind als das, ist das Gefühl nicht viel anders, als wenn der Blick bereits nach 500 Metern im Trüben stecken bliebe. Wir mögen beide dieses Fahren ins Nichts und die dabei erhöhte Anforderung an die Navigation. Darin sind wir allerdings mittlerweile recht erfahren, so dass unsere Spur nur wenig zickzackt, wie man auf dem nebenstehenden Bild erkennt: erst aus dem Fahrwasser raus, dann direkt auf die Spitze von Brandsö zu, bis es in Sicht kommt. Leicht Abknicken, um die Westspitze der Insel aufs Korn zu nehmen und schließlich nach einer groben Daumenpeilung des weiteren Kurses auf Aarösund zu. In unserem Bestreben, möglichst rasch zu unserem Ausgangspunkt zurückzukommen, ist uns leider ein Programmpunkt durchs Rost gefallen: Die Besichtigung des Jahrhundertschelters! Vielleicht ein anderes Mal.
Sonntag, 1. November 2015
Samstag, 26. September 2015
"Dunkel war's, der Mond schien helle..."
Seit Jahren schon ist es Tradition bei uns im Verein, Ende September eine "Fahrt ohne Wiederkehr" zu veranstalten. Diesmal lag der Termin, der sich auf natürliche Weise dafür anbot, genau auf Birkes Geburtstag. Zum "Glück" weilt diese aber an ihrem Jubeltag in Afrika, und so konnte es ihr nicht weh tun, wenn sich ihr Vater mit einer Gruppe Unerschrockener auf eine Paddeltour begibt. Die Anmeldungen trudelten diesmal sehr zahlreich ein, so dass ich Sorge hatte, dass wir alle zum Aprés-Padéll in Gerdis Wohnung Platz finden würden.
Das Logistik-Problem ließ sich trotz der großen Teilnehmerzahl recht einfach bewerkstelligen, da Björns Auto Transportkapazität für sieben Leute bietet und Uschi sich bereit erklärt hat, den Bootstrailer mit ihrem Wagen zu ziehen. So konnte ich fast ungehemmt den am selben Tag angesetzten Arbeitsdienst im Verein wahrnehmen und hatte dann sogar noch ein bisschen Zeit zur Erholung.
Das Beladen der Boote und Ausschmücken mit Knicklichtern nahm dann doch länger in Anspruch als geplant, so dass wir uns erst mit zehnminütiger Verspätung auf den Weg machten. Der Himmel zeigte sich fast wolkenlos - ich hatte ja auch einen effektvollen Sonnenuntergang versprochen, und am heimischen Steg war es so gut wie windstill. Für die offfene Ostsee waren allerdings fünf bis sechs Metern pro Sekunde vorhergesagt, was mich veranlasste, schon vor dem Start darauf hinzuweisen, dass das bei der zu erwartenden Dunkelheit schon anspruchsvolle Bedingungen erzeugt, denen wir entsprechend Rechnung tragen müssen. Diese Ansage hätte ich mir genauso gut sparen können.
Unseren Weg aus der Förde begleitete uns dieses wunderbar weiche, dänische Licht, das entsteht, wenn die Sonne tief stehend milde goldene Strahlen fast waagerecht über die Erde schickt. Kurz vor sieben Uhr geht die Sonne unter und wir haben fast die Ansteuertonne von Marina Wendtorf erreicht. Ab hier lasse ich durchzählen und Paare bilden, deren Nummernsumme immer 13 sein soll. Das ist nicht ganz einfach und dauert ein bisschen. Ich muss noch einige Paarungen korrigieren, weil die Gleichheit der Nummernsumme nicht automatisch auch eine Gleichheit der Erfahrungssumme sicherstellt. Schließlich ist aber jeder gut begleitet und auch ich fühle mich sicher unter der Aufsicht von Jens, für den das die erste Fahrt in die Dunkelheit ist.
Während sich die Gruppe bis hierher recht weit auseinander gezogen hatte, dringe ich nun darauf, beieinander zu bleiben, wobei jeder immer auf seinen Partner Acht geben soll. Es zeigt sich sehr bald, dass allein durch guten Willen keine hinreichende Kohäsion erzeugt werden kann. Die Geschwindigkeiten innerhalb der Gruppe weisen einfach eine zu große Streubreite auf. Ich bitte Uschi, vorne zu fahren und weise an, dass niemand sie überholen darf. Diese Maßnahme hat zwei Wirkungen: Zum einen fahren wir fortan tatsächlich in einer sehr geschlossenen Formation, zum anderen legt Uschi an der Spitze fahrend ein dermaßen strammes Tempo an den Tag, dass sie unmöglich mitkommen würde, wenn sie hinten fahren würde!
Je weiter wir um die Ecke und unseren Kurs nach Osten biegen, desto achterlicher kommt der nordwestliche Wind. Er weht tatsächlich in der vorhergesagten Stärke und erzeugt entsprechende Wellen. Die sind in ihrer Höhe zwar unterhalb von einem halben Meter, aber sie kommen von hinten und es ist dunkel und es sind etliche dabei, die das erste Mal in solchen Verhältnissen unterwegs sind. Die Stimmungslage in der Gruppe hat daher ein breites Spektrum: von juchzender Freude mit breitem Grinsen bis zur angespannten Alarmiertheit mit großen Augen.
Wie jedes Jahr sitze ich zuerst dem Irrtum auf, dass die schon recht bald in Sicht kommende Lichterreihe die unsrige ist, bei der wir zwischen der 12. und 13. Laterne anlanden müssen. Aber irgendwie kann ich es dann doch nicht glauben, dass wir so schnell am Ziel sein sollen und zücke mein schlaues Telefon, das immer über alles viel besser Bescheid weiß. Ein Blick auf die Uhr und eine simple Plausibilitätsbetrachtung hätten mich auch überzeugen können, dass unsere Lichterreihe noch hinter der nächsten Biegung versteckt sein muss.
Die Sache mit den Knicklichtern ist dieses Jahr komplizierter als sonst. Rossmann hat die Dinger für mich völlig unverständlich aus seinem Sortiment genommen und uns damit beinahe in eine Krise gestürzt. Zum Glück hat Hanno noch ein paar aus dem Baumarkt geholt und einigen "Unterbelichteten" aus der Gruppe ausgeholfen. Aber seine leuchten bei weitem nicht so gut wie die von Rossman. Zum Glück ist aber 93%iger Vollmond und keine Wolke am Himmel, so dass ich erstmals auf einer Dämmertour die Teilnehmer nicht nur ständig sehen sondern meistens sogar erkennen kann! Trotz der optimalen Sichtbedingungen fahre ich fast ständig als letzter, um sofort zur Stelle sein zu können, sollte ein alarmiertes, großes Augenpaar die Wasseroberfläche kreuzen!
In der Nähe unseres Zielortes fahren wir dichter ans Ufer, so dass wir die Molenköpfe nicht nur hören sondern auch sehen können. Es ist nicht so einfach, wie es sich anhört, zwischen der zwölften und dreizehnten Laterne an Land zu fahren, weil man keinen Anhaltspunkt hat und ständig vergisst, ob die Laterne davorne nun die 12. oder die 14. ist. Aber zum Glück gibt es Gerdi! Der hat sich schon am Strand postiert und schwenkt heimleuchtend seine Taschenlampe!
Britta hatte bereits im Vorfeld angekündigt, dass sie den direkten Heimweg einem Besuch bei Inge und Gerdi vorziehen würde, und auch für die vom Festival gebeutelte Johanna ist das die klügere Variante. So fallen wir also nur mit 10 Leuten bei unseren beiden Vereinskameraden ein und lassen es uns gutgehen bei Kuchen und unverschämt leckerem Tee - mit Kandis mit Rum - bei dem man den Kandis allerdings suchen muss!
Das Logistik-Problem ließ sich trotz der großen Teilnehmerzahl recht einfach bewerkstelligen, da Björns Auto Transportkapazität für sieben Leute bietet und Uschi sich bereit erklärt hat, den Bootstrailer mit ihrem Wagen zu ziehen. So konnte ich fast ungehemmt den am selben Tag angesetzten Arbeitsdienst im Verein wahrnehmen und hatte dann sogar noch ein bisschen Zeit zur Erholung.
Das Beladen der Boote und Ausschmücken mit Knicklichtern nahm dann doch länger in Anspruch als geplant, so dass wir uns erst mit zehnminütiger Verspätung auf den Weg machten. Der Himmel zeigte sich fast wolkenlos - ich hatte ja auch einen effektvollen Sonnenuntergang versprochen, und am heimischen Steg war es so gut wie windstill. Für die offfene Ostsee waren allerdings fünf bis sechs Metern pro Sekunde vorhergesagt, was mich veranlasste, schon vor dem Start darauf hinzuweisen, dass das bei der zu erwartenden Dunkelheit schon anspruchsvolle Bedingungen erzeugt, denen wir entsprechend Rechnung tragen müssen. Diese Ansage hätte ich mir genauso gut sparen können.
Unseren Weg aus der Förde begleitete uns dieses wunderbar weiche, dänische Licht, das entsteht, wenn die Sonne tief stehend milde goldene Strahlen fast waagerecht über die Erde schickt. Kurz vor sieben Uhr geht die Sonne unter und wir haben fast die Ansteuertonne von Marina Wendtorf erreicht. Ab hier lasse ich durchzählen und Paare bilden, deren Nummernsumme immer 13 sein soll. Das ist nicht ganz einfach und dauert ein bisschen. Ich muss noch einige Paarungen korrigieren, weil die Gleichheit der Nummernsumme nicht automatisch auch eine Gleichheit der Erfahrungssumme sicherstellt. Schließlich ist aber jeder gut begleitet und auch ich fühle mich sicher unter der Aufsicht von Jens, für den das die erste Fahrt in die Dunkelheit ist.
Während sich die Gruppe bis hierher recht weit auseinander gezogen hatte, dringe ich nun darauf, beieinander zu bleiben, wobei jeder immer auf seinen Partner Acht geben soll. Es zeigt sich sehr bald, dass allein durch guten Willen keine hinreichende Kohäsion erzeugt werden kann. Die Geschwindigkeiten innerhalb der Gruppe weisen einfach eine zu große Streubreite auf. Ich bitte Uschi, vorne zu fahren und weise an, dass niemand sie überholen darf. Diese Maßnahme hat zwei Wirkungen: Zum einen fahren wir fortan tatsächlich in einer sehr geschlossenen Formation, zum anderen legt Uschi an der Spitze fahrend ein dermaßen strammes Tempo an den Tag, dass sie unmöglich mitkommen würde, wenn sie hinten fahren würde!
Je weiter wir um die Ecke und unseren Kurs nach Osten biegen, desto achterlicher kommt der nordwestliche Wind. Er weht tatsächlich in der vorhergesagten Stärke und erzeugt entsprechende Wellen. Die sind in ihrer Höhe zwar unterhalb von einem halben Meter, aber sie kommen von hinten und es ist dunkel und es sind etliche dabei, die das erste Mal in solchen Verhältnissen unterwegs sind. Die Stimmungslage in der Gruppe hat daher ein breites Spektrum: von juchzender Freude mit breitem Grinsen bis zur angespannten Alarmiertheit mit großen Augen.
Wie jedes Jahr sitze ich zuerst dem Irrtum auf, dass die schon recht bald in Sicht kommende Lichterreihe die unsrige ist, bei der wir zwischen der 12. und 13. Laterne anlanden müssen. Aber irgendwie kann ich es dann doch nicht glauben, dass wir so schnell am Ziel sein sollen und zücke mein schlaues Telefon, das immer über alles viel besser Bescheid weiß. Ein Blick auf die Uhr und eine simple Plausibilitätsbetrachtung hätten mich auch überzeugen können, dass unsere Lichterreihe noch hinter der nächsten Biegung versteckt sein muss.
Die Sache mit den Knicklichtern ist dieses Jahr komplizierter als sonst. Rossmann hat die Dinger für mich völlig unverständlich aus seinem Sortiment genommen und uns damit beinahe in eine Krise gestürzt. Zum Glück hat Hanno noch ein paar aus dem Baumarkt geholt und einigen "Unterbelichteten" aus der Gruppe ausgeholfen. Aber seine leuchten bei weitem nicht so gut wie die von Rossman. Zum Glück ist aber 93%iger Vollmond und keine Wolke am Himmel, so dass ich erstmals auf einer Dämmertour die Teilnehmer nicht nur ständig sehen sondern meistens sogar erkennen kann! Trotz der optimalen Sichtbedingungen fahre ich fast ständig als letzter, um sofort zur Stelle sein zu können, sollte ein alarmiertes, großes Augenpaar die Wasseroberfläche kreuzen!
In der Nähe unseres Zielortes fahren wir dichter ans Ufer, so dass wir die Molenköpfe nicht nur hören sondern auch sehen können. Es ist nicht so einfach, wie es sich anhört, zwischen der zwölften und dreizehnten Laterne an Land zu fahren, weil man keinen Anhaltspunkt hat und ständig vergisst, ob die Laterne davorne nun die 12. oder die 14. ist. Aber zum Glück gibt es Gerdi! Der hat sich schon am Strand postiert und schwenkt heimleuchtend seine Taschenlampe!
Britta hatte bereits im Vorfeld angekündigt, dass sie den direkten Heimweg einem Besuch bei Inge und Gerdi vorziehen würde, und auch für die vom Festival gebeutelte Johanna ist das die klügere Variante. So fallen wir also nur mit 10 Leuten bei unseren beiden Vereinskameraden ein und lassen es uns gutgehen bei Kuchen und unverschämt leckerem Tee - mit Kandis mit Rum - bei dem man den Kandis allerdings suchen muss!
Sonntag, 23. August 2015
Spießer auf Tour!
Meine alljährliche Tour auf der Flensburger Förde ist vornehmlich für Leute gedacht, die mit dem Paddeln gerade angefangen haben und "weiter hinaus" wollen - vorzugsweise solche, denen ich im betreffenden Jahr in meiner Einsteigertruppe das Paddeln beigebracht habe. Die Resonanz aus dieser Zielgruppe ist aber seit jeher nur sehr verhalten, und ich werde mir überlegen, wie ich damit umgehen werde. Auch dieses Jahr sind wir eine kleine Gruppe und mit Carola ist lediglich eine einzige Teilnehmerin dabei, die neu im Geschäft ist.
Es ist durchgängig frischer Ostwind für das Wochenende angesagt, der am Sonntag seine größte Stärke entfalten soll. Die Option, den kleinen Belt gegen einen lauen Wind zu queren und dann mit frischem Rückenwind zurückzusurfen, fällt als nicht zielgruppenkompatibel aus. Auch die übliche Variante, in die Förde hinein und am Sonntag wieder heraus, bietet sich unter diesen Bedingungen nicht wirklich an. Also bleibt nur der Alsenfjord, den wir problemlos befahren können. Auch bei dieser Variante bleibt immer noch die Rückfahrt am Sonntag bei frischem Ostwind eine herausfordernde Aufgabe.
Die Packorgie am Strand von Habernis wird untermalt von einem bestialischen Gestank, der von den an den Strand angeschwemmten Algen verursacht wird. Ein Bagger mit gigantischer Schaufel ist gerade dabei, sie zusammen zu schieben, damit sie abtransportiert werden können. Die Besucher des kleinen Strandes freuen sich schon auf eine geruchsärmere Zukunft.
Die Überfahrt nach Broager ist wenig spektakular - doch halt! Normalerweise versuche ich meinen Begleitern immer nahezubringen, dass man seinen Kurs mittels Deckpeilung von Wind und Strömung unabhängig halten und damit optimal gestalten kann. Mein Erfolg damit hält sich meist in engen Grenzen. Dieses Mal habe ich die Kante der vor uns liegenden Steilküste und einem Busch mitten auf einem Hügel am Horizont als in Deckung zu haltende Objekte dafür angeboten. Das Ergebnis ist eine beeindruckend gerade verlaufende Linie unserer GPS-Spur! Geht doch!
Die ganze Zeit über hat Johanna sich schon auf den Moment gefreut, mein Gesicht zu sehen, wenn sie ihr neues Zelt aufbauen würde! Nach ihrer immer nur müde belächelten lila Lidl-Hütte hat sie sich nun ein echtes High-Tech-Zelt geleistet, das jeden eingefleischten Outdoorer mit Neid erfüllt! Ich bin beeindruckt!
Unbelastet durch Tide oder hochtrabende Pläne lassen wir es am Samstag Morgen gemütlich angehen. Der Wind ist lieblich und das Wasser liegt wunderbar blaugrün und erfrischend klar in seinem Bett. Sonderburg ist bald passiert und zeigt sich von Jahr zu Jahr moderner und mondäner - oder mondänischer? Im Sund geht eher gar kein Wind, so dass Johanna hier eher langweilig zumute ist. Wir laufen den Übernachtungsplatz in Arnkill an, um ihn zu inspizieren. Nach einer Pause mit einer kleinen Stärkung wechseln wir die Seiten und nehmen den gegenüber liegenden neuen Übernachtungsplatz in Augenschein. Der ist eindeutig spießiger als der erste, aber manchmal sind so ein richtiges Klo und fließend Wasser auch nicht zu verachten!
Wir wollen noch ein wenig das schöne Wetter nutzen, und ich biete an, dass wir vor der Nordspitze der Halbinsel zwischen Alsensund und Augustenburgfjord Rollen üben können. Carola macht ihre ersten und Johanna einige vielversprechende Versuche in dieser Richtung. Hanno zerbricht bei der Gelegenheit sein Paddel. Aber als echter Seekajaker hat er natürlich Ersatz dabei. Während für Carola der Tag voll ist und sie schon mal zu unserem spießigen Zeltplatz paddelt, fahren wir anderen noch ein Stück den Alsenfjord hinauf. Johanna braucht unbedingt noch eine Herausforderung, bevor sie diesen Tag als erfüllt ansehen kann. Wie ein junger Hund jiepert sie nach Bewegung! Der Rückenwind bläst frisch und wir machen höllisch Fahrt. Bei manchen Surfs sind wir über zehn Stundenkilometer schnell - das junge Hündchen immer vorweg! Das ändert sich, als wir umkehren und uns der Wind ins Gesicht bläst. Durch das lange und leidvolle Training meiner Tour von Göteborg nach Oslo nehme ich Gegenwind nicht mehr wirklich ernst und paddle stur meinen Stiefel runter - notfalls auch für Stunden. Trotzdem ist bemerkenswert, wie gut Johanna und Hanno mithalten. Es wird nicht mehr lange dauern, bis auch bei diesen Bedingungen jemand anders vorne fährt!
Am Sonntag müssen wir nur irgendwie wieder zurückkommen. Auch heute machen wir auf Urlaub und dehnen das Frühstück genüsslich aus. Die Strecke bis hinter Sonderburg ist aber doch von einiger Länge und Carola hat etwas Schwierigkeiten mit ihrem Handgelenk. Da sie mit ihrem Boot noch nicht wirklich intim ist und sie am Freitag einigermaßen mit Wind und Kurs gehadert hat, bin ich einigermaßen skeptisch, ob sie die Querung der Flensburger Außenförde problemlos bewältigen wird. Es gäbe die Hasenvariante, bei der wir die Bucht Vemmingbund ganz ausfahren und uns an der Steilküste von Broager entlangdrücken würden - aber das würde keine Grenzüberschreitung bedeuten und der Kämpfernatur in Carola nicht gerecht. So gehe ich den Kompromiss ein, dass wir von Sonderburg aus erst einmal ein Stück genau nach Osten paddeln, um Höhe gegen den Wind zu machen und damit einen besseren Kurs auf unser Ziel fahren zu können.
Bei der Überfahrt bleibt mir einige Male das Herz kurz stehen. Das liegt an folgendem: Die Wellen sind erklecklich, die größten erreichen so etwa einen Meter. Carola kann absolut noch nicht stützen. Und außerdem ist sie immer noch nicht glücklich mit dem Verhalten ihres Bootes bei Seitenwind. Wenn man diese drei Zutaten zusammengibt, entstehen Situationen, in denen Carola das Skeg verstellen möchte, dazu das Paddel parallel zur Bootslängsachse auf ihre Schulter legt (so dass der Wind prima in die Blätter fassen kann!) und dann eine große Welle ihr Boot verwackelt! Meiner Erwartung nach hätte sie einige Male guten Grund gehabt umzukippen! Aber Carola lässt ihr Boot bei jeder Welle ganz gelassen mit der Hüfte abwackeln, stellt ihr Skeg wunschgemäß ein, holt das Paddel wieder von der Schulter und paddelt in aller Seelenruhe weiter! Ich glaube, ich habe viel mehr Stress, weil ich die ganze Zeit versuche, immer exakt zwei Meter neben ihr zu paddeln, was bei den herrschenden Bedingungen nicht ganz einfach zu bewerkstelligen ist.
Am Strand von Habernis angekommen, hat sie eindeutig mehr Grenzen überschritten, als nur die deutsch-dänische Landesgrenze!
Es ist durchgängig frischer Ostwind für das Wochenende angesagt, der am Sonntag seine größte Stärke entfalten soll. Die Option, den kleinen Belt gegen einen lauen Wind zu queren und dann mit frischem Rückenwind zurückzusurfen, fällt als nicht zielgruppenkompatibel aus. Auch die übliche Variante, in die Förde hinein und am Sonntag wieder heraus, bietet sich unter diesen Bedingungen nicht wirklich an. Also bleibt nur der Alsenfjord, den wir problemlos befahren können. Auch bei dieser Variante bleibt immer noch die Rückfahrt am Sonntag bei frischem Ostwind eine herausfordernde Aufgabe.
Die Packorgie am Strand von Habernis wird untermalt von einem bestialischen Gestank, der von den an den Strand angeschwemmten Algen verursacht wird. Ein Bagger mit gigantischer Schaufel ist gerade dabei, sie zusammen zu schieben, damit sie abtransportiert werden können. Die Besucher des kleinen Strandes freuen sich schon auf eine geruchsärmere Zukunft.
Die Überfahrt nach Broager ist wenig spektakular - doch halt! Normalerweise versuche ich meinen Begleitern immer nahezubringen, dass man seinen Kurs mittels Deckpeilung von Wind und Strömung unabhängig halten und damit optimal gestalten kann. Mein Erfolg damit hält sich meist in engen Grenzen. Dieses Mal habe ich die Kante der vor uns liegenden Steilküste und einem Busch mitten auf einem Hügel am Horizont als in Deckung zu haltende Objekte dafür angeboten. Das Ergebnis ist eine beeindruckend gerade verlaufende Linie unserer GPS-Spur! Geht doch!
Die ganze Zeit über hat Johanna sich schon auf den Moment gefreut, mein Gesicht zu sehen, wenn sie ihr neues Zelt aufbauen würde! Nach ihrer immer nur müde belächelten lila Lidl-Hütte hat sie sich nun ein echtes High-Tech-Zelt geleistet, das jeden eingefleischten Outdoorer mit Neid erfüllt! Ich bin beeindruckt!
Unbelastet durch Tide oder hochtrabende Pläne lassen wir es am Samstag Morgen gemütlich angehen. Der Wind ist lieblich und das Wasser liegt wunderbar blaugrün und erfrischend klar in seinem Bett. Sonderburg ist bald passiert und zeigt sich von Jahr zu Jahr moderner und mondäner - oder mondänischer? Im Sund geht eher gar kein Wind, so dass Johanna hier eher langweilig zumute ist. Wir laufen den Übernachtungsplatz in Arnkill an, um ihn zu inspizieren. Nach einer Pause mit einer kleinen Stärkung wechseln wir die Seiten und nehmen den gegenüber liegenden neuen Übernachtungsplatz in Augenschein. Der ist eindeutig spießiger als der erste, aber manchmal sind so ein richtiges Klo und fließend Wasser auch nicht zu verachten!
Wir wollen noch ein wenig das schöne Wetter nutzen, und ich biete an, dass wir vor der Nordspitze der Halbinsel zwischen Alsensund und Augustenburgfjord Rollen üben können. Carola macht ihre ersten und Johanna einige vielversprechende Versuche in dieser Richtung. Hanno zerbricht bei der Gelegenheit sein Paddel. Aber als echter Seekajaker hat er natürlich Ersatz dabei. Während für Carola der Tag voll ist und sie schon mal zu unserem spießigen Zeltplatz paddelt, fahren wir anderen noch ein Stück den Alsenfjord hinauf. Johanna braucht unbedingt noch eine Herausforderung, bevor sie diesen Tag als erfüllt ansehen kann. Wie ein junger Hund jiepert sie nach Bewegung! Der Rückenwind bläst frisch und wir machen höllisch Fahrt. Bei manchen Surfs sind wir über zehn Stundenkilometer schnell - das junge Hündchen immer vorweg! Das ändert sich, als wir umkehren und uns der Wind ins Gesicht bläst. Durch das lange und leidvolle Training meiner Tour von Göteborg nach Oslo nehme ich Gegenwind nicht mehr wirklich ernst und paddle stur meinen Stiefel runter - notfalls auch für Stunden. Trotzdem ist bemerkenswert, wie gut Johanna und Hanno mithalten. Es wird nicht mehr lange dauern, bis auch bei diesen Bedingungen jemand anders vorne fährt!
Am Sonntag müssen wir nur irgendwie wieder zurückkommen. Auch heute machen wir auf Urlaub und dehnen das Frühstück genüsslich aus. Die Strecke bis hinter Sonderburg ist aber doch von einiger Länge und Carola hat etwas Schwierigkeiten mit ihrem Handgelenk. Da sie mit ihrem Boot noch nicht wirklich intim ist und sie am Freitag einigermaßen mit Wind und Kurs gehadert hat, bin ich einigermaßen skeptisch, ob sie die Querung der Flensburger Außenförde problemlos bewältigen wird. Es gäbe die Hasenvariante, bei der wir die Bucht Vemmingbund ganz ausfahren und uns an der Steilküste von Broager entlangdrücken würden - aber das würde keine Grenzüberschreitung bedeuten und der Kämpfernatur in Carola nicht gerecht. So gehe ich den Kompromiss ein, dass wir von Sonderburg aus erst einmal ein Stück genau nach Osten paddeln, um Höhe gegen den Wind zu machen und damit einen besseren Kurs auf unser Ziel fahren zu können.
Bei der Überfahrt bleibt mir einige Male das Herz kurz stehen. Das liegt an folgendem: Die Wellen sind erklecklich, die größten erreichen so etwa einen Meter. Carola kann absolut noch nicht stützen. Und außerdem ist sie immer noch nicht glücklich mit dem Verhalten ihres Bootes bei Seitenwind. Wenn man diese drei Zutaten zusammengibt, entstehen Situationen, in denen Carola das Skeg verstellen möchte, dazu das Paddel parallel zur Bootslängsachse auf ihre Schulter legt (so dass der Wind prima in die Blätter fassen kann!) und dann eine große Welle ihr Boot verwackelt! Meiner Erwartung nach hätte sie einige Male guten Grund gehabt umzukippen! Aber Carola lässt ihr Boot bei jeder Welle ganz gelassen mit der Hüfte abwackeln, stellt ihr Skeg wunschgemäß ein, holt das Paddel wieder von der Schulter und paddelt in aller Seelenruhe weiter! Ich glaube, ich habe viel mehr Stress, weil ich die ganze Zeit versuche, immer exakt zwei Meter neben ihr zu paddeln, was bei den herrschenden Bedingungen nicht ganz einfach zu bewerkstelligen ist.
Am Strand von Habernis angekommen, hat sie eindeutig mehr Grenzen überschritten, als nur die deutsch-dänische Landesgrenze!
Sonntag, 24. Mai 2015
Fehmarn an Fingsten
"Pfingsten geh ich paddeln!", diesen Pflock hatte ich am heimischen Küchentisch schon lange vorher und mehrfach eingeschlagen! Zwar hatte ich mich vor längerem mit Jörg dazu verabredet, aber der hatte unsere Absprache vergessen und war eine andere Verpflichtung eingegangen. Er wollte Fritz helfen, sein Boot nach Arnis zu bringen - ohne Zweifel ist dafür schwerer geeigneter Ersatz zu finden, als jemanden, der mit mir paddeln geht. Beim Mittwochstraining frage ich Gerrit, ob er für die kommenden Feiertage schon etwas vorhat - hat er nicht. Die Überlegung, wohin wir fahren, dauert nicht lange, denn meinen Einwand, dass eine Umrundung Fehmarns ja ausfällt, weil sie nicht genug zu bewältigende Strecke für drei Tage bietet, entkräftet er mit einem "Und wenn wir nur zwei Tage fahren?". Das ist auch viel entspannter, und ich habe dann auch noch einen Tag für den heimischen Küchentisch! Am Freitag fiel mir auch noch ein, dass wir ja gar nicht unbedingt zu zweit fahren müssen und Peter seine geplante Schleifahrt wegen mangelnder Meldungen abgesagt hatte. Kurz gefragt - ja, auch er hat Zeit und Lust.
In Gerrit haben wir einen Kundigen gefunden, der die Verhältnisse der ehemals größten Insel der Bundesrepublik bis ins intime Detail kennt. Außerdem haben wir alle so moderne Super-Handies, mit denen wir auf der Hinfahrt immer wieder nachsehen, wo ein geeigneter Startpunkt für unsere Unternehmung wäre. Unsere goldene Wahl fällt schließlich auf einen kleinen Ort am Südostende der Orther Reede mit Namen - "Gold"! Das ist nicht weit entfernt von dem Campingplatz, auf den wir uns damals bei meiner ersten Umrundung Fehmarns am ersten Abend gerettet haben.
Das Wetter ist sonnig, aber nicht besonders warm, der Wind bläst genau entgegen. Auch das ist nah dran an den Verhältnissen von damals. Aber dieses Mal steckt mir keine eben überwundene Erkältung im Bauch und meine Erfahrung, Kraft und Zutrauen sind beträchtlich gewachsen seitdem. Das erste Stück geht zwar wie vor elf Jahren stramm gegen den Wind, aber wegen des größeren Vermögens und der heute fehlenden Schwächung nagt das nicht im entferntesten am Gebälk. So gehen wir nach guten zwei Stunden zur Pause an den Strand, weil wir Lust darauf haben und nicht, weil die Batterie absolut leergelutscht ist.
Ich erinnere mich noch, dass die Strecke bis zur Nordwestspitze der Insel damals unglaublich lang war, und dieses Mal will ich es fast nicht glauben, dass wir sie in so kurzer Zeit schon erreicht haben sollen. Aber da keiner von uns eine Karte mitführt und die Landschaft irgendwie nicht sehr markant daherkommt, lassen wir uns mehr als einmal täuschen, dass das in der nahen Ferne zu erkennende Abknicken der Uferlinie schon die finale Spitze sein soll. Ist es natürlich nicht, und so können wir das herrlich grün-blaue Wasser mit den leider eine Nuance zu kleinen seitlichen Wellen doch länger genießen als gedacht. Irgendwo im grün-blauen Nirgendwo entdecke ich eine Unregelmäßigkeit in der Wasseroberfläche und forsche nach. Da schwimmt eine gigantische Angel im Bach! Ich fixiere sie auf meinem Boot und will weiterpaddeln, aber ihr Haken ist vermutlich irgendwo festgepinnt, so dass ich kaum vorankomme. Peter muss nicht retten, indem die Sehne gekappt wird. Schade, so geht mir leider Angelhaken und Köder verloren!
Nach dem ultimativen Knick der Landschaft haben wir Wind und Wellen genau von hinten und es ist ein Kinderspiel, sich dem Ziel entgegentreiben zu lassen. Auch hier hätten die Wellen ruhig einen Tuck höher sein können - aber wir wollen nicht undankbar sein. Unsere zweite Pause machen wir direkt unterhalb des Niobe-Denkmals. Anders als bei der ersten Pause, bei der ich sogar trockene Füße beim Ausstieg behielt, agiere ich hier ausgesprochen ungeschickt. Am Ende ist mein Cockpit bis zum Anschlag mit Wasser geflutet. Im Schatten des Denkmals reden wir ein bisschen über das Unglück von damals und dass wir mit unseren Booten bei den damaligen Verhältnissen bessere Chancen gehabt hätten.
Der Hafen von Puttgarden ist immer ein unangenehmes Hindernis. Der Fährverkehr ist relativ dicht und die offizielle Variante, ihn zu passieren, ziemlich ungünstig. Dort ist das Fahrwasser einfach schon viel zu breit. Also pirschen wir uns relativ dicht an den Hafeneingang heran und behalten die Fähren genau im Auge. Da eine gerade eingelaufen, die andere vor längerer Zeit ausgelaufen ist, besteht eigentlich kein Grund zur Sorge. Trotzdem gehen wir in dichter Packung an der Hafenausfahrt vorbei.
Mein Ziel ist, den damals zur Übernachtung genutzten Strand wiederzufinden. Ich weiß, dass da kurz vorher ein einsames Haus direkt auf dem Steilufer stand, das ich auch diesmal wiedererkenne. Zwar habe ich einen weitläufigen Sandstrand ohne Steine in Erinnerung, aber nach elf Jahren sind die Bilder im Kopf halt etwas verwaschen. So gehen wir an einer Stelle an Land, bei der wir doch noch einige Steine passieren müssen, bevor wir auf sandigem Untergrund unsere Zelte aufbauen können. Peter hat leider seine Schuhe vergessen. So muss er strumpfsocks im Sand rumlaufen, was seine Beweglichkeit deutlich einschränkt. Wir lassen uns durch solche Lapalien nicht die Gemütlichkeit des Abends vermiesen und sitzen noch lange gemütlich bei Kakao und Tee in mückenfreier Atmosphäre beisammen.
Die Nacht ist mild, soweit man das in einem so kalten Frühjahr wie diesem sagen kann. Der Wind ist fast komplett eingeschlafen und wir haben gestern bereits vierzig der sechzig für eine Umrundung notwendigen Kilometer geschafft. Das verspricht ein entspannter Tag zu werden. Es ist etwas bewölkt, die Sonne mogelt sich zwar immer mal durch, aber die Temperaturen sind eben nicht besonders üppig. So fahre ich mit meiner albernen signalgelben Schirmmütze durch die Landschaft, die eigentlich eher für einen Auftritt im Winter gedacht war. An Staberhuk vorbei teilt sich unsere Gruppe in zwei Teile. Peter und Gerrit versuchen eine möglichst gerade Spur zu ziehen, während ich mich recht dicht am Ufer halte. Natürlich bedeutet das einen längeren Weg, aber es geht mir gut und ich fahre zügig. Den Pausenplatz kurz westlich von Palma de Fehmarn erreiche ich deutlich vor den beiden anderen.
Wegen des mittlerweile ausgesprochen guten Wetters herrscht eine rege Betriebsamkeit am Strand. Das Steilufer hier ist von zahllosen Löchern durchsiebt - von hier in Richtung Sund-Brücke erstreckt sich die zweitgrößte Uferschwalbenkolonie Schleswig-Holsteins! Da fragt man sich doch: wo ist denn die Größte? Nach ausgiebiger Pause - wir haben noch den gesamten Tag Zeit - wollen wir die paar Kilometer bis zu unserem Ausgangspunkt zurücklegen. Anfangs merkt man es noch nicht, aber wir werden von einer ordentlichen Strömung unterstützt. Unter der Brücke kann man dann deutlich sehen, wie das Wasser Wirbel an den Pfeilern wirft. In der Ohrter Reede lässt Gerrit es sich nicht nehmen, einmal aufzulaufen, es gibt wirklich flache Stellen hier. Verbunden mit im Wasser befindlichen großen Steinen ergibt das ein brenzliges Revier bei windigen Bedingungen. Heute herrscht Flaute!
Fehmarn bietet eine wirklich lohnendeTour. Allein die Tatsache, dass man bei einer Komplett-Umrundung erhebliche Distanzen gegen den Wind bewältigen muss, machen es zu einem Garanten für lange Arme - es sei denn, man hat so viel Glück mit dem Wind und seinen Richtungen wie wir diesmal!
In Gerrit haben wir einen Kundigen gefunden, der die Verhältnisse der ehemals größten Insel der Bundesrepublik bis ins intime Detail kennt. Außerdem haben wir alle so moderne Super-Handies, mit denen wir auf der Hinfahrt immer wieder nachsehen, wo ein geeigneter Startpunkt für unsere Unternehmung wäre. Unsere goldene Wahl fällt schließlich auf einen kleinen Ort am Südostende der Orther Reede mit Namen - "Gold"! Das ist nicht weit entfernt von dem Campingplatz, auf den wir uns damals bei meiner ersten Umrundung Fehmarns am ersten Abend gerettet haben.
Das Wetter ist sonnig, aber nicht besonders warm, der Wind bläst genau entgegen. Auch das ist nah dran an den Verhältnissen von damals. Aber dieses Mal steckt mir keine eben überwundene Erkältung im Bauch und meine Erfahrung, Kraft und Zutrauen sind beträchtlich gewachsen seitdem. Das erste Stück geht zwar wie vor elf Jahren stramm gegen den Wind, aber wegen des größeren Vermögens und der heute fehlenden Schwächung nagt das nicht im entferntesten am Gebälk. So gehen wir nach guten zwei Stunden zur Pause an den Strand, weil wir Lust darauf haben und nicht, weil die Batterie absolut leergelutscht ist.
Ich erinnere mich noch, dass die Strecke bis zur Nordwestspitze der Insel damals unglaublich lang war, und dieses Mal will ich es fast nicht glauben, dass wir sie in so kurzer Zeit schon erreicht haben sollen. Aber da keiner von uns eine Karte mitführt und die Landschaft irgendwie nicht sehr markant daherkommt, lassen wir uns mehr als einmal täuschen, dass das in der nahen Ferne zu erkennende Abknicken der Uferlinie schon die finale Spitze sein soll. Ist es natürlich nicht, und so können wir das herrlich grün-blaue Wasser mit den leider eine Nuance zu kleinen seitlichen Wellen doch länger genießen als gedacht. Irgendwo im grün-blauen Nirgendwo entdecke ich eine Unregelmäßigkeit in der Wasseroberfläche und forsche nach. Da schwimmt eine gigantische Angel im Bach! Ich fixiere sie auf meinem Boot und will weiterpaddeln, aber ihr Haken ist vermutlich irgendwo festgepinnt, so dass ich kaum vorankomme. Peter muss nicht retten, indem die Sehne gekappt wird. Schade, so geht mir leider Angelhaken und Köder verloren!
Nach dem ultimativen Knick der Landschaft haben wir Wind und Wellen genau von hinten und es ist ein Kinderspiel, sich dem Ziel entgegentreiben zu lassen. Auch hier hätten die Wellen ruhig einen Tuck höher sein können - aber wir wollen nicht undankbar sein. Unsere zweite Pause machen wir direkt unterhalb des Niobe-Denkmals. Anders als bei der ersten Pause, bei der ich sogar trockene Füße beim Ausstieg behielt, agiere ich hier ausgesprochen ungeschickt. Am Ende ist mein Cockpit bis zum Anschlag mit Wasser geflutet. Im Schatten des Denkmals reden wir ein bisschen über das Unglück von damals und dass wir mit unseren Booten bei den damaligen Verhältnissen bessere Chancen gehabt hätten.
Der Hafen von Puttgarden ist immer ein unangenehmes Hindernis. Der Fährverkehr ist relativ dicht und die offizielle Variante, ihn zu passieren, ziemlich ungünstig. Dort ist das Fahrwasser einfach schon viel zu breit. Also pirschen wir uns relativ dicht an den Hafeneingang heran und behalten die Fähren genau im Auge. Da eine gerade eingelaufen, die andere vor längerer Zeit ausgelaufen ist, besteht eigentlich kein Grund zur Sorge. Trotzdem gehen wir in dichter Packung an der Hafenausfahrt vorbei.
Mein Ziel ist, den damals zur Übernachtung genutzten Strand wiederzufinden. Ich weiß, dass da kurz vorher ein einsames Haus direkt auf dem Steilufer stand, das ich auch diesmal wiedererkenne. Zwar habe ich einen weitläufigen Sandstrand ohne Steine in Erinnerung, aber nach elf Jahren sind die Bilder im Kopf halt etwas verwaschen. So gehen wir an einer Stelle an Land, bei der wir doch noch einige Steine passieren müssen, bevor wir auf sandigem Untergrund unsere Zelte aufbauen können. Peter hat leider seine Schuhe vergessen. So muss er strumpfsocks im Sand rumlaufen, was seine Beweglichkeit deutlich einschränkt. Wir lassen uns durch solche Lapalien nicht die Gemütlichkeit des Abends vermiesen und sitzen noch lange gemütlich bei Kakao und Tee in mückenfreier Atmosphäre beisammen.
Die Nacht ist mild, soweit man das in einem so kalten Frühjahr wie diesem sagen kann. Der Wind ist fast komplett eingeschlafen und wir haben gestern bereits vierzig der sechzig für eine Umrundung notwendigen Kilometer geschafft. Das verspricht ein entspannter Tag zu werden. Es ist etwas bewölkt, die Sonne mogelt sich zwar immer mal durch, aber die Temperaturen sind eben nicht besonders üppig. So fahre ich mit meiner albernen signalgelben Schirmmütze durch die Landschaft, die eigentlich eher für einen Auftritt im Winter gedacht war. An Staberhuk vorbei teilt sich unsere Gruppe in zwei Teile. Peter und Gerrit versuchen eine möglichst gerade Spur zu ziehen, während ich mich recht dicht am Ufer halte. Natürlich bedeutet das einen längeren Weg, aber es geht mir gut und ich fahre zügig. Den Pausenplatz kurz westlich von Palma de Fehmarn erreiche ich deutlich vor den beiden anderen.
Wegen des mittlerweile ausgesprochen guten Wetters herrscht eine rege Betriebsamkeit am Strand. Das Steilufer hier ist von zahllosen Löchern durchsiebt - von hier in Richtung Sund-Brücke erstreckt sich die zweitgrößte Uferschwalbenkolonie Schleswig-Holsteins! Da fragt man sich doch: wo ist denn die Größte? Nach ausgiebiger Pause - wir haben noch den gesamten Tag Zeit - wollen wir die paar Kilometer bis zu unserem Ausgangspunkt zurücklegen. Anfangs merkt man es noch nicht, aber wir werden von einer ordentlichen Strömung unterstützt. Unter der Brücke kann man dann deutlich sehen, wie das Wasser Wirbel an den Pfeilern wirft. In der Ohrter Reede lässt Gerrit es sich nicht nehmen, einmal aufzulaufen, es gibt wirklich flache Stellen hier. Verbunden mit im Wasser befindlichen großen Steinen ergibt das ein brenzliges Revier bei windigen Bedingungen. Heute herrscht Flaute!
Fehmarn bietet eine wirklich lohnendeTour. Allein die Tatsache, dass man bei einer Komplett-Umrundung erhebliche Distanzen gegen den Wind bewältigen muss, machen es zu einem Garanten für lange Arme - es sei denn, man hat so viel Glück mit dem Wind und seinen Richtungen wie wir diesmal!
Sonntag, 10. Mai 2015
Regionales Sicherheitstraining 2015
Mitte Dezember wurde der Termin für das Sicherheitstraining im Mai im SEEKAYAK veröffentlicht. Einen Tag später erhielt ich die erste Anmeldung, Mitte Januar war der Kurs ausgebucht! Trotzdem trudelten munter weiter Anmeldungen ein. Der Versuch, weitere Ausbilder zu gewinnen, um mehr Gruppen betreuen zu können, scheitert an der Tatsache, dass auch in Hamburg Landunter herrscht, weil man sich vor Nachfragen nicht retten kann. Als 28 Anmeldungen eingetrudelt sind, verabrede ich mit Thomas, dass wir einen zweiten Termin am darauffolgenden Sonntag anbieten werden. Da es zwischendurch auch immer wieder Absagen gibt, muss ich nur ein paar Interessenten von insgesamt über 40 Anmeldungen absagen. Die letzte Anfrage kam am Dienstag - vier Tage vor dem eigentlichen Termin.
Das Wetter im Vorfeld war zwar gemischt, aber eigentlich nicht schlecht. Wirklich schlecht ist es erst am Samstag, als wir in überwiegend gelber Runde auf dem nicht gemähten Rasen vor unserem Bootshaus stehen. Es ist das Wochenende, an dem Kiel den Sommertrubel für eröffnet erklärt: Überall toben Veranstaltungen: Die Kiellinie ist voller Lärm und Buden wegen des Kids-Festivals, das Entenrennen findet statt, Camp24 öffnet seine Toren und in unserem Verein kommen einige Unentwegte zusammen, um beim Arbeitsdienst dem japanischen Knöterich das Fürchten zu lehren. In diesem trubeligen Durcheinander stellen wir uns im strömenden Regen gegenseitig vor und äußern unsere Wünsche und Erwartungen an diesen Lehrgang. Die zwischenzeitliche Flucht unter das Dach unseres Poloschuppens bringt etwas Linderung, kann aber auch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es rattenkalt ist und Neoprenschuhe Füße auf Dauer nicht wirklich warm halten, wenn man sich kaum bewegt.
Am Samstag handeln wir die Theorie noch komplett an einem Stück ab, wodurch dieser Teil etwas arg lang wird und die Teilnehmer über Gebühr fordert. Am Sonntag gestalten wir die Aufteilung geschickter, so dass wir eine leichter verdauliche Mischung aus Theorie und Praxis erhalten. Überhaupt ist der Sonntag wettertechnisch nicht zu vergleichen mit dem Vortag. Hätte Britta mir nicht etwas Sonnencreme abgegeben, wäre ich abends mit einer rot leuchtenden, brummenden Birne nach Hause gekommen. Und das bessere Wetter war auch nötig, denn im Gegensatz zum Samstag, an dem alle Teilnehmer im Trockenanzug aufliefen, sind eine ganze Reihe von lediglich in Neopren gehüllten Paddlern dabei.
Die Technikübungen sind für kaum jemanden wirklich neu, aber es ist gut, sich diesen Dingen einmal gewissenhaft zu widmen und von Außenstehenden dabei begutachten zu lassen. Und ich denke, dass wir auch dem einen oder der anderen das eine oder das andere Detail vermitteln konnten, das bisher noch nicht bekannt war.
Beim nassen Teil herrscht zwar zuerst verständliche Skepsis, denn die Wassertemperatur liegt irgendwo zwischen acht und neun Grad, aber nach dem ersten Vollausstieg ist alle Zurückhaltung abgelegt und es wird beflissen geübt. Das Zusammenspiel mit Thomas klappt sehr gut und unsere gemeinsame Haltung, dass nichts in Stein gemeißelt ist, sondern sich durch Übung und Praxis bewähren muss, lässt allen Varianten und Bedürfnissen Raum.
Dass die Rückmeldungen durchweg positiv sind, schmeichelt und gibt mir Rückenwind, weiter an dieser Veranstaltung festzuhalten. Doch während bei der direkten Rückmeldung bestimmt auch immer Höflichkeit und Nettigkeit mitschwingen, ist die Tatsache, dass es Teilnehmer gibt, die wiederkommen, ein untrügliches Kompliment und zeigt, dass nicht ganz falsch sein kann, was wir machen.
Bange Blicke nach oben |
Nein, das ist nur EIN Schiff! |
Die Technikübungen sind für kaum jemanden wirklich neu, aber es ist gut, sich diesen Dingen einmal gewissenhaft zu widmen und von Außenstehenden dabei begutachten zu lassen. Und ich denke, dass wir auch dem einen oder der anderen das eine oder das andere Detail vermitteln konnten, das bisher noch nicht bekannt war.
PE-Boot - Faltboot - Hauptsache, man übt! |
Dass die Rückmeldungen durchweg positiv sind, schmeichelt und gibt mir Rückenwind, weiter an dieser Veranstaltung festzuhalten. Doch während bei der direkten Rückmeldung bestimmt auch immer Höflichkeit und Nettigkeit mitschwingen, ist die Tatsache, dass es Teilnehmer gibt, die wiederkommen, ein untrügliches Kompliment und zeigt, dass nicht ganz falsch sein kann, was wir machen.
Sonntag, 3. Mai 2015
Dreiviertel-Leuchtturm
Vorhersage: 9 - maximal 12 m/s |
Ich wollte mal etwas anderes machen als immer nur dieselbe Strecke auf der Förde fahren. Als Jörgs allfälliger Anruf kam, unsere Verabredung zu versichern, schlug ich ihm vor, zum Außenleuchtturm zu fahren. Es sollte ein guter fünfer Wind aus östlicher Richtung blasen, so dass es nicht allzu schwierig werden, aber schon richtige Wellen geben würde. Dass unsere junge Freundin das wuppen würde, haben wir ihr ohne weiteres zugetraut, lediglich bei ihrer Kleidung müsste sie noch mal etwas drauflegen - und wenn es nur dazu diente, dass uns beiden älteren Herren etwas wohler ist. Doch kurz nach Jörgs Anruf trudelt eine Mail ein, dass sie überraschend Besuch von ihrer Schwester bekommen hat und sich unser gemeinsames Abenteuer damit erübrigt.
Als unser Blick nach der Kurve in Strande über die Förde schweifen kann, sind wir - mal wieder - etwas überrascht, wie viel Weiß sich da draußen zeigt. Naja, ist halt frischer Ostwind, da sieht das so aus. Entgegen unserer Befürchtung, keinen Parkplatz für unseren Wagen direkt am Leuchtturm zu bekommen, müssen wir erstens feststellen, dass die Belegung trotz des brillianten Wetters heute nur ausgesprochen lückenhaft ist und zweitens, dass der Parkautomat nicht funktioniert, so dass wir trotz guten Willens keinen Obulus entrichten können.
Es herrscht reger Betrieb: am Ufer flanieren die Menschen und auf dem Wasser toben mehrere Regatten. Dazwischen segeln etliche Yachten, für die die Saison nun wieder angefangen hat und auch einige Traditionssegler, die bei dem Wind mit ihren geblähten Segeln wunderschön aussehen. Der Wind ist übrigens sehr stetig. Stramm zwar aber nicht bissig. Die sieben Kilometer bis zum Leuchtturm sollten kein wirkliches Problem darstellen für zwei so gewiefte Nautiker und durchtrainierte Athleten wie uns. Allein - bei mir will sich nicht so recht die Unbeschwertheit einstellen, mit der sich sonst unterwegs bin. Das wird bestimmt noch, wenn ich erst einmal warm gepaddelt bin.
Die Wellen sind nicht übermäßig groß. Nach einiger Zeit rollen die ersten heran, die die Ein-Meter-Marke überschreiten, aber sie stellen die Ausnahme dar. Mit zunehmender Entfernung von Land werden die Ausnahmen aber immer häufiger, und manche sind dabei, die bestimmt auch an der anderthalb Meter-Marke kratzen. Irgendwann kann man sich nicht mehr sicher sein, ob tatsächlich mehr Wellen höher als einen Meter sind oder niedriger. Wir haben das Gefühl, dass der Wind zugelegt hat, die Rippeln auf dem Wasser sind mehr geworden und es pfeift stärker. Ich mache mir langsam Sorgen, dass wir es noch schaffen, Marie-Theres das Auto rechtzeitig zurückzubringen. Bis zur ersten Kabeltonne haben wir eine halbe Stunde gebraucht und wenn wir dieses Tempo halten, wären es anderthalb Stunden bis zum Leuchtturm. Das ist deutlich länger, als ich eingeplant habe. Wobei "eingeplant" natürlich komplett übertrieben ist, denn von Plan kann hier keine Rede sein. Das war eher mal wieder so ein Stück aus meinem unerschöpflichen Repertoir "naiver Fahrtengestaltung". Soviel zum Thema "gewiefte Nautiker".
Meine Unbeschwertheit will sich auch nach längerem Einpaddeln nicht einstellen und zum Glück bekennt auch Jörg, dass er Bedenken hat, ob die Tour bis ganz zum Leuchtturm nicht vielleicht etwas zu viel Kraft fordert, die wir für den Rückweg bei achterlichem Wind bitter benötigen werden. Das Thema mit den durchtrainierten Athleten sparen wir uns für später im Jahr! So einigen wir uns ohne große Umschweife darauf, die zweite Kabeltonne noch zu umrunden und uns dann auf den Rückweg zu machen. Mittlerweile kann man deutlich erkennen, dass in recht geringer Entfernung zum Leuchtturm eine weitere gelbe Tonne ausgebracht worden ist. Sie trägt ein rotes Kreuz und würde somit ein Sperrgebiet bezeichnen. Ich kann noch mehrere andere Tonnen entdecken, die neu sein müssen und die ich nicht kenne. Ich muss ihre Bedeutung unbedingt klären, bevor ich das nächste Mal hier heraus fahre.
Unser Wendemanöver gestalten wir ausgesprochen behutsam. Gegen einen strammen Wind zu fahren, mag schwer sein, schwierig wird es erst, wenn man den Wind im Nacken hat und er einen schiebt. Nachdem wir mit reichlich Wackeln gedreht haben, gilt es, den Bülker Leuchtturm ausfindig zu machen, der sich wirkungsvoll zwischen den ihn umgebenden Bäumen versteckt. Etwa 210 Grad, dann klappt das schon - und immer schön sinnig und respektvoll mit den Wellen! Nach Surfen steht und vorerst nicht der Sinn, dazu ist die Saison noch zu jung, unsere Hüften noch nicht locker genug, die Wassertemperatur zu niedrig und die Entfernung vom Land zu groß. Hin und wieder versuchen brechende Wellen uns von hinten zu erschrecken und fauchen uns an - aber sie beißen nicht wirklich.
Und mit zunehmender Dauer wird die Hüfte geschmeidiger, die Entfernung vom Land schmilzt und das Zutrauen wächst. Schließlich ist alles wieder soweit ausgesöhnt, dass wir den Schub der Wellen genießen und sogar versuchen, ihn mitzunehmen und zur Beschleunigung zu nutzen. Hoffentlich bieten sich solche Bedingungen auch noch mal im Sommer, wenn die Wassertemperatur barmherziger ist. Dann könnten wir einfach einmal einen Mittwochabend hierher verlegen und richtige Seebedingungen nutzen.
Als ich mir an Land mit meinem Handy die Messwerte der Windgeschwindigkeit am Leuchtturm ansehe, bin ich doch etwas überrascht. Wir waren von 13 bis 15 Uhr auf dem Wasser. 13 Uhr ist kurz bevor die Windstärke die sechs Beaufort-Marke überschreitet, danach herschte durchgehend eine satte Sechs. Das hat die Vorhersage deutlich übertroffen. Vielleicht wäre das doch eine Nummer zu viel gewesen für Johanna. Vielleicht hätte sie mit ihrer naiven Unbekümmertheit aber auch gar nicht gemerkt, dass es mit sechs Beaufort bläst!
Alle Bilder hier.
Samstag, 14. März 2015
Licht im Dunkeln
Im Januar war unser Lampenworkshop bereits beendet und die Ergebnisse einsatzbereit. Es hat bis zum März gedauert, bis ich es geschafft habe, meine Leuchte einmal zum Einsatz zu bringen. Diese Woche war es dann soweit: Mit Jörg zusammen habe ich das wöchentliche Mittwochspaddeln wieder aufgenommen. Normalerweise ist um diese Jahreszeit das Vergnügen noch sehr begrenzt, denn Sonnenuntergang ist ziemlich genau um 18:00Uhr. Da schafft man es nicht wirklich weit und da Jörg außerdem zum Abend Gäste erwartet, dreht er auch bald ab und fährt zurück. Ich aber habe meinen Lichtmast gesetzt und fahre vollkommen entspannt weiter bis zur Munitionspier am Jägersberg. Das Wetter ist wunderschön - der Himmel klar und fast Windstille.
Auf der Rücktour wird es dann rapide dunkler und es entfaltet sich eine zauberhafte Welt. Alles wird immer stiller, das Wasser immer schwärzer und am Ufer fangen die Lichter an zu funkeln. Ich bin ganz aufgeregt, weil ich mir überhaupt keine Sorgen zu machen brauche, dass ich mit der Wasserschutzpolizei in Konflikt gerate. Und ich bin ganz ratlos, wieso ich mir den Zugang zu dieser wunderbaren Welt nicht schon viel früher verschafft habe. Ich bin schon oft im Dunkeln gefahren, aber nicht auf der Förde. Dafür ist hier dann doch zu viel los und die Präsenz der Wasserschutzpolizei zu hoch. So waren Touren im Herbst und im Frühjahr immer auch deshalb etwas stressig, weil man immer einen Blick auf die Uhr richten und abschätzen musste, ob das Restlicht noch für die Reststrecke reichen würde. Und natürlich ist im Winter Paddeln unter der Woche vollkommen ausgeschlossen - es sei denn, man ist Rentner wie Jörg.
Nach der uneingeschränkt guten, ja eigentlich euphorischen Erfahrung am Mittwoch, lege ich meine Fahrt am Samstag gleich auf den späten Nachmittag. Damit ich auch wirklich in die Dunkelheit komme, vergesse ich erst noch, meinen Neo-Anzug einzupacken, so dass ich noch einmal nach Hause und zurück fahren muss. Und dann will ich auch noch Richard besuchen, so dass ich mit meiner Rückfahrt wirklich tief in die Nacht komme.
Es geht ein frischer Nordost-Wind und so fahre ich erst durch den leeren Hafen von Mönkeberg. Der hat nur eine Einfahrt und auf der anderen Seite kommt man nur hinaus, wenn man unter dem Steg hindurch fährt. Das ist normaler Weise kein Problem - nur wenn man (weil es ja noch nicht dunkel ist) nicht daran denkt, dass hinter einem eine Leuchte über den eigenen Kopf in den Himmel ragt, ist das etwas doof. "Klong - klong - klong" - drei Balken tragen den Steg. "Platsch!" - soviel zum Thema "mitten in der Nacht zurückfahren". Mein Lichtmast schleift samt Lampe hinter mir durch die Ostsee. Zum Glück ist da noch das Kabel, das den Salat daran hindert unterzugehen. Ich fahre dicht ans Ufer, angele nach dem Kunststoffrohr und fummele es wieder auf den Holzzapfen. Mehrere Tests, ob die Lampe noch leuchtet - sie scheint überlebt zu haben! Richard hat Glück gehabt - ich muss meinen Besuch doch nicht verschieben!
Auf der Rücktour wird es dann rapide dunkler und es entfaltet sich eine zauberhafte Welt. Alles wird immer stiller, das Wasser immer schwärzer und am Ufer fangen die Lichter an zu funkeln. Ich bin ganz aufgeregt, weil ich mir überhaupt keine Sorgen zu machen brauche, dass ich mit der Wasserschutzpolizei in Konflikt gerate. Und ich bin ganz ratlos, wieso ich mir den Zugang zu dieser wunderbaren Welt nicht schon viel früher verschafft habe. Ich bin schon oft im Dunkeln gefahren, aber nicht auf der Förde. Dafür ist hier dann doch zu viel los und die Präsenz der Wasserschutzpolizei zu hoch. So waren Touren im Herbst und im Frühjahr immer auch deshalb etwas stressig, weil man immer einen Blick auf die Uhr richten und abschätzen musste, ob das Restlicht noch für die Reststrecke reichen würde. Und natürlich ist im Winter Paddeln unter der Woche vollkommen ausgeschlossen - es sei denn, man ist Rentner wie Jörg.
Nach der uneingeschränkt guten, ja eigentlich euphorischen Erfahrung am Mittwoch, lege ich meine Fahrt am Samstag gleich auf den späten Nachmittag. Damit ich auch wirklich in die Dunkelheit komme, vergesse ich erst noch, meinen Neo-Anzug einzupacken, so dass ich noch einmal nach Hause und zurück fahren muss. Und dann will ich auch noch Richard besuchen, so dass ich mit meiner Rückfahrt wirklich tief in die Nacht komme.
Es geht ein frischer Nordost-Wind und so fahre ich erst durch den leeren Hafen von Mönkeberg. Der hat nur eine Einfahrt und auf der anderen Seite kommt man nur hinaus, wenn man unter dem Steg hindurch fährt. Das ist normaler Weise kein Problem - nur wenn man (weil es ja noch nicht dunkel ist) nicht daran denkt, dass hinter einem eine Leuchte über den eigenen Kopf in den Himmel ragt, ist das etwas doof. "Klong - klong - klong" - drei Balken tragen den Steg. "Platsch!" - soviel zum Thema "mitten in der Nacht zurückfahren". Mein Lichtmast schleift samt Lampe hinter mir durch die Ostsee. Zum Glück ist da noch das Kabel, das den Salat daran hindert unterzugehen. Ich fahre dicht ans Ufer, angele nach dem Kunststoffrohr und fummele es wieder auf den Holzzapfen. Mehrere Tests, ob die Lampe noch leuchtet - sie scheint überlebt zu haben! Richard hat Glück gehabt - ich muss meinen Besuch doch nicht verschieben!
Sonntag, 1. März 2015
Fünfeinhalb Stunden und sieben Blasen (2/2)
Seit Stunden regnet es draußen. Und der vorhergesagte Wind bringt die nahen Bäume zum Rauschen. Es soll heute den ganzen Tag über mit sechs Beaufort aus Süd blasen. Keine Bedingungen, unter denen man voll Tatendrang aus dem Schlafsack in Freie springt. Jörg wusste, wovon er sprach, als er seine Zusage zum Wintercamping verweigerte. Trotz der frühen Stunde und des saumäßigen Wetters höre ich mehrere Spaziergänger an meinem Zelt vorbeigehen. Aber eigentlich höre ich keine Spaziergänger sondern nur Hundebesitzer: "Bruno! Lass das! Bruno!! Kommst du wohl her, Bruno!!!" Ich gehe allerdings davon aus, dass kein Mensch ohne Hund hier heute spazierengeht.
Meine Bewegungen sind auch heute morgen ausgesprochen langsam. Wenn ich es recht überlege, ist der Mensch doch im Grunde genommen auch nichts anderes als ein Fisch. Genau wie der, wird auch der Mensch bei niederen Temperaturen langsam. Der einzig wirkliche Unterschied ist vermutlich, dass der Mensch bei Kälte friert, während es dem Fisch ja egal sein kann, wie hoch seine Kerntemperatur gerade ist. Ein Fisch geht eben nicht ein wie sein aufrecht daher kommender Kumpel an Land, wenn das Fieberthermometer bei ihm weniger als 30 Grad anzeigt. Insofern sollten wir unser Gefühl der Überlegenheit unseren schuppigen Freunden gegenüber noch einmal überdenken.
Aufrecht setzen, weil dann das Denken leichter geht, Uhrzeit auf dem Handy checken. Acht Uhr - kein Empfang. Heute ist der 1. März - ich habe meinen Provider gewechselt, der neue funkt erst ab morgen. Vermutlich hat der Alte die Versorgung zum Ende des Monat eingestellt. Das ist etwas unschön, weil so die Option ausfällt, dass ich an beliebiger Stelle an Land gehen und um Abholung bitten könnte. So bekommen sechs Beaufort eine nochmal lähmendere Bedeutung.
Gnädiger Weise legt der Regen eine kleine Verschnaufpause ein, in der ich meine Sachen ins Boot packen kann. Bruno hat übrigens ein stattliches "Häufchen" direkt unter mein Heck gesetzt. Weil das Wetter so garstig ist und ich nachher ja noch gegen einen fiesen Wind werde fahren müssen, setze ich heute meine Ganzkopfneoprenhaube auf - die, die mich immer so attraktiv und sexy aussehen lässt. Man sieht auf der Wasseroberfläche scharfe Böen vom Steilufer herunterfallen. Auf dem Meer bilden sich dann große Flecken Gänsehaut, die wie planlos hektisch übers Wasser huschen. Manchmal spüre ich, wie eine Böe mir den Bug nach seewärts drückt. Das erinnert mich an einen Zwischenfall mit fatalem Ausgang bei Baffin Island im hohen Norden Kanadas. Dort wollten zwei im Paddeln relativ unerfahrene Pärchen fünf Kilometer die Küste entlang fahren. Sie starteten bei ölig glattem Wasser und wurden dann von starken ablandigen Winden überrascht. Am Ende gab es zwei Tote. Das kann heute nicht passieren - denn ich bin ja alleine! Aber ich werde den ganzen Tag immer wieder daran erinnert, immer wenn der Wind meinen Bug packt und ihn in eine andere Richtung drückt, als ich eigentlich paddeln möchte.
Es bevölkern - wie immer um diese Jahreszeit - unheimlich viele Wasservögel die Eckernförder
Bucht. Vor allem Eiderenten, aber auch die hübschen Eisenten. Die sind heute aber nicht in Schwärmen sondern nur einzeln oder als Paare unterwegs. Mehrere Male lassen sie mich bis auf weniger als dreißig Meter an sich heran, bevor sie auffliegen. Ich vermute, dass sie einzeln eine geringere Fluchtdistanz haben, als im Schwarm, der bereits immer dann auffliegt, wenn das ängstlichste Mitglied die Nerven verliert.
Am Bülker Huk gehe ich an Land und mache Pause. Ein Campingmobil-Insasse bitte mich, ihm seine Axt vom Strand mitzubringen und wir kommen etwas ins Gespräch. Heute sind nur noch die ganz Unentwegten hier, nicht wie im Sommer, wo man der gesamte Parkplatz ausgebucht ist. Knapp die Hälfte der Gesamtstrecke habe ich bis hierher geschafft, aber nun erst geht es wirklich gegen den Wind. Er bläst momentan zwar nicht mit Stärke sechs, aber arbeiten werde ich schon müsen, um nach Hause zu kommen. Das Queren des Fahrwassers muss ich wieder sehr auf die Berufsschifffahrt abstimmen. Kein leichtes Unterfangen, wenn man seine Geschwindigkeit nicht nach Belieben gestalten kann. Einen ersten Versuch muss ich abbrechen, weil ich nicht mit Sicherheit sagen kann, ob ich es noch vor dem in weiter Ferne herannahenden Frachter schaffen werde.
Bis Möltenort sind es fast zehn Kilometer, und das reicht, um abermals eine Pause verdient zu haben. Ich verdrücke meine letzte, eiskalte Banane zur Stärkung und besuche das stille Örtchen. Auch diese Erledigung ist keine leichte Aufgabe bei den geringen Temperaturen. Der Reißverschluss für solche Gelegenheiten in meinem Trockenanzug ist äußerst knapp bemessen und hat harte Kanten, so dass es für die kalten Hände eine echte Herausforderung ist, das zurückgezogene Zielobjekt zwischen den zahreichen kunstvoll ineinander verschachtelten Stoffschichten zu orten - und es dann auch noch in eine Position zu manövrieren, in der die Sache nicht buchstäblich in die Hose geht.
Während meiner Pause hat sich der Wind seiner Vorhersage besonnen und dreht auf eine satte sechs auf. Als ich mich auf den Weg mache und mich dicht am Ufer entlangschleiche, werde ich von den Spaziergänger gnadenlos abgehängt. Ich kämpfe mich wacker gegen den Wind voran, aber bei der Querung der Förde geht meine Geschwindigkeit auf teilweise unter drei Stundenkilometer zurück. Ich versuche, mir mit Seufzen, Stöhnen und Fluchen Erleichterung zu verschafffen. Immer wieder rede ich mir ein "Ich komme voran!". Aber es ist schwer, daran zu glauben, wenn man am Schaum neben sich kein Fortkommen erkennen kann. Das einzige Mittel, das wirklich wirkt, ist, stoisch und mit Gleichmut sein Paddel mal links einzutauchen, mal rechts und dann wieder links. Möglichst nicht mit mehr Druck als man auch bei Windstille entfalten würde, aber unbedingt mit dergleichen Frequenz. Nach fünfeinhalb Stunden und sieben Blasen an den Händen erreiche ich den heimischen Steg. Immer noch in der irrigen Annahme, dass mein Provider sein Verhältnis mit mir beendet hat, gehe ich in die Vereinsgaststätte und rufe zu Hause an, damit ich abgeholt werde.
Meine Bewegungen sind auch heute morgen ausgesprochen langsam. Wenn ich es recht überlege, ist der Mensch doch im Grunde genommen auch nichts anderes als ein Fisch. Genau wie der, wird auch der Mensch bei niederen Temperaturen langsam. Der einzig wirkliche Unterschied ist vermutlich, dass der Mensch bei Kälte friert, während es dem Fisch ja egal sein kann, wie hoch seine Kerntemperatur gerade ist. Ein Fisch geht eben nicht ein wie sein aufrecht daher kommender Kumpel an Land, wenn das Fieberthermometer bei ihm weniger als 30 Grad anzeigt. Insofern sollten wir unser Gefühl der Überlegenheit unseren schuppigen Freunden gegenüber noch einmal überdenken.
Aufrecht setzen, weil dann das Denken leichter geht, Uhrzeit auf dem Handy checken. Acht Uhr - kein Empfang. Heute ist der 1. März - ich habe meinen Provider gewechselt, der neue funkt erst ab morgen. Vermutlich hat der Alte die Versorgung zum Ende des Monat eingestellt. Das ist etwas unschön, weil so die Option ausfällt, dass ich an beliebiger Stelle an Land gehen und um Abholung bitten könnte. So bekommen sechs Beaufort eine nochmal lähmendere Bedeutung.
Gnädiger Weise legt der Regen eine kleine Verschnaufpause ein, in der ich meine Sachen ins Boot packen kann. Bruno hat übrigens ein stattliches "Häufchen" direkt unter mein Heck gesetzt. Weil das Wetter so garstig ist und ich nachher ja noch gegen einen fiesen Wind werde fahren müssen, setze ich heute meine Ganzkopfneoprenhaube auf - die, die mich immer so attraktiv und sexy aussehen lässt. Man sieht auf der Wasseroberfläche scharfe Böen vom Steilufer herunterfallen. Auf dem Meer bilden sich dann große Flecken Gänsehaut, die wie planlos hektisch übers Wasser huschen. Manchmal spüre ich, wie eine Böe mir den Bug nach seewärts drückt. Das erinnert mich an einen Zwischenfall mit fatalem Ausgang bei Baffin Island im hohen Norden Kanadas. Dort wollten zwei im Paddeln relativ unerfahrene Pärchen fünf Kilometer die Küste entlang fahren. Sie starteten bei ölig glattem Wasser und wurden dann von starken ablandigen Winden überrascht. Am Ende gab es zwei Tote. Das kann heute nicht passieren - denn ich bin ja alleine! Aber ich werde den ganzen Tag immer wieder daran erinnert, immer wenn der Wind meinen Bug packt und ihn in eine andere Richtung drückt, als ich eigentlich paddeln möchte.
Es bevölkern - wie immer um diese Jahreszeit - unheimlich viele Wasservögel die Eckernförder
Bucht. Vor allem Eiderenten, aber auch die hübschen Eisenten. Die sind heute aber nicht in Schwärmen sondern nur einzeln oder als Paare unterwegs. Mehrere Male lassen sie mich bis auf weniger als dreißig Meter an sich heran, bevor sie auffliegen. Ich vermute, dass sie einzeln eine geringere Fluchtdistanz haben, als im Schwarm, der bereits immer dann auffliegt, wenn das ängstlichste Mitglied die Nerven verliert.
Am Bülker Huk gehe ich an Land und mache Pause. Ein Campingmobil-Insasse bitte mich, ihm seine Axt vom Strand mitzubringen und wir kommen etwas ins Gespräch. Heute sind nur noch die ganz Unentwegten hier, nicht wie im Sommer, wo man der gesamte Parkplatz ausgebucht ist. Knapp die Hälfte der Gesamtstrecke habe ich bis hierher geschafft, aber nun erst geht es wirklich gegen den Wind. Er bläst momentan zwar nicht mit Stärke sechs, aber arbeiten werde ich schon müsen, um nach Hause zu kommen. Das Queren des Fahrwassers muss ich wieder sehr auf die Berufsschifffahrt abstimmen. Kein leichtes Unterfangen, wenn man seine Geschwindigkeit nicht nach Belieben gestalten kann. Einen ersten Versuch muss ich abbrechen, weil ich nicht mit Sicherheit sagen kann, ob ich es noch vor dem in weiter Ferne herannahenden Frachter schaffen werde.
Bis Möltenort sind es fast zehn Kilometer, und das reicht, um abermals eine Pause verdient zu haben. Ich verdrücke meine letzte, eiskalte Banane zur Stärkung und besuche das stille Örtchen. Auch diese Erledigung ist keine leichte Aufgabe bei den geringen Temperaturen. Der Reißverschluss für solche Gelegenheiten in meinem Trockenanzug ist äußerst knapp bemessen und hat harte Kanten, so dass es für die kalten Hände eine echte Herausforderung ist, das zurückgezogene Zielobjekt zwischen den zahreichen kunstvoll ineinander verschachtelten Stoffschichten zu orten - und es dann auch noch in eine Position zu manövrieren, in der die Sache nicht buchstäblich in die Hose geht.
Während meiner Pause hat sich der Wind seiner Vorhersage besonnen und dreht auf eine satte sechs auf. Als ich mich auf den Weg mache und mich dicht am Ufer entlangschleiche, werde ich von den Spaziergänger gnadenlos abgehängt. Ich kämpfe mich wacker gegen den Wind voran, aber bei der Querung der Förde geht meine Geschwindigkeit auf teilweise unter drei Stundenkilometer zurück. Ich versuche, mir mit Seufzen, Stöhnen und Fluchen Erleichterung zu verschafffen. Immer wieder rede ich mir ein "Ich komme voran!". Aber es ist schwer, daran zu glauben, wenn man am Schaum neben sich kein Fortkommen erkennen kann. Das einzige Mittel, das wirklich wirkt, ist, stoisch und mit Gleichmut sein Paddel mal links einzutauchen, mal rechts und dann wieder links. Möglichst nicht mit mehr Druck als man auch bei Windstille entfalten würde, aber unbedingt mit dergleichen Frequenz. Nach fünfeinhalb Stunden und sieben Blasen an den Händen erreiche ich den heimischen Steg. Immer noch in der irrigen Annahme, dass mein Provider sein Verhältnis mit mir beendet hat, gehe ich in die Vereinsgaststätte und rufe zu Hause an, damit ich abgeholt werde.
Samstag, 28. Februar 2015
Plötzlich allein (1/2)
Jörg hatte sich schon vor längerer Zeit abgemeldet, Trenk folgte am Sonntag Abend: Schlimmes Knie - vielleicht Operation. Übrig blieb ich. Was tun? Ich hatte mich so gefreut, ich hatte es so nötig, mal raus zu kommen, mal ein paar Tage frischen Wind um die Nase zu spüren - und sonst nichts.
Hartmut aus Berlin wollte gerne einspringen. Aber der konnte am Sonntag nicht und ich am Freitag nicht und ein Tag paddeln war mir zu wenig für eine Autofahrt nach MacPomm. Irgendwie war ich hin und hergerissen, lustlos und unentschieden. Aber irgendwie wollte ich auch unbedingt das reservierte Wochenende nutzen. Damit ich nicht auch noch abspringe, ging ich die Abmachung mit mir ein, am Samstag vom Klub aus in die Eckernförder Bucht zu fahren, dort auf meinem bewährten Platz an der Walddühne zu übernachten und am Sonntag wieder zurück zu fahren. Das hätte auch den Vorteil, dass ich am Freitag Abend noch in aller Ruhe meine Sachen packen könnte, denn dazu war ich bisher nicht gekommen.
Freitag Mittag geht dann der Alarm los: Marie-Theres ruft an, dass der Keller schon wieder unter Wasser steht, der Abfluss nicht tut, und Armin, den Klemptner, kann sie nicht erreichen. So verbringe ich den Abend also nicht mit Packen, sondern versuche zwischen Baumarkt und Keller pendelnd, unsere Hinterlassenschaften zu überreden, ihrem gewohnten Weg wieder mit der gebührenden Geschwindigkeit zu folgen. Selbst für Armin blieb diese Verstopfung ein Rätsel, hatte er das Rohr doch erst einen Tag zuvor mit Kamera und Fräse gängig gemacht.
Macht nix - ich kann ja Samstag packen. Wenn ich am Strand übernachten will, ist es eh nicht ratsam, allzu früh vor Ort aufzulaufen. Wegen des guten Wetters würden jede Menge Spaziergänger dort flanieren, so dass ich mein Zelt nur ungerne vor Sonnenuntergang aufbauen würde. 18 Uhr habe ich mir im Stillen als ETA gesetzt, woraus ich ohne Umschweife auf eine Abfahrtszeit von drei Uhr schließe. Irgendwann im Laufe des Vormittags dämmert es mir aber, dass es von drei bis 18 Uhr nur drei Stunden sind, und ich eigentlich kaum 30 Kilometer paddelnd in drei Stunden bewältigen kann. Trotz meiner fundierten Erfahrung, der immer wieder praktizierten Übung und den zahlreichen Vorträgen, bei denen ich noch nicht so versierten Paddlern die Grundlagen der Tourenplanung zu vermitteln versuche, bekomme ich es diesmal irgendwie nicht hin, meinen Vormittag halbwegs vernünftig zu organisieren, so dass alles mit meinen Plänen konform geht.
Schließlich ist es also halb drei, als ich dick eingepummelt im Schiff sitze und Gerrit mich am Steg beim Ablegen fotografiert. Das Wetter ist vergleichsweise versöhnlich und der Wind kommt quasi genau aus Süd - was hinten ist, und er kommt kräftig. Die Wellen vor mir sehen aus, als hätten sie es eilig, als müssten sie unbedingt und dringend aus der Förde raus. Als seien sie in Panik, überholen sie quasi ihre Vorgänger, nur um direkt darauf dasselbe Schiksal durch ihren Nachfolger zu erleiden. Ich komme schnell mit meinem vollbeladenen Boot ins Surfen. Es sind lange, schöne Surfs dabei, die mich kaum aus dem Kurs bringen. Es ist ein entspanntes Fahren. Da ist nichts, was fordert, was Aufmerksamkeit verlangt, Stress oder Anstrengung verursacht. Ich kann meinen Gedanken nachhängen.
Das wollte ich doch - allein sein auf dem Wasser mit mir und dem Meer, mit den Wind und den Wellen. Wenn ich mich umschaue, ist da tatsächlich niemand - ich bin alleine. Aber irgendwie bin ich doch nicht allein, denn alle sind sie mitgefahren: meine Eltern, mein Bruder, meine Frau - ja, und der Verein ist auch dabei. Das Leben, das ich eine Weile hinter mir lassen wollte, hat lange, klebrige Tentakeln.
Es dauert keine zwei Stunden, bis ich Bülk passiere. Das sind immerhin 15 Kilometer, ich bin durch den Rückenwind und die vielen, ausgedehnten Surfs unglaublich schnell. So kann ich vielleicht doch noch vor Einbruch der Dunkelheit mein Ziel erreichen. Wies mein Kurs bisher mit beeindruckender Geradlinigkeit genau nach Norden, so schwenkt er nun um 45 Grad nach Westen. Zusammen mit dem Steilufer heißt das erst einmal quasi Windstille. Ab dem nächsten Knick der Küstenlinie vor Dänisch-Nienhof weht mir dann ein leichtes Lüftchen bis zu meinem Ziel entgegen. Es sind immer wieder Spaziergänger am Strand unterwegs. Sie sind recht klein und ich bin mir nicht sicher, ob sie mich überhaupt wahrnehmen, denn ich fahre zwischen zwei- und dreihundert Meter weit draußen. Aber alle Fußgänger, die in meine Richtung gehen, hänge ich nach kürzer Zeit ab. Ich bin also immer noch mit guter Geschwindigkeit unterwegs.
Um die militärische Versuchsanlage vor Surendorf mache ich einen weiten Bogen - weiter als er sein müsste. Danach fahre ich wieder dichter ans Ufer, denn ich weiß nicht mehr so ganz genau, wo mein Zielzeltplatz liegt, und die Sonne ist auch schon unter gegangen. Ich habe mir eine Stelle am Ufer ausgeguckt, von der ich felsenfest überzeugt bin, dass sie mein Ziel ist. Aber als ich den Strand abschreite, sieht das ganz und gar nicht nach dem aus, was ich erwartet hatte. Eine Weile zweifele ich, ob sich die Uferlinie hier vielleicht nur stark verändert hat und man den Zaun um das Naturschutzgebiet der Walddüne näher ans Wasser verlegt hat. Aber dann beschließe ich, dass ich einfach gehörig zu weit gefahren bin.
Ich treidele mein Boot etwas zurück, damit ich es nicht unnötig weit durch den Sand ziehen muss, zum Ersatzzeltplatz, den ich mir ausgesucht habe. Die ganze Arie, meine Siebensachen aus dem Boot zu holen, das Zelt aufzubauen, das Boot nachzuholen und mich umzuziehen, dauert eine Ewigkeit. Natürlich bin ich müde von der langen Fahrt, aber mehr noch bremst mich die Kälte. Zwar friere ich nicht im Geringsten, aber Temperatur liegt nur wenig über dem Gefrierpunkt und lässt meine Bewegungen in Zeitlupe ablaufen. Alleine meinen Bootswagen zusammenzubauen, das Boot darauf zu stellen und vor allem den Spanngurt mit kalten Fingern im Dunkeln durch die Ösen am Wagen zu fädeln, dauert mindestens zehn mal so lange, wie gewöhnlich. Immerhin habe ich Glück, denn es herrscht Halbmond und der erhellt die Szenerie immerhin soweit, dass ich alles einigermaßen auch ohne Stirnlampe erkennen kann. Über eine Stunde brauche ich vom Moment des Anlandens, bis ich mich endlich in mein Zelt zurückziehen und die nassen Paddelklamotten ausziehen kann.
Ich habe gut zu Mittag gegessen, daher brauche ich meinen Kocher nur, um mir erst einen heißen Kakao und dann einen heißen Tee zu kochen. Die beiden brauche ich aber dringend, um wieder Leben in meine kalten Glieder zu bekommen. Den Tee ohne Honig - ist ja Fastenzeit. Luftmatraze aufpumpen, die nassen Sachen verstauen, das Boot für die Nacht fertig machen, Brote schmieren, essen - und eben Tee kochen. Alles bedarf hoher Konzentration und geht ausgesprochen langsam. Und immer darauf achten, wo man den Löffel oder den Kochergriff hingelegt hat. Und trotzdem bin ich immer am Suchen. Ich bin so beschäftigt mit elementaren Notwendigkeiten und Erledigungen, dass ich alle Hände voll zu tun habe. Und niemand ist da, der mir helfen kann. Niemand? Alle, die vorhin mitgefahren sind, sind mittlerweile zurückgeblieben. Hier bin ich wirklich alleine und nur mit meinem eigenen Sein beschäftigt. Und draußen scheint wunderschön der Mond.
Hartmut aus Berlin wollte gerne einspringen. Aber der konnte am Sonntag nicht und ich am Freitag nicht und ein Tag paddeln war mir zu wenig für eine Autofahrt nach MacPomm. Irgendwie war ich hin und hergerissen, lustlos und unentschieden. Aber irgendwie wollte ich auch unbedingt das reservierte Wochenende nutzen. Damit ich nicht auch noch abspringe, ging ich die Abmachung mit mir ein, am Samstag vom Klub aus in die Eckernförder Bucht zu fahren, dort auf meinem bewährten Platz an der Walddühne zu übernachten und am Sonntag wieder zurück zu fahren. Das hätte auch den Vorteil, dass ich am Freitag Abend noch in aller Ruhe meine Sachen packen könnte, denn dazu war ich bisher nicht gekommen.
Freitag Mittag geht dann der Alarm los: Marie-Theres ruft an, dass der Keller schon wieder unter Wasser steht, der Abfluss nicht tut, und Armin, den Klemptner, kann sie nicht erreichen. So verbringe ich den Abend also nicht mit Packen, sondern versuche zwischen Baumarkt und Keller pendelnd, unsere Hinterlassenschaften zu überreden, ihrem gewohnten Weg wieder mit der gebührenden Geschwindigkeit zu folgen. Selbst für Armin blieb diese Verstopfung ein Rätsel, hatte er das Rohr doch erst einen Tag zuvor mit Kamera und Fräse gängig gemacht.
Macht nix - ich kann ja Samstag packen. Wenn ich am Strand übernachten will, ist es eh nicht ratsam, allzu früh vor Ort aufzulaufen. Wegen des guten Wetters würden jede Menge Spaziergänger dort flanieren, so dass ich mein Zelt nur ungerne vor Sonnenuntergang aufbauen würde. 18 Uhr habe ich mir im Stillen als ETA gesetzt, woraus ich ohne Umschweife auf eine Abfahrtszeit von drei Uhr schließe. Irgendwann im Laufe des Vormittags dämmert es mir aber, dass es von drei bis 18 Uhr nur drei Stunden sind, und ich eigentlich kaum 30 Kilometer paddelnd in drei Stunden bewältigen kann. Trotz meiner fundierten Erfahrung, der immer wieder praktizierten Übung und den zahlreichen Vorträgen, bei denen ich noch nicht so versierten Paddlern die Grundlagen der Tourenplanung zu vermitteln versuche, bekomme ich es diesmal irgendwie nicht hin, meinen Vormittag halbwegs vernünftig zu organisieren, so dass alles mit meinen Plänen konform geht.
Schließlich ist es also halb drei, als ich dick eingepummelt im Schiff sitze und Gerrit mich am Steg beim Ablegen fotografiert. Das Wetter ist vergleichsweise versöhnlich und der Wind kommt quasi genau aus Süd - was hinten ist, und er kommt kräftig. Die Wellen vor mir sehen aus, als hätten sie es eilig, als müssten sie unbedingt und dringend aus der Förde raus. Als seien sie in Panik, überholen sie quasi ihre Vorgänger, nur um direkt darauf dasselbe Schiksal durch ihren Nachfolger zu erleiden. Ich komme schnell mit meinem vollbeladenen Boot ins Surfen. Es sind lange, schöne Surfs dabei, die mich kaum aus dem Kurs bringen. Es ist ein entspanntes Fahren. Da ist nichts, was fordert, was Aufmerksamkeit verlangt, Stress oder Anstrengung verursacht. Ich kann meinen Gedanken nachhängen.
Das wollte ich doch - allein sein auf dem Wasser mit mir und dem Meer, mit den Wind und den Wellen. Wenn ich mich umschaue, ist da tatsächlich niemand - ich bin alleine. Aber irgendwie bin ich doch nicht allein, denn alle sind sie mitgefahren: meine Eltern, mein Bruder, meine Frau - ja, und der Verein ist auch dabei. Das Leben, das ich eine Weile hinter mir lassen wollte, hat lange, klebrige Tentakeln.
Es dauert keine zwei Stunden, bis ich Bülk passiere. Das sind immerhin 15 Kilometer, ich bin durch den Rückenwind und die vielen, ausgedehnten Surfs unglaublich schnell. So kann ich vielleicht doch noch vor Einbruch der Dunkelheit mein Ziel erreichen. Wies mein Kurs bisher mit beeindruckender Geradlinigkeit genau nach Norden, so schwenkt er nun um 45 Grad nach Westen. Zusammen mit dem Steilufer heißt das erst einmal quasi Windstille. Ab dem nächsten Knick der Küstenlinie vor Dänisch-Nienhof weht mir dann ein leichtes Lüftchen bis zu meinem Ziel entgegen. Es sind immer wieder Spaziergänger am Strand unterwegs. Sie sind recht klein und ich bin mir nicht sicher, ob sie mich überhaupt wahrnehmen, denn ich fahre zwischen zwei- und dreihundert Meter weit draußen. Aber alle Fußgänger, die in meine Richtung gehen, hänge ich nach kürzer Zeit ab. Ich bin also immer noch mit guter Geschwindigkeit unterwegs.
Um die militärische Versuchsanlage vor Surendorf mache ich einen weiten Bogen - weiter als er sein müsste. Danach fahre ich wieder dichter ans Ufer, denn ich weiß nicht mehr so ganz genau, wo mein Zielzeltplatz liegt, und die Sonne ist auch schon unter gegangen. Ich habe mir eine Stelle am Ufer ausgeguckt, von der ich felsenfest überzeugt bin, dass sie mein Ziel ist. Aber als ich den Strand abschreite, sieht das ganz und gar nicht nach dem aus, was ich erwartet hatte. Eine Weile zweifele ich, ob sich die Uferlinie hier vielleicht nur stark verändert hat und man den Zaun um das Naturschutzgebiet der Walddüne näher ans Wasser verlegt hat. Aber dann beschließe ich, dass ich einfach gehörig zu weit gefahren bin.
Ich treidele mein Boot etwas zurück, damit ich es nicht unnötig weit durch den Sand ziehen muss, zum Ersatzzeltplatz, den ich mir ausgesucht habe. Die ganze Arie, meine Siebensachen aus dem Boot zu holen, das Zelt aufzubauen, das Boot nachzuholen und mich umzuziehen, dauert eine Ewigkeit. Natürlich bin ich müde von der langen Fahrt, aber mehr noch bremst mich die Kälte. Zwar friere ich nicht im Geringsten, aber Temperatur liegt nur wenig über dem Gefrierpunkt und lässt meine Bewegungen in Zeitlupe ablaufen. Alleine meinen Bootswagen zusammenzubauen, das Boot darauf zu stellen und vor allem den Spanngurt mit kalten Fingern im Dunkeln durch die Ösen am Wagen zu fädeln, dauert mindestens zehn mal so lange, wie gewöhnlich. Immerhin habe ich Glück, denn es herrscht Halbmond und der erhellt die Szenerie immerhin soweit, dass ich alles einigermaßen auch ohne Stirnlampe erkennen kann. Über eine Stunde brauche ich vom Moment des Anlandens, bis ich mich endlich in mein Zelt zurückziehen und die nassen Paddelklamotten ausziehen kann.
Ich habe gut zu Mittag gegessen, daher brauche ich meinen Kocher nur, um mir erst einen heißen Kakao und dann einen heißen Tee zu kochen. Die beiden brauche ich aber dringend, um wieder Leben in meine kalten Glieder zu bekommen. Den Tee ohne Honig - ist ja Fastenzeit. Luftmatraze aufpumpen, die nassen Sachen verstauen, das Boot für die Nacht fertig machen, Brote schmieren, essen - und eben Tee kochen. Alles bedarf hoher Konzentration und geht ausgesprochen langsam. Und immer darauf achten, wo man den Löffel oder den Kochergriff hingelegt hat. Und trotzdem bin ich immer am Suchen. Ich bin so beschäftigt mit elementaren Notwendigkeiten und Erledigungen, dass ich alle Hände voll zu tun habe. Und niemand ist da, der mir helfen kann. Niemand? Alle, die vorhin mitgefahren sind, sind mittlerweile zurückgeblieben. Hier bin ich wirklich alleine und nur mit meinem eigenen Sein beschäftigt. Und draußen scheint wunderschön der Mond.
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