Am Morgen lacht die Sonne. Der Wind kommt noch aus einer Richtung, die der Vorhersage genau ins Gesicht bläst. Für den gesamten Tag ist aber recht kräftiger Westwind angesagt, so dass wir unseren ürsprünglichen Plan, in die Schlei hinein zu fahren, aufgeben. Stattdessen überlegen wir, nach Flensburg zu paddeln. Leider haben wir beide von diesem Gebiet keine Seekarten dabei, so dass wir nicht genau beurteilen können, wie weit das eigentlich ist. Mir kommt die Idee, die anderen Paddler danach zu fragen, schließlich geht man ja nicht auf Tour, ohne Karten vom Zielgebiet mitzuführen. Und tatsächlich: sie haben einen Jübermann dabei, dem wir alle notwendigen Informationen für unseren geänderten Plan entlocken können.
Peter fotografiert kurzerhand die für uns relevanten Seiten mit seinem Super-Duper-Kann-alles-Handy, damit wir im Zweifelsfalle noch mal nachsehen können. Im Gespräch mit der anderen Gruppe erkennt Peter im Gegenüber anhand dessen charakteristischen Ohrringes einen Eingeborenen der Insel Norderney. Da Peter dort einmal gearbeitet hat, folgt ein detaillierter Austausch über gemeinsame Bekannte, ob es sie noch gibt und wo sie denn gelandet sind. Mit der Seekarte im Handy gut gerüstet verlassen wir die Schlei und fahren mit dem sich nun der Vorhersage angepassten West-Süd-West-Wind die Küste von Angeln entlang nach Norden.
Der Unterschied zwischen dem heutigen Wind und dem von gestern ist, dass er nicht mehr so wirklich von hinten schiebt, sondern deutlicher von der Seite drückt. Das Gemeinsame mit dem Wind von gestern ist die Tatsache, dass er uns immer noch Richtung Ärö treibt. Da wir durch das ausgefallene Essen in der Giftbude nun eine Portion Proviant zu wenig haben, müssen wir unterwegs noch einmal nachfassen. Wir schätzen, dass es auf dem Campingplatz Hasselberg mindestens einen Kiosk gibt, an dem man seine Vorräte auffüllen kann. Wir sind unbemerkt ein deutliches Stück Richtung Ärö versetzt worden, so dass wir uns schließlich mühsam gegen den Wind zurückarbeiten müssen, um den Campingplatz noch zu erreichen.
Wir gönnen uns eine kleine Pause am Kiosk, aber mit meiner kurzen Hose kommt bei den wenig sommerlichen Temperaturen und dem frischen Wind nur ein geringes Maß an Gemütlichkeit auf. So sitzen wir bald wieder in den Booten und passen ab jetzt besser auf, dass wir Ärö nicht zu nahe kommen. Bei Falshöft macht der Küstenverlauf einen deutlichen Knick nach Westen, so dass wir ab hier praktisch gegen den Wind fahren. Das führt natürlich dazu, dass es spritzt und man ständig vom acht Grad frischen Wasser nass wird. Das führt auch dazu, dass uns der Gestank der Kormorankolonie, deren Einwohner auf dem trockengefallenen Flach vor der Geltinger Birk ihren ätzenden Kot verteilen, schon auf weite Entfernung in die Nase sticht. Zusammen mit den in der Flensburger Förde recht hoch gehenden Wellen führt es auch dazu, dass der See auf meiner Spritzdecke immer gut gefüllt ist und beständig ins Innere sickert. Im Laufe der Jahre ist meine Neoprenspritzdecke wohl doch so porös geworden, dass man sie nicht mehr als wirklichen Verschluss des Cockpits bezeichnen kann.
Im Inneren meines Bootes steht daher ständig so viel Wasser, dass meine nackten Beine satt umspült werden. Zweimal pumpe ich es während der Fahrt über die Förde ab, damit die Beine wenigstens eine kurze Zeit mal Gelegenheit haben, sich etwas aufzuwärmen. Ich bin froh, dass ich dafür mit meiner Schenkelpumpe das Paddeln nicht unterbrechen muss. Aber mit den ständig übergehenden Wellen dauert es nicht lange, bis wieder genügend Wasser nachgefüllt ist, das meine Beine darin schwimmen. Sie versuchen zwar, es von ihren acht Grad auf angenehmere Temperaturen aufzuheizen, haben aber nicht so viel Erfolg, dass ich sagen würde, es sei angenehm. Ich habe meine Schimrmütze auf, die wenigstens etwas Schutz gegen Wind, Wasser und Kälte bietet, aber mein Südwester wäre wesentlich besser geeignet. Ich habe ihn zwar griffbereit im Cockpit, mache mir aber bei dem strammen Wind doch nicht die Mühe, ihn rauszukramen. Auch Peter fühlt sich nicht wirklich mollig, obwohl er im Gegensatz zu mir im Long-John fährt. So sind wir vermutlich rechtschaffen unterkühlt, als wir endlich unter dem Steilufer von Broager ankommen.
Dort liegen bereits etliche Boote am Strand. Als wir unsere daneben legen, fällt Peters Blick in das Cockpit eines fremden Bootes, wo der Name des Besitzers in großen Buchstaben zu lesen ist. "Den kenn ich!", sagt er. "Von Norderney?" "Nein, aus Hannover!" Als ich den Steilhang hochgehe und auf die oben bereits campierende Gruppe treffe, fallen mir auch sofort zwei bekannte Gesichter auf. Mit der einen Paddlerin bin ich während der Seekajak-Woche paddeln gewesen, der andere hat ein RST in Kiel besucht, das ich veranstaltet habe. Die Gemeinde der Seekajak-Fahrer ist eben überschaubar.
Wir sind gestern über dreißig Kilometer gepaddelt und heute wieder. Wir sind heute die letzen fünfzehn Kilometer gegen einen satten fünfer Wind angekeult. Und es ist erst das zweite Mal in diesem Jahr, dass Peter im Boot sitzt! Ich weiß nicht, wie er das macht, aber einmal ins Boot gesetzt, schnurrt er ab wie ein aufgezogenes Kinderspielzeug. Ich wäre zusammengebrochen! Immerhin ist er so erledigt, dass er sofort einschläft, als er sich probehalber in seinen Zelt in die Waagerechte legt!
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