Freitag, 22. Dezember 2017

Mit Jörg von Eck-Town nach Bülk

Ich habe seit anderthalb Wochen Urlaub - bin aber bislang kaum aufs Wasser gekommen. Nun ja - manchmal gibt es noch wichtigere Dinge als Paddeln!

Aber mit Jörg hatte ich schon vor längerem vereinbart, dass wir mal wieder - in Erinnerung an damals - eine Tour Bülk-Eckernförde machen wollten - wenn denn die Gelegenheit günstig sei! Gegen Ende dieser Woche sollte sie es sein: Wind aus Nordwest, trockenes Wetter und milde Temperaturen. Am Freitag sollten sogar fünf bis sechs Beaufort wehen. Also abgemacht: Freitag von Eckernförde bis Bülk - die Reststrecke bis zum Verein könnte man unter diesen Bedingungen zwar auch noch mit unter die Paddel nehmen, aber wegen der momentan nicht optimalen Beleuchtungsverhältnisse und unseres "schwebenden Verfahrens" mit der Wasserschutzpolizei haben wir das mal aus unseren Plänen rausgelassen.

Etwas holperig gestaltete sich die Logistik. Wir würden jemanden benötigen, der uns an den Strand nach Eckernförde fahren würde. Meine kleine Tochter fiel aus, weil sie sich am Abend vorher "die Kante" geben wollte und meine angetraute Frau wollte ich wegen ihrer Erkältung und vollem Terminplan nicht fragen. Zum Glück erklärte meine große Tochter sich bereit, Jörg erst in Kiel aufzusammeln und ihn dann zu uns nach Altenholz zu fahren.

So fahren wir also morgens mit zwei Autos nach Bülk, lassen dort den VW-Bus stehen und schiggern gemeinsam nach Eckernförde. Die Boote sind schnell startklar gemacht - umgezogen habe ich mich schon zu Hause und die Weihnachtsmütze habe ich auch schon auf. Die muss ich allerdings bald wieder abnehmen, denn mir wird doch etwas zu warm. Wir haben fünf Grad Luftemperatur, das Wasser ist ebenso warm und es geht lediglich ein kleines Lüftchen, das wir kaum spüren, weil es von hinten kommt.

Die Bucht liegt tatsächlich übermäßig friedlich da - von den vorhergesagten frischen bis starken Winden ist leider nicht viel zu spüren. Aber wir wollen nicht meckern, denn für Ende Dezember herrscht geradezu grandioses Wetter: zwar ist die Sonne etwas durch feinen Dunst geschwächt, aber im Norden herrscht blauer Himmel.

So geht es gut voran und wir glauben längst, dass wir etwas übertrieben haben, als wir der Frau am Strand, die uns danach gefragt hat, vier Stunden als Fahrtzeit bis Bülk angeboten haben. Nach knappen zwei Stunden passieren wir bereits das Sperrgebiet am Ende der Torpedo-Versuchsbahn. Hier machen wir unsere Pause - auf dem Wasser, denn zum aufwendigen Anlanden und Aussteigen fehlt uns die innere Notwendigkeit.

Wir karabinern die Boote aneinander, weil ich in meiner Naivität glaube, dass uns das mehr Stabilität gewährt. Ist aber natürlich Blödsinn. Außerdem müssen wir beide flugs unsere Mützen aufsetzen, weil der Wind bei Null Eigenfahrt eben doch leise pfeift und einem ziemlich schnell kalt wird. Auch die Fingerchen nöhlen leise vor sich hin, weil sie die ganze Zeit unbehandschuht den Temperaturen trotzen müssen. So halten wir uns also nicht lange in Untätigkeit auf.

Überraschend ist, wie wenig Seevögel unterwegs sind. Wir sichten lediglich mittelviele Eiderenten, ein paar Mittelsäger und Schellenten. Und ein recht großer Schwarm Gänse überfliegt uns. Jörg sagt, dass das Blässgänse seien, was ich auch heftig unterstütze. Aber nachdem ich mir jetzt Bilder dieser Spezies ausgesehen habe, glaube ich doch, dass es wohl eher Kanadagänse waren. Vielleicht sind die bis jetzt so milden Temperaturen ein Grund dafür, dass hier noch nicht die gewohnten Massen an gefiederten Wintergästen anzutreffen sind.

Jenseits von Surendorf (wo wir Pause gemacht haben), sind immer wieder Spaziergänger am Strand und auf der Steilküste zu sehen. Auch ein paar Angler sind aufgelaufen. Für einen Freitag Vormittag eigentlich viel zu viele, aber die sind vermutlich alle wie wir schon in Weihnachtsurlaub.

Nach nur knapp mehr als drei Stunden schrammen wir vor Bülk auf den Steinstrand - direkt vor drei Anglern, wie wir meinen. Aber die haben keine Krebsangeln ins Wasser geschmissen, sondern weiße Rosen - und stehen nun mit gefalteten Händen direkt neben uns. Tut uns leid!

Beim Umziehen kommen Erinnerungen an eine andere Wintertour auf, bei der wir hier nass und nackig  im eiskalt pfeifenden Wind standen und uns sonstwas abfroren. Das ist heute zum Glück nicht ganz so schlimm, aber mit den klammen Fingern die Gurte auf dem Autodach um die Boote zu wickeln, macht auch keinen wirklichen Spaß. Doch auch dadurch lassen wir uns nicht das selige Grinsen nehmen, das uns eine schöne und entspannte Tagestour bei wunderbarem Wetter ins Gesicht gezaubert hat!

GPS-Daten zur Tour

Sonntag, 29. Oktober 2017

Spaß mit Herwart

Dieses Jahr lagen die Feiertage günstig platziert: im Oktober gab es - der Einheit Deutschlands und der Spaltung der Kirche sei Dank - zwei lange Wochenenden, die zu ausgedehnten Paddeltouren genutzt werden wollten. Nicht ganz so günstig verlief die Terminierung der Tiefdruckgebiete in diesem Jahr: Das Einheitswochenende wurde von den Vorboten von Xavier verwässert und verwirbelt, und unsere Pläne für Weltspartag, Halloween und Reformationstag von Herwart gründlich weggeblasen.

Die Vorhersage in den vergangenen Tagen schlug wie der Schwanz eines Hundewelpen hin und her - aber letztlich kristallisierte sich für den Sonntag ein stark nachlassender Wind aus nördlichen Richtungen heraus. Wind aus Nord - und Wassertemperaturen im zweistelligen Bereich - das ist für Jörg und mich seit jeher eine elektrisierende Mischung! Da sollte doch was gehen!

Beim Essen für die Helfer des Abpaddelns, am Dienstag vorher, hatte Nina mir noch offenbart, dass sie mit dem Gedanken spielt, sich zum "Tidal races"-Kurs von Trenk anzumelden. Daraufhin habe ich ihr etwas davon erzählt und gleich ein paar Videos von You-Tube gezeigt. Am Ende des Abends trudelten die Anmeldungen der "ewigen Drei", Maditha, Nina und Olav,  bei Trenk ein!

Da alle drei noch nicht wirklich als erfahren in "bewegtem Wasser" bezeichnet werden können, haben Jörg und ich uns gedacht, dass wir ihnen Gelegenheit bieten sollten, sich darin zu bewähren. Also luden wir sie ein, uns an den Strand von Schönberg zu begleiten.

Innerhalb des roten Rahmens waren wir auf dem Wasser
In der Nacht wüteten am Leuchtturm zwölf Windstärken. Da bedeutet "stark nachlassend" nicht unbedingt laues Lüftchen. Aber die Vorhersage versprach harmlose sechs Beaufort ab der Mittagszeit. Trotzdem bereiteten Jörg die Granitbuhnen vor Schönberg Kopfzerbrechen, weil sie unter diesen Bedingungen und geringer Erfahrung schnell zu selbigem führen können. Er brachte daher den Hafen von Lippe ins Gespräch, wo wir vielleicht bessere Randbedingungen vorfinden würden. Zum Glück lief uns beim Aufladen der Boote Basti vom Nachbarklub noch über den Weg. Der kennt die Gegend dort aus intimer Ansicht. Der Nachteil des Lipper Hafens sei, dass man sich sofort mitten im Inferno befindet, wenn man ihn verlassen hat. Der Strand von Hohwacht würde besser in unser Kalkül passen.

In Hohwacht angekommen, fragen wir in der örtlichen Segelschule nach einer Parkmöglichkeit und bekommen freundlich die Wiese direkt am Strand zugewiesen. Ich nehme die Gegend sofort in Augenschein und bin hellauf begeistert! Die Rahmenbedingungen hier sind um Längen besser als in Schönberg: so gut wie keine Entfernung von den Autos bis zur Wasserkante (gut, das Wasser ist uns auch eine erkleckliches Stück entgegen gekommen), flaches Wasser mit mehreren Brechungsreihen und sogar ein gewisser Windschutz vor dem immer noch viel zu grimmigen Wind! Schon, um bloß dies zu erfahren, hat sich die Fahrt hierher gelohnt.

Bevor wir aufs Wasser gehen, rufe ich noch einmal unsere Kleingruppe zusammen und gebe die Devise aus, dass bei unserer Aktion Sicherheit das oberste Gebot ist, und dass wir auf jeden Fall zusammenbleiben müssen und keiner alleine irgendwo hin fährt. Ist allen klar und akzeptiert!

Ich schiebe alle ins Wasser und gehe als letzter hinterher. Als ich durch die ersten kleinen Brecherchen steche, mache ich mir keine großen Gedanken, dass sie mich aus dem Gleichgewicht bringen könnten. Aber plötzlich erschrecke ich mich doch: meine ganze Aufmerksamkeit gilt den von vorne heranrollenden Wellen, der Wind kommt jedoch genau von der Seite - und eine kräftige Bö bringt mich tatsächlich so aus dem Gleichgewicht, dass ich unerwartet stützen muss!

Die Wellenhöhe ist hier tatsächlich vergleichsweise harmlos - ich schätze sie mal auf zwischen einem halben bis zu einem dreiviertel Meter. Aber der Wind liegt deutlich über den angekündigten sechs Beaufort. Weiter draußen, wo man den Schutz der Landabdeckung verlässt, ist die Wellenhöhe deutlich höher. Ich will da gar nicht hinfahren und irgendjemanden mitlocken. Ich konzentrieren mich lieber darauf, unsere drei Novizen im Auge zu behalten. Sie machen ihre Sache wirklich gut, direkt auf sie zulaufende Wellen machen gar keine Probleme, auch nicht solche, die mit voller Wucht gegen die Brust klatschen.

Aber die andere Richtung wird noch nicht ganz so souverän beherrscht. Zuerst haut es Nina rein, die seitlich von einer Welle erfasst wird und den Angriff anfangs lässig abwehrt. Aber schließlich hat sie das Paddel und das Gewicht auf der falschen Seite und es folgt, was in solchen Fällen immer folgt: sie schwimmt neben ihrem Boot.

Beim Wiedereinstieg zeigt sich, dass wir das bei uns im Verein intensiv üben. Er geht reibungslos und zügig. In diesen Bedingungen verzichte ich allerdings darauf, das Boot vorher auszuleeren, weil die nächste brechende Welle es eh wieder vollschlagen würde. Eine Entscheidung, die vielleicht nicht die beste war, weil man auf dem Video sieht, dass wir uns die gesamte Zeit während des mühseligen Leerpumpens in relativ ruhigen Bedingungen befinden.

Meine Ansage von vorhin hat bezüglich "wir bleiben zusammen" nicht wirklich gefruchtet. Maditha paddelt irgendwo in weiter Ferne durch den Schaum. Als es auch sie reinreißt, ist der Wind der einzige, der meinen Ruf "Maditha schwimmt!" hört. Bei ihr stellt sich die Frage nach dem Ausleeren des Bootes nicht - sie hat keine Lenzpumpe dabei und ich habe meine im Auto vergessen! Also versuche ich, ihr Boot zu entleeren. Das gelingt ganz gut, auch wenn Maditha an meinem Bug hängend nicht gerade die Masse mitbringt, die man man sich als echte Beruhigung wünschen würde. Ich habe gerade ihr Boot entleert und will es neben mich bringen, als der nächste Brecher heranrauscht - und meinen Buganker einfach fortspült! Es reißt auch mich um und ich überlege einen kurzen Moment, was ich machen soll. Aber ich halte Madithas Boot fest und richte mich mit seiner Hilfe wieder auf.

(Das volle Video habe ich zu Vimeo hochgeladen)

Einige weitere Brecher rütteln mich durch, aber ich schaffe es, das Boot festzuhalten, schließlich parallel zu meinem zu bringen und die Paddel einzusammeln. Ich habe reichlich Zeit dazu, denn Maditha versucht zwar, mich schwimmend zu erreichen, aber der Wind bläst mich schneller fort, als sie schwimmen kann. Selbst als sie im flacheren Wasser stehen kann, dauert es noch unendlich lange, bis sie endlich mein Boot erreicht. Wir sparen uns den Wiedereinstieg, weil wir mittlerweile recht nahe am Ufer sind und es einfacher ist, das Boot dort auszuleeren und einen geordneten Neustart hinzulegen.

Am Ufer findet sich eine interessante Konstellation: eine flache Sandbank ist durch den hohen Wasserstand überspült und dahinter hat sich ein tiefes Loch gebildet, in dem das Wasser fröhlich rotiert. Als ich da hinein fahre, um zu sehen, wie Maditha an Land zurecht kommt, drücken mich Strömung und Wind schließlich in den Drahtzaun, der die anschließende Wiese umgibt. Mir bleibt nichts anderes übrig, als auch auszusteigen.

Die anderen sind mittlerweile zu einer kleinen Zwischenpause an den Strand gefahren, und Maditha und ich gesellen uns dazu. Ich bitte noch mal alle darum, enger zusammenzubleiben und dass sich im Falle einer Kenterung alle zum Kenterling begeben sollten, damit wir dann mehr Optionen bei der Rettung haben. Danach paddeln wir wieder alle vier und vergnügen uns noch eine gute Weile in den Wellen, bis Maditha ein zweites Mal abtaucht. Ich bin diesmal am dichtesten dabei und eile zur Assistenz. Als ich sie erreicht habe, blicke ich mich um und sehe, dass meine Worte Gehör gefunden haben: die vier anderen kommen heran - allerdings allesamt im Wasser schwimmend!

In der fälligen Pause zeigt sich, dass die Bedingungen doch kälter sind als erwartet. Ich bin als einziger von Anfang an im Trockenanzug aufgelaufen und fühle mich ganz wohl. Die beiden Mädels bibbern ziemlich, besonders Nina, die vermutet, schon seit ein paar Tagen eine Erkältung auszubrüten. Ich kann einige wärmende Ausrüstungsgegenstände unter meinen Mitpaddlern verteilen.

Jörg hat einen Riesentopf Kohl mit reichlich Fleischeinlage vorgekocht. Über den machen wir uns jetzt her. Allerdings handelt es sich bei den "ewigen Dreien" auch um ewige Vegetarier, weshalb die zwei Verbleibenden nicht die ganze Menge schaffen. Substantiell gestärkt stürzen Jörg und ich uns noch einmal in die Fluten, aber der Wind hat deutlich nachgelassen und die Wellen sind spürbar kleiner. Trotzdem haben wir noch jede Menge Spaß. Schließlich schmeiße ich mich auch noch einmal rein, um wenigstens einmal meine Rolle bemühen zu müssen. Zuerst bin ich ziemlich überrascht, dass es unter Wasser dermaßen dunkel ist. Aber das war letztlich vorhersehbar, so trübe wie das Wasser ist. Der Ansatz meiner Rolle ist etwas schludrig und halbherzig, so dass ich gleich wieder drin liege. Erst bei meinem dritten Versuch bin ich konzentriert genug, dass es klappt. Auch das muss ich viel öfter üben, damit es selbstverständlicher wird.

Am Ende eines wunderbaren Tages packen wir die immer noch frierende Nina ein und fahren unter einem bleu-rose Himmel zufrieden nach Hause!

Sonntag, 23. Juli 2017

Nordsee für Einsteiger 2017

Dieses Jahr war es schwierig, einen Termin für meine Nordseetour zu finden. Die Tide stand einfach immer ungünstig. Dieses Wochenende stellte noch den akzeptabelsten Kompromiss dar. Wie immer habe ich meinen (diesmal drei) Begleitern unter anderem die Aufgabe gestellt, den Zeitpunkt für ein Treffen am Bootshaus zu ermitteln, der gerade noch ein geregeltes Ankommen auf Hooge gewährleistet. Maditha hielt sich bei der Beantwortung der gestellten Fragen noch etwas zurück, aber Olav und Jörg haben beide übereinstimmend einen Zeitpunkt ermittelt, der bereits am Freitag Vormittag liegen müsste. Da Olav mit viel Stress frühestens um 14 Uhr am Treffpunkt auflaufen könnte, sah er seine Teilnahme schon nachhaltig gefährdet.

Die Vorbesprechung musste während des gemeinsamen Grillens mit dem Nachbarverein stattfinden, weil natürlich immer alle Termine grundsätzlich auf Kollision gebürstet sind! Hier habe ich dann die durchaus korrekten Ausarbeitungen, Überlegungen und Bedenken der Mitpaddler aufgenommen, kommentiert und so korrigiert, dass alle teilnehmen können. Wenn wir uns um 13 Uhr treffen und Olav sein Gepäck schon vorher in der Halle deponiert hat, können wir die Autos so beladen, dass er noch fünf Minuten hat, um sein Fahrrad abzuschließen und wir um 14:05 Uhr starten können.

Die Ankunft auf Hooge habe ich dabei so berechnet, dass sie auf eine halbe Stunde nach Niedrigwasser fällt. Da das Wasser immer noch ca. eine halbe Stunde nach Tidenkipp nachläuft, sollte das kein Problem sein - im Gegenteil, dann ist das Wasser am Leitdamm eventuell sogar schon wieder ein paar Zentimeter gestiegen, was den Ausstieg eher erleichtern würde.

Auch der Zeitpunkt, wann wir am nächsten Tag aufbrechen und vor allem aufstehen müssten, um bei Tidenkipp an der Pallas einzutrudeln, trifft auf das Veto von Olaf. Um drei Uhr nachts möchte er nicht aufstehen! Die beiden anderen sind durchaus bereit, für eine besondere Aktion auch besondere Opfer zu bringen, aber ich zeige ihnen kurz ein paar Bilder von Steffen und Johanna aus dem letzten Jahr, als wir zwar erst um fünf Uhr aufstehen mussten, die Augen aber trotzdem kaum aufgehen wollten. Zum Glück kommt Birke, die als eigentlich Unbeteiligte daneben sitzt, auf die Idee, dass es ja immer zwei Niedrigwasser am Tag gibt! Sofort erhellt sich Olavs Mine wieder!

In Schlüttsiel wähle ich gleich die nördliche, kleine Rampe, um dort unsere Boote zu beladen. Das Wasser ist allerdings bereits zu Beginn unserer Aktion unter die abschließende Betonkante gesunken. Als ich nach dem Packen nachsehe, ob wir hier die Boote ins Wasser bekommen, muss ich feststellen, dass die Kante so glibschig ist, dass es viel zu gefährlich wäre, sie zum Einsetzen zu benutzen. Wir weichen auf den benachbarten Seglersteg aus. Hier steht das Wasser gerade noch soweit über dem Schlick, dass unsere Boote knapp schwimmen. Obwohl wir in rekordverdächtiger Zeit gepackt haben, hätte es auch keine Minute länger dauern dürfen, sonst wären wir für die nächsten acht Stunden nicht aus dem Hafen gekommen.

Wegen unseres knappen Zeitplanes will ich gar keine Sperenzchen machen und auf dem kürzesten und direktesten Weg nach Hooge fahren. Nachdem wir den Hafen gut hinter uns gelassen haben, erkläre ich die sichtbaren Erscheinungen am Horizont: Oland, Langeness und Gröde sind gut zu sehen, Pelworm zu erahnen und Föhr nur mit Mühe von Langeness zu unterscheiden. Es ist allen unmittelbar einsichtig, dass die Orientierung hier grundsätzlich schwieriger ist, als z.B. auf der Kieler Förde, wo man immer einen untrüglichen Anhalt für die Richtung hat, in die man gerade blickt. Maditha hat keinen Kompass auf ihrem Schiff und ihre Seekarte ist so weit vorne, dass es ihr manchmal schwer fällt, unseren Kurs zu verfolgen.

Wir nutzen die Tour von Anfang an auch zum Erlernen neuer bzw. zur Rettung vom Untergang bedrohter Wörter : Gleich hinter dem Schlüttsieler Hafen ist eine Schute zu sehen, die bis oben in voll mit Faschinen beladen ist. Die Faschinen werden in den Lahnungen verbaut, die den vom auflaufenden Wasser angeschwemmten Schlick einfangen sollen.

Die Sicht ist blendend und es dauert nicht lange, bis das gelbe Portal des Fähranlegers von Hooge in Sichtweite kommt. Allerdings ist - vorerst noch nicht allen - klar, dass es gewaltig über den Horizont gehoben wird, denn von den benachbarten Warften ist noch nicht das Geringste zu sehen.

Es herrscht fast Flaute, so dass wir recht gut voran kommen. Leider gibt es aber kaum mehr Strom, so dass eine Übung, dass Fahrwasser von einer Tonne zur gegenüberliegenden zu kreuzen, nicht den beeindruckenden Effekt hinterlässt wie sonst. Dafür beeindruckt die Heckwelle der "Adler-Express" umso mehr. Die Fähre hatte sich eine Weile am Anleger gemüht, aus dem Schlick freizukommen und ist dann mit der ihr eigenen knapp unter der Schallgrenze liegenden Geschwindigkeit abgebraust. Ihre Heckwelle arbeitet sich ca. fünf Minuten lang unsichtbar auf uns zu. Keine zwanzig Meter neben uns baut sie sich zu einer beeindruckenden Höhe von einem halben Meter auf, um dann krachend in sich zusammenzubrechen! Hätten wir gerade in diesem Moment die Sandbank gequert, die die Welle so aufsteilen ließ, wäre das durchaus interessant geworden!

Genau zum Zeitpunkt des Niedrigwassers erreichen wir den Leitdamm des Hooger Segelhafens. Da besteht keine Chance, noch näher an das Schleusentor heranzukommen. Das Watt östlich davon ist durchgehend fest, so dass man es ohne weiteres mit den Bootswagen überqueren könnte. Aber dann müsste man die Boote noch eine ziemliche Strecke um den gesamten Hafen herumbollern. Also erkunde ich das Watt westlich der Einfahrt und befinde es für passierbar. Lediglich an einer Stelle, an der das Wasser durch die Lücke einer Steinlahnung fließt, ist der Schlick knöcheltief. Olav und Jörg tragen ihre Boote über diese 20 Meter weite Stelle, während ich Maditha helfe, ihr Boot einfach über die Barriere zu hieven. Mein eigenes ziehe ich dann alleine durch den Schlick. Die letzten Meter vom Deichfuß bis zum Rasen des Zeltplatzes hilft uns der örtliche Krabbenfischernachwuchs beim Tragen.

Es stehen bereits ein halbes Dutzend Zelte auf der Wiese, und da wir die Bootswagen noch unter unseren Schiffen haben, rollern wir sie kurzerhand über die Hafenbrücke zur Wiese, auf dem das Stelzenhaus steht. Aber ein freundlicher Eingeborener macht uns darauf aufmerksam, dass hier keineswegs freie Platzwahl gilt, sondern man sich erst nachdem die erste Wiese überquillt, auf der zweiten breit machen darf. Das trifft sich gut, denn sonst hätte ich die unangetastete Flasche Rotwein auf dem Zeltplatz nie gefunden!

Olav und Maditha hatten sich schon vorher bereit erklärt, für ein gemeinsames Abendessen zu sorgen. Sie schnibbeln Unmengen von Zwiebeln, Paprika und sonstigem Gemüse in der Abendsonne. Wir sind alleine auf der Zeltwiese, vermutlich sind die Bewohner der anderen Zelte irgendwo auf der Hallig unterwegs zwecks Bewegung, Kulturprogramm oder um schlicht irgendwo Abendessen zu peseln. So verbringen wir den Abend gemütlich in lauer Luft auf dem Deich sitzend, heißen Kakao und gefundenen Wein trinkend, damit, der Sonne beim Untergehen zuzusehen.

Da uns das Programm für Samstag frühestens am späten Nachmittag aufs Wasser zwingt, nutzen wir diese gute Gelegenheit, ausgiebig auszuschlafen. Unsere Nachbarn, eine Truppe unter der Leitung eines der vielen anderen Matthiasse, die sich regelmäßig auf der Nordsee tummeln, haben es nicht so gut. Sie müssen schon recht früh in die Boote und Richtung Pelworm aufbrechen. Schließlich haben sie eine Tour bei Seakayaking Germany gebucht, die vom Wetter bislang arg gebeutelt worden ist und müssen für ihr Geld Erlebnisse einfahren. Außer ihnen ist auch noch ein Pärchen aus Preetz mit uns. Sie wollen heute nur bis Oland fahren und dann am Sonntag von dort aus nach Schlüttsiel zurück.

(Wenn die Beteiligten sich wiedererkennen - bitte melden)
Mir fällt mal wieder auf, dass viele auch im Sommer im Trockenanzug unterwegs sind, das scheint heutzutage fast der Standard zu sein. Da hat sich in den vergangenen zehn Jahren wirklich viel getan - damals waren Trockenanzüge noch die absolute Ausnahme und eher nur bei den notorischen Auch-bei-Sauwetter-Paddlern anzutreffen. Vermutlich ist es gut so, und auch ich bin froh, dass ich bei Bedarf auf eine solche Rüstung zurückgreifen kann. Aber den sehe ich für mich meistens nur bei mehrtägigen Touren im Winter gegeben. Oder beim Brandungspaddeln im Spätherbst. Selbst wenn ich im Winter nur eine kurze Tour mache, ist mir mein Long-John mit ausreichend pummeligem Vlies meist genug Komfort. Vor Kenterungen in dieser Montur bei arktischen Bedingungen habe ich keine Angst, das habe ich oft genug gemacht und zudem ein gutes Vertrauen in meine Rolle. Ansonsten fühle ich mich im Trockenanzug eben genau so: wie in eine Rüstung gezwängt. Und bei zwanzig Grad Luft- und Wassertemperatur komme ich mir mit meinem Neo-Shorty vor, als würde ich im Cabrio durch die Landschaft fahren - da möchte ich  nicht in einer geschlossenen Kabine vergleichbar der eines Londoner Taxis sitzen.

Um die freie Zeit zu nutzen, wollen wir ins Lichtspielhaus auf der Kinowarft. Die Wanderung dahin bringt uns an der Kirche vorbei, die wir eingehend besichtigen. In ihrer Kleinheit und Verlorenheit macht sie die Zerbrechlichkeit und das Ausgeliefertsein der Hallig und ihrer Bewohner den Elementen und damit Gott gegenüber direkt fühlbar. Wenn man sich vorstellt, wie wenige Meter hinter einem wütende Wellen einer tosenden Sturmflut gegen den kleinen Deich um die Warft peitschen, wie fauchende Gischt gegen die wackelnden Fenster prasselt, dann braucht es nicht viel, dass man sich vorstellen kann, wie man vor dem Altar auf die Kniee sinkt und im Geiste nach einem verschütteten Gebet sucht.

In der Zeit, die uns noch bis zum Beginn der "Sturmflutfilmvorstellung" im Halligkino bleibt, erkunden wir noch die zugehörige Warft, die statt "Kinowarft" auch manchmal auch ganz unromatisch Hanswarft genannt wird. Hier gibt es noch einen Feting, der früher für die Versorgung des Viehs mit Trinkwasser genutzt wurde. Als Trinkwasser für die Menschen wurde das Regenwasser von den Hausdächern gesammelt. Erst seit 1968 gibt es auf Hooge eine Wasserleitung, die verlässlich Süßwasser vom Festland liefert.

Die Filmvorführung besticht vor allem durch die unvergleichliche Kommentarstimme, in der sich die Mentalität der Eingeborenen eindringlich wiederspiegelt. Danach ist der obligate Besuch im Pesel auf der Backenswarft fällig. Dass ich sonst hier immer erst abends einkehre, merke ich erst, also ich das Lammfilet vergeblich auf der Speisekarte suche. "Das gibt's erst nach 18 Uhr!" werde ich enttäuscht. Ein herber Tiefschlag! Ich weiche aus auf Matjesfilet mit Bratkartoffeln.

Wegen der unklaren Wetterlage - es war immer von Gewitterneigung die Rede - hatte ich den Besuch der Pallas schon frühzeitig abgesagt. Aber wir wollten dennoch wenigstens eine kleine Tour machen und die Nordsee spüren. Um 18 Uhr machen wir uns zu einem kleinen Dreieckskurs auf, der uns zuerst zum Jappsand führt, dann nach Langeness und schließlich genau quer zum Tidenstrom vor dort wieder zurück nach Hooge. Auch wenn das nicht mal 10 Kilometer waren, konnte man hier doch (fast) alle typischen Gebaren der Nordsee erleben: spiegelblanke See, pilzendes Wasser, bremsende Flachs und Wellen gegen Strom. Auch das Zufahren auf die Hooger Hafeneinfahrt war lehrreich, weil wir einen beträchtlichen Versatz durch die Strömung kompensieren mussten.

Auch die Rückfahrt am Sonntag liegt zeitlich in christlichen Regionen: So gegen zehn Uhr dümpeln wir im trüben Wasser der Hafeneinfahrt. Maditha soll versuchen, uns auf dem einfachsten Wege wieder zurück zu unserem Startort zu bringen. Ich muss nur einmal eingreifen, weil sie etwas zu lange hinter einem Krabbenkutter hinterher fährt, der ihr leider die Sicht auf die korrekten Tonnen nimmt. Wäre sie den von ihr ins Auge gefassten gefolgt, wären wir auf Pelworm angekommen.

Auch wenn sich die Nordsee an diesem Wochenende nicht besonders besonders gezeigt hat und wir die Pallas wieder einmal nicht erreicht haben, hat die Tour doch bei allen Beteiligten die Faszination für diese Landschaft entweder aufgefrischt, vertieft oder gar neu geweckt. Ich freue mich schon darauf, im nächsten Jahr wieder hierher zu kommen.

GPSDaten hier!

Sonntag, 26. März 2017

Zelt und Schlafsack? Hoffnungslos überbewertet! (3/3)

Da wir heute eine erkleckliche Strecke bewältigen müssen, haben wir uns vorgenommen, früh aufzustehen und um 9 Uhr auf dem Wasser zu sein. Bis nach Fynshav sind es fast dreißig Kilometer, und die zurückzulegen, dauert seine Weile. Es ist wieder leidlich frisch heute Morgen und diesig, so dass die Sicht nicht sonderlich weit reicht. Aber es ist windstill - absolut windstill!

Es steht nichts mehr auf dem Programm, was wir erledigen müssten. Da Trenk mich davon überzeugen konnte, dass ich meine Paddelstulpen gar nicht mit auf die Tour genommen sondern sie im Auto gelassen habe, müssen wir auch nicht mehr Lyö anlaufen um nachzusehen, ob ich sie dort liegen gelassen habe. Das einzige, was es zu bewältigen gibt, sind die 30 Kilometer bis zu unseren Autos. Ich nehme erstmalig auf dieser Tour mein GPS zu Hilfe, um die Peilung auszumessen, denn wir wollen direktemong fahren. Im Rahmen unserer Navigationsgenauigkeit ist das 270 Grad, oder anders gesagt, genau West. Das ist einfach zu steuern und erleichtert das Kurshalten. Aber die Angelegenheit wird eine gute Übung in Geduld werden, denn es  wird sich über gute vier Stunden nichts ändern und wegen der trüben Sicht und des großen Abstandes zum Ufer auch dem Auge kein Reiz bieten. Am Ende des Tages wird eine "270" fest auf meiner Netzhaut eingebrannt sein!

Die erste Abwechslung ergibt sich, als ich nach zwei Stunden mitten auf dem kleinen Belt meine Pause einfordere. Ich mache immer nach zwei Stunden eine Pause und schließlich habe ich meine Stulle geschmiert, die vor Ankunft gegessen sein will! Die nächste Abwechslung folgt, als sich das Wetter ziemlich unvermittelt und ziemlich durchgreifend "bessert". Die Sonne bricht durch und bald ist der Himmel mehr Blau als Weiß. Allein, wir wissen nicht, ob wir uns darüber freuen sollen. Jedesmal, wenn die Wolken die Sonne freigeben und sie ungehindert auf uns niedersengt, geht meine Lust, das Paddel beherzt und mit Druck durchs Wasser zu ziehen, gegen Null. Immer, wenn sich eine Wolke vor den Heizstrahler schiebt, fällt es mir erheblich leichter, das Tempo zu halten. 

Apropos Tempo: Flaute, volle Boote, 28 Kilometer - 7,4 km/h - brutto, ohne die Pausen herauszurechnen. Der Rückenwind gestern hat also ganze 0,2 km/h gebracht! Unterm Strich muss ich sagen, dass ich meine Formkrise, in die mich dieser Winter gestürzt hat, ziemlich gut überwunden habe.

Die gesamte Tour
Und unterm Strich hat sich das Fehlen meines Schlafsacks und die Nicht-Einsetzbarkeit meines Zeltes überhaupt nicht genussmindernd bemerkbar gemacht. Allen auf den Inselchen verteilten Hütten und Gegenständen, die das möglich gemacht haben, sei Dank - vor allem aber der Tatsache, dass Trenk seinen Sommerschlafsack mitgenommen hat!

Samstag, 25. März 2017

Zelt und Schlafsack? Hoffnungslos überbewertet! (2/3)

In der unentschiedenen Phase zwischen Noch-Nicht-Wachsein und Nicht-Mehr-Tiefselig-Schnorcheln dringt ein permanentes Tackern an ein Ohr. Ich gebe mir große Mühe, es zu ignorieren. Aber es lässt mir keine Ruhe, dass ich dem Geräusch so gar keine Ursache zuordnen kann. Dass Trenk es im Kopf gekriegt hat und aus lauter Langeweile die Holzbänke in der Hütte mit Polstern betackert, ziehe ich nur kurz in Erwägung - das ist schließlich so gar nicht seine Art. Es ist gegen sieben Uhr und damit für Urlaub eindeutig zu früh zum Aufstehen - zumal ich ja nicht friere. Andererseits ist es bereits hell und das mit dem Ignorieren des stetigen "tackack"s funktioniert auch nur semi-optimal. Als ich schließlich Trenks Schritte draußen höre, trete ich auch vor die Tür meiner Schlaf-Sauna.

Das Tackern ist weg. Die einzig weltliche Erklärung, die mir einfällt, ist ein Vogel, der vielleicht auf dem Dach nach irgendwelchen Körnern gepickt und uns damit den Schlaf geraubt hat. Mein erster Gang geht zum Wasser, um das überschüssige zu lassen und das andere zu begutachten. Es ist Wind aufgekommen - genau wie in der Vorhersage angegeben und genau aus der richtigen Richtung! Unsere Sachen sind über Nacht wenigstens nicht feuchter geworden und gestern haben wir ja auch nicht übermäßig geschwitzt. Beim Zusammenpacken und Wiederherrichten des Holzschuppens klauben wir eine Reihe von liebevoll bemalten Steinen und Muscheln aus dem Gras. Wir drapieren sie etwas repräsentativer auf der Bank vor der Hütte.

Das Packen geht heute doppelt zügig bei mir, denn ich muss ja weder mein Zelt abbauen noch meine Isomatte einrollen! Geduldig warte ich, bis auch Trenk endlich fertig ist. Er hatte heute Nacht etwas Probleme mit seiner Downmat: im Laufe der Zeit hat sie Luft verloren, so dass er am Ende mit der Hüfte auf dem blanken Boden aufgesetzt und die Kälte dadurch übermäßig ins Gemark gekrochen ist. Aber dagegen hätte vermutlich auch sein Sommerschlafsack nicht wirklich geholfen. So war der doch besser bei mir aufgehoben!

Das Wetter ist nicht wirklich klar, aber auch nicht trübe. Es weht mit fünf bis sechs Metern pro Sekunde aus West und wir wollen nach Osten. Die neuen Shelter auf Drejö sind unser Ziel - nicht etwa weil ich kein Zelt mit habe, sondern weil sie uns natürlich brennend interessieren! Wir fahren mehr oder weniger schnurgerade dahin. Wir können sogar den einen oder anderen Surf mitnehmen, aber unsere vollbeladenen Booten agieren halt nicht besonders leichtfüßig. Trenk fährt heute einen "Latitude" von Nigel Dennis. Unter Fachleuten nennt man so etwas "Bulk Carrier". So gestaltet sich unsere Geschwindigkeit nicht besonders beeindruckend: 7,6 km/h im Schnitt. Das ist nicht schlecht, aber die 7,2 km/h von gestern haben wir bei Flaute ohne die geringste Anstrengung hinbekommen, während wir heute zwar Rückenwind haben, aber trotzdem erheblich mehr ins Schwitzen kommen. Zugegeben, wir fahren heute die doppelte Strecke, aber es zeigt sich immer wieder, dass Rückenwind gar nicht so viel bringt, wie man vermuten möchte.

Um halb eins haben wir unser Ziel erreicht, aber Trenk fragt gleich, ob das nur eine erste Etappe war, der wir vielleicht noch weitere folgen lassen möchten. Ich verspüre gerade keinen so übermäßigen Drang, noch "mal eben nach Skarö" und vor allem wieder zurück zu paddeln. Wir könnten noch nach Avernakö fahren, dann hätten wir am letzten Tag eine nicht ganz so weite Strecke zu bewältigen. Aber heute soll der Wind den ganzen Tag stramm aus Westen blasen, so dass Avernakö eine rechte Schinderei wäre. Morgen hingegen soll wieder absolute Flaute herrschen, was einen deutlich geringeren Aufwand bedeuten würde. So einigen wir uns darauf, die Trockenanzüge auszuziehen und auf Entspannung zu schalten.

Die erste Begehung des Platzes zeigt ein üppiges Angebot: Da ist ein geräumiger Esszimmershelter mit solidem Holztisch, ein Toilettenshelter, zwei Schlafshelter und ein  leider verschlossener Sauna-Shelter. Sogar einen Abfalleimer gibt es - fehlt eigentlich nur ein Frischwasseranschluss zum Fünf-Sterne-Übernachtungsplatz! Wir speisen die aufgehängte Blechbox mit dem nötigen Obulus, denn wir möchten, dass so eine tolle Idee auch weiter unterstützt wird.

Während ich schon mal eine Vorerkundung der Insel unternehme, haut Trenk sich eine Weile aufs Ohr. Später umrunden wir die Hälfte der halben Doppelinsel und sind ganz begeistert, dass es auf diesem Eiland sage und schreibe drei Übernachtungsplätze gibt: einen im neuen Segelhafen, einen im alten und den Shelter-Platz. Eigentlich ein idealer Standort für einen längeren Kajak-Urlaub, denn hier ist man genau mitten im südfünschen Inselmeer! Außerdem gibt es auf der Insel so viele Wegweiser, dass sich sogar Blinde hier nicht verirren könnten!

Zum Abendessen spendiert Trenk Eierpfannkuchen, die wir mit Kirsch-Brombeermarmelade von mir bestreichen. Ich habe mir extra nur einen Teil meiner Bratkartoffeln gemacht, damit ich mehr Platz für den Nachtisch habe!

Freitag, 24. März 2017

Zelt und Schlafsack? Hoffnungslos überbewertet! (1/3)

Lange habe ich diesem Tag entgegen gefiebert! Habe mich gefreut, mal wieder raus zu kommen, nach allzu langer Zeit mal wieder mit Trenk zusammen auf Tour zu gehen, mal wieder meine Wangen nur durch einen Zeltboden getrennt an die geliebte Welt zu schmiegen! Und dann die Wettervorhersage! Als unser Wochenende bei Windfinder in den Vorhersagefokus rückte, sah es noch zu schön aus, um wirklich wahr sein zu können: Freitag absolute Flaute und Samstag und Sonntag mäßige Winde bei durchgehend gutem Wetter! Zwar zappelte die Vorhersage in den folgenden Tagen noch ein bisschen hin und her, aber die vom Freitag Morgen hätten wir uns nicht besser aussuchen können!

Mit bekannt-berüchtigt knappen Worten erfolgte die Abstimmung - lieber spontan und aus dem Bauch heraus improvisiert als geplant und aus dem Internet heraus irgendwelche Shelter im Voraus gebucht. Freitag 16:15 Uhr Fynshav, Richtung Ost - und gut is!

Da ich einerseits mittlerweile ein richtiger Profi bin, was Tourendurchführung und Vorbereitung angeht, und ich andererseits nicht erst auf den letzten Drücker packen und dann die Hälfte vergessen will, sammele ich meine Ausrüstung immer schon Tage vorher zusammen auf einen - oder besser gesagt ziemlich viele Haufen. Schon beim Wegräumen meiner Sachen nach der vorherigen Tour achte ich peinlich darauf, alle Gegenstände immer am selben Ort zu lagern und zwingend zusammengehörende Elemente auch so wegzupacken, dass sie eine Einheit bilden: der Brenner ist grundsätzlich im Kocher deponiert, das gesamte Küchenzubehör im Kochbeutel, wobei Verbrauchsmaterialien (wie Salz, Zucker, Öl ...) immer sofort nach der Tour wieder aufgefüllt werden. Tarp mit Stangen und Heringen werden in einem Beutel untergebracht ebenso wie Zelt, Gestänge und Unterlage. Mein ausgeklügeltes System reicht so an den Sicherheitsstandard von Atomkraftwerken.

Trenk ist schon da, als ich - mit dem akademischen Viertel Verspätung, das ich in Kiel im Stau verdödelt habe - in Fynshav eintrudele. Wir sind beide euphorisch wegen der Vorfreude und des tollen Wetters. "Und heute Morgen, auf dem Weg zur Arbeit, waren die Felder noch richtig dick mit Raureif überzogen!", sage ich. "Deshalb habe ich diesmal sogar noch meinen Sommerschlafsack zusätzlich mitgenommen!", entgegnet Trenk. Bei der Erwähnung des Wortes "Schlafsack" wird mir augenblicklich und vollkommen unromantisch klar, dass ich meinen bauschigen Begleiter nicht eingepackt habe! Das einzige Ausrüstungsstück, dass ich nicht im "Paddelkeller" lagere, sondern im Schlafzimmer! Kein Wunder, dass dauernd irgendwelche Atomkraftwerke explodieren! Naja, dann muss man eben improvisieren - und zur Not mal frieren, was ist schon groß dabei? Und außerdem habe ich eine Fliesdecke mit! Damals - auf der Flucht - hatte man auch nicht mehr!

Das erste Ausrüstungsteil, dass ich ins Boot packe - hinter den Skeg-Kasten, wo man kaum noch hinlangen kann - ist mein Zeltgestänge. Das ist ja nach meiner ausgeklügelten Packstrategie in der Wurst des Zeltstoffes eingewickelt. Die Wurst fühlt sich aber bedrohlich schlapp an! Da ist nix, was einem Knicken entschiedenen Widerstand entgegensetzen würde! Eine halbe Sekunde ungläubiges Zweifeln - dann ist mir augenblicklich und vollkommen unromantisch klar, dass ich das Gestänge nicht dabei habe! Eigentlich eher verwunderlich, dass Atomkraftwerke nicht noch öfter explodieren! Naja, dann muss man eben improvisieren  - und damals - auf der Flucht ...

Das Wasser ist sowas von unbewegt, wie es unbewegter nicht sein kann. Fast hat man Angst die glatte Fläche mit dem Paddel zu zerstören. Aber wenn wir voran kommen wollen, dürfen wir da nicht zimperlich sein. Und wir kommen gut voran! Um kurz nach fünf sind wir auf dem Wasser - und um halb sieben laufen wir bereits im Getränkekistenhafen auf Lyö ein. Dazwischen werden wir mehrfach von einem vierköpfigen Schwarm von Tordalken umschwirrt, der immer genau dann auftaucht, wenn man es nicht erwartet und die Kamera gerade nicht einsatzbereit hat! Mir fällt auf, dass wir sonst hier eher immer in totaler Dunkelheit unterwegs waren und deswegen keine Seevögel gesehen haben. Heute herrscht in dieser Hinsicht recht große Geschäftigkeit. Außer den Tordalken sehen wir natürlich jede Menge Eiderenten, aber auch Eisenten und Samtenten.

Unsere schon lieb gewonnene Holzhütte können wir diesmal noch bei Tageslicht so herrichten, dass wir sie als Aufenthaltsraum nutzen können. Auch sind die Bänke darin diesmal längst nicht so lieblos angeordnet wie sonst schon. Die Nudel-Bolognese-Kombi, die ich diesmal zum Ausprobieren mitgenommen habe, ist geschmacklich leider nicht empfehlenswert, von der Menge her aber so viel, dass mir hinterher fast schlecht ist, als ich sie verputzt habe.

Für die Nacht richte ich mir die "Sauna" her. Das ist ein Raum in der Holzhütte, in dem tatsächlich ein Saunaofen steht, und der wenigstens etwas gegen den Rest der Welt abgedichtet ist. Leider sind die Bänke dermaßen schmal, dass man unter keinen Umständen darauf schlafen kann, ohne herunter zu fallen. Eine eingehende Begehung des Geländes bringt allerlei Materialien zum Vorschein, mit denen ich dem Missstand abhelfen kann. Da Trenk mir außerdem seinen Sommerschlafsack überlassen hat, steht einer muckeligen Nacht nichts mehr im Wege! Allerdings ist zwischen meinen Wangen und meiner geliebten Welt nun doch mehr als ein dünner Zeltboden!

Samstag, 18. März 2017

Huiuiui!

Ende des Monats will ich mit Trenk übers Wochenende auf Tour gehen. Da ich diesen Winter extrem wenig auf dem Wasser war (ich bin in der vereinsinternen Kilometerliste gerade eben noch unter den Top-Ten!), versuche ich, in den vergangenen Wochen wieder etwas regelmäßiger zu trainieren.

Heute Morgen bedarf es aber einiger abstrakter Gedanken, die Notwendigkeit, aufs Wasser zu kommen, so zwingend zu begründen, dass ich mich trotz lausiger Temperaturen, frischen Windes und dazugehörigen Regens auf den Weg zur Bootshalle mache.

Die dort bereits versammelten Polospieler sind allesamt in ihre Smartphones vertieft, um die nächstgelegene Sauna ausfindig zu machen, in die sie sich statt eines Trainings zurückziehen können. Wenigstens komme ich dadurch in den Genuss, dass ich die Reifen des Bootswagens mit Martins Luftpumpe aufpumpen kann und Lennard mein Boot mit mir zum Steg runter trägt.

Dass ein leicht nördlicher, vor allem aber westlicher Wind wehen würde, hatte ich vorher schon auf Windfinder gesehen. Also bleibe ich erst einmal auf dem westlichen Fördeufer, damit ich zuerst den Schutz des Düsternbooker Hügels ausnutzen und später einen leichten Schub auskosten kann.

So nördlich, dass der Wind Schub gemacht hätte, kommt er dann leider doch nicht. Es ist eher genau querab, was dazu führt, dass ich beim Kreuzen des Fahrwassers mächtig versetzt werde. Aber das ist kein großes Problem, denn dadurch bin ich eher schneller am anderen Ufer als entlang meines Plankurses. Wenn ich über die freie Wasserfläche in Richtung Friedrichsorter Leuchtturm blicke, sind da viel mehr weiß brechende Wellen zu sehen, als in meiner unmittelbaren Umgebung. "Da wird wohl gerade eine heftige Bö durchgehen", denke ich mir, "aber die wird sich schon wieder beruhigen".

Ich bin mir nicht sicher, ob kurz darauf der Wind auch in meiner unmittelbaren Nähe deutlich stärker geworden ist, oder ich nur mittlerweile in das Gebiet mit strammerem Wind gelangt bin - unter Strich ist es einerlei: es schäumt und schwallt um mich herum, dass ich mich wirklich konzentrieren muss. Meine schrillgelbe Schirmmütze macht mir etwas Sorgen. Sie sitzt zwar eigentlich wunderbar sicher am Kopf, aber dieser Wind hier ist doch eine Nummer zu viel, als dass ich mir sicher sein könnte, dass sie unter allen Umständen bei mir bleibt. Ich muss mir unbedingt eine Sicherungsleine dafür zulegen. Meinen Versuch, sie durch das Aufsetzen meiner Kapuze am Wegfliegen zu hindern, muss ich beinahe mit einem unfreiwilligen Bad bezahlen: Zum Anfassen der Kapuze muss ich eine Hand vom Paddel lösen, was der Wind sofort ausnutzt, um wild daran zu zerren. Dadurch taucht es unkontrolliert auf der Lee-Seite unter Wasser, was wiederum mörderisch bremst und keinen guten Einfluss auf meine Balance hat. Ich lasse die Sache mit der Kapuze erst einmal auf sich beruhen und halte den Schirm der Mütze möglichst weit nach unten geneigt.

Es sieht irgendwie überhaupt nicht danach aus, als wenn der Wind nur kurz aufgefrischt sei und sich demnächst wieder beruhigt. Eigentlich sieht es eher so aus, als wenn der Wind stetig zunimmt. Ich habe keine Sorgen, dass ich in eine Notsituation kommen könnte, schließlich bin ich auf der Ostseite des Fahrwassers und würde irgendwann einfach ans Ufer gespült. Aber an meinen ursprünglichen Plan, wie üblich zur Tonne 12 zu fahren, glaube ich nicht mehr wirklich. Die Wellen vor der Spundwand, die den Möltenorter Hafen einsäumt, spritzen über die Hafenmauer und davor bildet sich ein wild klapotierendes Inferno. Da möchte ich nicht wirklich hindurch fahren.

Also peile ich das südliche Ende des Hafens an, wo sich zwischen Hafenmauer und Ufer ein kleines Dreieck bildet, in dem es nicht so schauderlich schäumt und spritzt. Ein Fahrradfahrer am Ufer hält an und beobachtet mich eine Weile. Vielleicht nutzt er auch nur die Gelegenheit, etwas zu verschnaufen, denn er muss sich auch gegen den Wind plagen. Ob er innerlich den Kopf darüber schüttelt, dass man bei solchen Bedingungen unbedingt paddeln muss, kann ich nicht erkennen.

In den paar Minuten, die ich im fast friedlichen Dreieck damit verbringe, nicht auf die seitliche Steinschüttung gespült zu werden, gewinne ich den Eindruck, dass die Windstärke hier keine kurzfristige Erscheinung ist, sondern dass ich mich mit ihr für den Rest meiner Tour arrangieren muss. Die Tonne 12 lasse ich mal, wo sie ist und mache mich stattdessen auf den Rückweg.

Die Heikendorfer Bucht zu queren, ist kein großes Kunststück, allerdings fahre ich wegen der erheblichen Abdrift eine ziemliche Hundekurve. Kurz vor Kitzeberg liegen die zwei "Übungsfelsen", die nur leicht aus dem Wasser ragen, und ich bin mir nicht sicher, wo genau sie sich befinden. Das macht es erst etwas spannend, aber schließlich erkenne ich sie doch deutlich und komme ungefährdet an ihnen vorbei. Die Frage von vorhin, ob der strammere Wind eine örtliche oder zeitliche Ursache hatte, kann ich mittlerweile eindeutig beantworten: auch südlich von Kitzeberg schäumt es nun frohgemut vor sich her. Die beiden Spundwände vor dem Mönkeberger Segelhafen und dem Ölberg sehen nicht so aus, als wenn ich davor entlang paddeln möchte. Ich fahre kurzzeitig direkt auf das gegenüberliegende Ufer zu, bis ich es mir anders überlege und erst einmal durch den Mönkeberger Hafen fahre. Dort habe ich Windschutz und bin danach schon wieder ein Stückchen weiter und kann dann immer noch die Förde direkt queren und so dem Ölberg entgehen.

Die Durchfahrt unter dem flachen Steg hindurch ist bei dem herrschenden Wind und Seegang nicht einfach, aber ich bekomme es hin, ohne mit dem Kopf gegen die Querträger zu dengeln. Im Hafen sieht man die Wellen von außen über die Hafenmauer spritzen - gut, dass ich hier drinnen fahre! Am Hafenausgang hat man einen prima Blick auf die hohe rostige Spundwand des Ölberges. Bei 20 Grad Wassertemperatur würde ich die Gelegenheit gerne nutzen, durch das Wellenchaos davor zu fahren. Heute eher nicht.

Ich visiere das Maritim am anderen Ufer an und zentimetere mich ihm entgegen. Bis zur roten Fahrwassertonne spürt man immer noch die reflektierten Wellen, die auch hier eine erhöhte Konzentration erfordern. Danach lassen Anspannung und Anstrengung nach. Zwar bin ich mit meiner Kondition weit von irgendeinem Zenit entfernt, aber ich bin doch ganz zufrieden, dass ich mich in diesen Bedingungen zwar nicht gerade wohl aber auch keinesfalls unwohl gefühlt habe. Aber auf der Tour mit Trenk möchte ich solche Verhältnisse nicht haben! Sonst müssen wir uns eine geeignete Sauna als Alternativprogramm suchen!
Innerhalb der eingerahmten Zeit war ich unterwegs